Welle von Verbraucherpleiten bleibt aus

dpa Berlin/Düsseldorf. Verbraucher können nach einer Pleite inzwischen schneller durchstarten. Sie werden von den restlichen Schulden bereits nach drei Jahren befreit. Aber lädt die Reform auch zur bequemen Entschuldung ein?

Welle von Verbraucherpleiten bleibt aus

ILLUSTRATION - Ein Kugelschreiber zeigt auf einen Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Foto: picture alliance / Alexander Heinl/dpa/Archivbild

Die Corona-Krise bringt viele Menschen in finanzielle Bedrängnis. Die befürchtete Welle von Verbraucherpleiten nach der Reform des Insolvenzrechts ist bislang jedoch ausgeblieben.

Seit der Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre ist die Zahl der Insolvenzen trotz Kurzarbeit und Einkommenseinbußen in der Pandemie nur leicht gestiegen, wie Insolvenzrechtsexperten und Verbraucherschützer berichten. Mit einer Pleitewelle in diesem Jahr rechnen sie nicht.

„Wir erwarten in diesem Jahr einen deutlichen, aber keinen dramatischen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen“, sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Im ersten Quartal habe er nur einen leichten Zuwachs festgestellt.

Verbraucher und Firmen werden bei einer Insolvenz inzwischen nach drei Jahren statt wie bisher weitgehend üblich nach sechs Jahren von ihren restlichen Schulden befreit. So sollen sie schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Die Verkürzung gilt rückwirkend für alle Insolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Experten hatten damit gerechnet, dass Überschuldete die Änderung abwarten würden und die Insolvenzzahlen anschließend deutlich steigen.

„Keiner geht gerne zum Insolvenzgericht. Das passiert in der Regel nur, wenn der Druck zu groß wird, zum Beispiel weil die Bank das Konto sperrt oder das Finanzamt vollstreckt“, berichtete Insolvenzrechtsanwalt Niering. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gebe es aber kaum Vollstreckungen von Finanzämtern und Krankenkassen, zugleich gebe es Empfehlungen der Regierung mit Stundungen kulant umzugehen. „Das nimmt Druck von den Menschen.“

Christoph Zerhusen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet ebenfalls von gestiegenen Anfragen und mehr Anträgen bei der Schuldnerberatung seit Inkrafttreten der Reform zu Jahresbeginn. Er rechne zwar mit einem Anstieg der Verbraucherinsolvenzen im Laufe des Jahres, eine Welle zeichne sich bisher aber nicht ab.

Auch wenn das Verfahren nach drei Jahren beendet ist, bleiben die Daten der Betroffenen weitere drei Jahre bei Auskunfteien wie der Schufa gespeichert. „Die Bonität der Verbraucher ist damit immer noch mit einem Makel behaftet“, kritisierte Zerhusen. Sie hätte dadurch Schwierigkeiten, Handy-Verträge abzuschließen, Kreditkarten zu bekommen oder eine neue Wohnung zu mieten. „Wenn den Menschen eine echte zweite Chance eingeräumt werden soll, muss die Speicherfrist auf ein Jahr verkürzt werden“, forderte Zerhusen.

In der sogenannten Wohlverhaltensphase, die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt, müssen Schuldner zudem nicht nur Vermögen aus Erbschaften, sondern auch Schenkungen zur Hälfte herausgeben. Gewinne aus Lotterien müssen sie vollständig abgeben. „Es gibt eine große Anzahl von Antragshürden, die die Betroffenen nehmen und Regeln, die sie beachten müssen. Trotz der auf drei Jahre verkürzten Laufzeit wird den Verbrauchern der Neuanfang immer schwerer gemacht“, kritisierte Niering.

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