Weissachs E-Bürgerbus nimmt Fahrt auf

31 Fahrer stehen für den Dienst bereit – Seit September rollt das ehrenamtliche Angebot für den Weg zum Arzt oder ins Klinikum

Seit Mitte September läuft Weissachs Bürgerbus. Der Service mit dem E-Fahrzeug ist zwar langsam ins Rollen gekommen, er nimmt aber zusehends Fahrt auf. 31 Chauffeure stehen für den vom Ortsseniorenrat initiierten und von der Gemeinde unterstützten Dienst bereit.

Weissachs E-Bürgerbus nimmt Fahrt auf

Der Weissacher Bürgerbus hilft, wenn die Mobilität eingeschränkt ist (von links): Ortsseniorenrat Rüdiger Frey, Fahrerin Brigitte Sorg, die Fahrgäste Helga Czerwonka und Erna Schreiber sowie am Steuer der Fahrer Günter Russ und (hinten) Bürgermeister Ian Schölzel. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. Das Angebot war von Anfang an positiv hinterlegt, berichtet Bürgermeister Ian Schölzel. Schon im Vorfeld kam das Thema immer wieder auf, gerade auch in Gesprächen mit älteren Mitbürgern, etwa wenn er bei Seniorengeburtstagen zu Besuch war oder auch beim Krankenpflegeförderverein. Vor allem Alleinstehende wünschten sich diese Form von Unterstützung für den Weg zum Arzt oder zur Therapie.

Große Vorfreude und viel Widerhall registrierte auch Rüdiger Frey vom Ortsseniorenrat, als er mit den Flyern unterwegs war, die den neuen Service ankündigten. Das Faltblatt mit den Kontaktdaten und Konditionen brachte er eigenhändig zu den Leuten in die Haushalte, suchte das Gespräch und war sich aufgrund der breiten Zustimmung dann sicher: „Das wird eine gute Sache.“ Mit im Boot ist außerdem der Verein Weissach Klimaschutz konkret.

Fahrer müssen begrenzte Reichweite im Auge haben

Das Rathaus handelte unterdessen rasch, nutzte das gerade angelaufene Programm zur E-Mobilität und erwarb mithilfe eines Zuschusses sowie Sponsorengeldern ein E-Fahrzeug für rund 40000 Euro, einen Siebensitzer, mit dem das Angebot auf die Straße gebracht werden konnte. Wieso ein E-Wagen? „Weissach war immer wieder Vorreiter bei Umwelt- und Energiethemen“, erklärt Schölzel, dessen Idee es gewesen war: Im weiten Umkreis gibt es keinen solchen Service mit einem E-Fahrzeug.

Es war aber auch klar, dass im Betrieb einige Punkte zu beachten sein würden. Beispielsweise der Umgang mit der begrenzten Reichweite von 270 Kilometern. Und bei Schmuddelwetter und Winterkälte zehrt auch noch der Betrieb von Licht, Heizung, Scheinwerfern und Scheibenwischern von der Batterie, macht Brigitte Sorg, eine der Fahrerinnen, deutlich: Da gelte es, beizeiten die Steckdose anzusteuern. Überhaupt, es sei ein Glücksfall, dass man die Garage in der Welzheimer Straße nutzen könne, in der auch der Amtsbote seinen Wagen einstellt. Anfangs befürchteten die Fahrer nämlich, wie Günter Russ erklärt, der die Premierenfahrt lenkte und den Bürgerbus damit quasi einweihen konnte, dass sie zum Aufladen nach Backnang oder sonst wohin würden fahren müssen.

Freilich, trotz der breiten Zustimmung zu dem neuen Angebot gingen die Anforderungen zunächst etwas zögerlich ein. Da habe sicher eine gewisse Scheu und schwäbische Zurückhaltung eine Rolle gespielt, vermutet Schölzel. Frey hat mittlerweile jedenfalls beobachtet, dass die Anmeldezahlen nach oben gegangen sind. „Heute habe ich fünf Leute“, bestätigt Russ diesen Trend. Hinzu kommt aber auch, dass man sich anfangs genau an die festgeschriebenen Regeln gehalten und sogar die eine oder andere Fahrt abgelehnt hat. Aber: „Wir sind ein lernendes System“, deutet Frey wachsende Flexibilität in den Leistungen an.

