Weltläden in Backnang und Umgebung wollen Weichen neu stellen

Bei den Weltläden in Backnang, Murrhardt und Waiblingen steht ein personeller Umbruch bevor. Der Trägerverein Forum Eine Welt e.V. will die Gelegenheit nutzen, um Abläufe zu verbessern und wieder mehr ehrenamtliche Helfer anzulocken. Das Ladenkonzept bleibt aber dasselbe.

Weltläden in Backnang und Umgebung wollen Weichen neu stellen

Erwin Ziegenheim (links) und Steffen Blessing vom Forum Eine Welt e.V. suchen eine neue Leitung für die Weltläden. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Hochwertige Nahrungsmittel, nachhaltige Kleidung und handgefertigte Kunst und Accessoires, alles fair produziert und zu Preisen, von denen sämtliche Beteiligten in der Wertschöpfungskette ihre Existenz sichern und in die Zukunft investieren können – die Weltläden in Backnang, Murrhardt und Waiblingen leisten nicht nur seit Jahrzehnten Pionierarbeit bei der Schaffung eines Angebots, das ohne die Ausbeutung von Produzenten in anderen Erdteilen auskommt, sondern treffen mit diesem Konzept eigentlich auch den Zeitgeist. Dennoch hat insbesondere die Pandemie ihre Spuren hinterlassen, der Verein knabbert noch immer an den Folgen.

„Während Corona sind uns die ehrenamtlichen Helfer, die überwiegend im höheren Alter sind, teilweise leider weggebrochen“, erklärt Steffen Blessing, stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins Forum Eine Welt. Der erste Vorsitzende Erwin Ziegenheim bringt die Schärfe der Problematik noch deutlicher auf den Punkt: „An den Ehrenamtlichen hängt bei uns alles.“

Neue Ladenleitung in Backnang, Murrhardt und Waiblingen gesucht

Tatsächlich werden die Läden nämlich fast ausschließlich von ehrenamtlichen Helfern am Laufen gehalten, lediglich für die Ladenleitung gibt es eine feste Stelle. Diese umfasst nicht nur die Führung der Hauptfiliale in Backnang, sondern auch die der Läden in Murrhardt und Waiblingen. Und genau in diesem Bereich steht nun ein Umbruch bevor. Marta Hartusch, seit 2016 Geschäftsführerin der drei Läden, wird sich Ende Juni aus privaten Gründen zurückziehen. Der Verein ist daher auf der Suche nach einem Nachfolger, wobei laut Ausschreibung auch eine Aufsplittung in zwei Teilzeitstellen denkbar ist.

Für den Vorstand des Vereins ist Hartuschs Ausscheiden ein herber Verlust, aber auch eine Chance, den nun zwangsläufig anstehenden Umbruch bestmöglich zu nutzen. Dabei gehe es nicht darum, das grundsätzliche Konzept des Ladens zu hinterfragen, das sei weder notwendig noch Sinn der Sache, betont Steffen Blessing. „Es geht eher darum, neue Blickwinkel zu bekommen und in diesem Zuge einige neue Gleise zu legen und Abläufe zu entwickeln beziehungsweise zu verbessern“, ergänzt Erwin Ziegenheim. Die scheidende Geschäftsführerin sei natürlich nicht ohne Weiteres zu ersetzen, da sie das Sortiment und die Prozesse besser kenne als jeder andere, aber das werde von einer neuen Ladenleitung vorerst auch gar nicht erwartet, sagt Steffen Blessing. „Das Wichtigste ist, dass man Interesse an dem Thema mitbringt, denn ein Weltladen funktioniert nun einmal anders als ein Geschäft, das vor allem auf Gewinn ausgerichtet ist. Der Fair-Trade-Gedanke muss natürlich erhalten bleiben.“

Die neuen Abläufe, welche im Zuge des Umbruchs entstehen könnten, werden sich nicht zuletzt in der Zusammenarbeit mit den vielen Ehrenamtlichen des Vereins finden müssen. Geht es nach dem Vorstand, dürfte deren Zahl allerdings zunächst gerne noch etwas wachsen. „Man kann nie zu viele Helfer haben“, sagt Steffen Blessing, denn mit den derzeit rund 50 regelmäßig arbeitenden Ehrenamtlichen in allen drei Läden seien die Aufgaben und die durchgängigen Ladenöffnungszeiten kaum noch zu stemmen. „Außerdem ist es sowieso am schönsten, wenn Schichten mehrfach belegt werden können.“

Ehrenamtlich Helfer werden jetzt dringend gesucht

Die Realität sieht derzeit allerdings anders aus: Blessing und Ziegenheim gehen davon aus, dass die Öffnungszeiten in Backnang vorerst eingeschränkt werden müssen. Für die Stadt, die den Status „Fair-Trade-Town“ anstrebt, wäre das ein Dämpfer, schließlich verkörpert der Weltladen dieses Prinzip und trägt mit seiner Lage zudem zur Attraktivität der Innenstadt bei. Was kann man also tun? „Wir machen natürlich Plakatwerbung im Laden, aber auch über die Ehrenamtsbörse werden wir aktiv sein“, sagt Steffen Blessing. Am besten rekrutiere man Ehrenamtliche zwar über Mund-zu-Mund-Propaganda, aber da sei das Potenzial ein Stück weit ausgereizt. „Unsere Leute sind meistens schon so lange dabei, dass nicht mehr wirklich neue Personenkreise erschlossen werden.“ Auch in dieser Hinsicht würde frischer Wind dem Verein also guttun. Dabei sei jeder willkommen, verspricht Erwin Ziegenheim. „Und dann schaut man einfach, wie viel jeder einbringen kann und will, wobei regelmäßige Zeiten für die Planbarkeit natürlich am besten sind.“

Für Interessierte stünden dabei die unterschiedlichsten Tätigkeiten zur Wahl, erklärt Steffen Blessing: „Egal, ob jemand den direkten Kontakt mit Kunden wünscht und an der Theke arbeiten will oder doch lieber hinter den Kulissen, zum Beispiel im Lager oder bei den Bestellungen.“

Keine großen Rücklagen vorhanden

Keine Frage: Es wird auf jeden Fall eine Aufgabe sein, die Weltläden aus den Folgen der Coronazeit und durch die derzeitigen Unwägbarkeiten der Inflation zu führen. „Die Leute sind verunsichert, das merkt man schon“, sagt Steffen Blessing. Die Pandemie sei, nicht zuletzt wegen der mehrmonatigen Verkaufsverbote für Kleidung und Kunsthandwerk, eine Durststrecke gewesen. Zwar stehe man auf tragfähigen Beinen, allerdings müsse eine Durststrecke auch irgendwann enden. „Man muss bedenken, dass unser Prinzip Kostendeckung ist, nicht Gewinnmaximierung. Deshalb bauen wir auch keine großen Rücklagen auf.“

Der Verein hofft allerdings darauf, dass das Bewusstsein für den Wert der Weltläden in der Bevölkerung weiter wächst und entsprechend fruchtet.