Die Fahrer legen ohnedies bereits große Flexibilität an den Tag. So fährt der Bürgerbus zwar gemäß den Regeln nur bis 17 Uhr. Aber wenn beispielsweise eine Rückfahrt vom Arzttermin erst danach möglich sein sollte, dann kann der Gast dies mit dem Fahrer entsprechend vereinbaren. Doch, so Schölzel: „Einen Rahmen muss es geben.“ Es handle sich schließlich nicht um einen 24-Stunden-Service. Auch nicht möglich seien, wie Brigitte Sorg ergänzt, Spezialkrankentransporte. Die dafür notwendige Ausbildung habe man nicht. Aber die Fahrer kommen, wie sie weiter berichtet, bei Bedarf mit in die Arztpraxis, um dort zu erklären, dass der Patient mit dem Bürgerbus gebracht und geholt wird – und dann wird, je nach Situation, auch mal eine beschleunigte Abwicklung möglich.

Die Nutzer sind von dem neuen Angebot ausgesprochen angetan. Die alleinlebende Helga Czerwonka aus Unterweissach beispielsweise spricht von einem absoluten Glücksfall. Zuerst hatte sie den Flyer nämlich eigentlich zur Seite gelegt, weil sie dachte, den Bürgerbus werde sie ja doch nicht brauchen. Dann musste die 77-Jährige aber zu einem Arzttermin nach Winnenden. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Mehrmals umsteigen – von Weissach nach Backnang, von Backnang nach Winnenden und dann dort zum Klinikum und hinterher das gleiche retour? Da entschied sie sich doch lieber für den Bürgerbus.

„Es hat wunderbar geklappt“, erzählt auch Erna Schreiber. Arztbesuch, Krankengymnastik, Besorgungen – zweimal hat die 86-Jährige den Bürgerbus in Anspruch genommen. Die alleinstehende Seniorin aus Unterweissach kann kurze Strecken mit dem Rollator zurücklegen, muss bei längeren Wegen aber auf Hilfe zurückgreifen. Im Bürgerbus konnte die Gehhilfe mitgenommen werden, sodass sie am Ziel doch mobil war. „Darauf könnt ihr stolz sein, das gibt es nicht überall“, sagt sie, und Helga Czerwonka bestätigt: „Wer darauf angewiesen ist, weiß es zu schätzen.“

Die Fahrer wiederum, die zumeist von Seniorenrat Klaus A. Werner mobilisiert wurden, haben Freude an der Aufgabe. „Es macht mir Spaß“, erzählt der 76-jährige Günter Russ: „Ich bin gesund, bin ein Reingeschmeckter und fühle mich in Weissach sauwohl. Und jetzt möchte ich etwas in die Gemeinde zurückgeben.“ Dass der Dienst dabei auch den Ehrenamtlichen etwas gibt, unterstreicht Brigitte Sorg: „Man trifft Leute, die hat man noch nie gesehen. Das vernetzt die Gemeinde untereinander.“ Gleichzeitig lobt die 68-Jährige den Pioniergeist von Rüdiger Frey und Klaus A. Werner, der die Fahrer für das Bürgerbus-Projekt organisiert und auch einen Fahrlehrer engagiert hat, der die Ehrenamtler in ihre Transportaufgabe einwies.

Info
So funktioniert der Weissacher Bürgerbus

Den Bürgerbus in Anspruch nehmen können Personen, die den öffentlichen Nahverkehr nicht oder nur mit erheblichem Aufwand nutzen können, sowie Personen ohne eigenes Fahrzeug oder solche, die ihr Auto wegen eines momentanen Handicaps nicht nutzen können.

Zweck der Fahrten sind Arzttermine, die nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden können, Termine bei Therapeuten, Krankenbesuche, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen einschließlich Besuch der Bibliothek im Bildungszentrum und der Ortsbücherei, Besuche bei Freunden oder Verwandten sowie wichtige Einkäufe.

Der Bürgerbus fährt kostenlos von Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr, innerhalb der Gemeinde Weissach im Tal sowie zu Arztbesuchen in Backnang oder im Klinikum in Winnenden (angedacht ist eine Ausweitung auf den Großraum Backnang bis Murrhardt sowie Rudersberg). Der Bürgerbus holt seine Gäste von zu Hause ab und bringt sie auch dort wieder hin. Spenden zugunsten des Betriebs werden entgegengenommen.

Fahrtwünsche müssen bis spätestens 12 Uhr am Tag vor der entsprechenden Fahrt bei der Gemeinde angemeldet werden. Zuständig ist Susanne Rehm, sie ist unter 0163/6353121 montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr sowie per E-Mail an buergerbusweissachimtal@web.de erreichbar. Die Anmeldung entscheidet über die Fahrtreservierung. Gesundheitliche Belange werden bei der Anmeldung bevorzugt behandelt.

Die Fahrer erhalten die Einsatzpläne vom Rathaus unmittelbar nach Abschluss der täglichen Anmeldezeit.