Wenig Begeisterung für vorgeschlagenen Ort

„Sitzprobe“ auf dem Backnanger Stiftshof – Jugendliche zeigen verhaltenes Interesse an diesem Platz für ihre Treffen

Wenig Begeisterung für vorgeschlagenen Ort

Auf der Suche nach einem Treffpunkt für Jugendliche: Szene der „Sitzprobe“ auf dem Backnanger Stiftshof. Die Besucher sprechen offen über ihre Kritikpunkte, freuen sich aber darüber, dass das Thema auf der Agenda steht. Foto: A. Becher

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Eine Jugendumfrage im vergangenen Jahr hat ergeben, dass sich Jugendliche einen Treffpunkt in Backnang wünschen. Auf Initiative des Stadtjugendrings gab es nun eine „Sitzprobe“ auf dem Stiftshof, um den Platz auf seine Eignung zu testen. Die Vorstellungen der Organisatoren weichen allerdings von den Bedürfnissen der jungen Leute ab.

Es ist strahlendes Sommerwetter an diesem frühen Samstagabend. Auf dem Stiftshof sind kleine Pavillons aufgebaut, um vor der starken Sonne zu schützen. Getränke werden in einem aufblasbaren Planschbecken gekühlt. Eine Gruppe Jugendlicher hat auf den bereitstehenden Sitzsäcken unter der Überdachung Platz genommen. Leise Musik läuft im Hintergrund.

Ja, sie würden sich schon einen Platz in der Stadt wünschen, wo man sich treffen kann, ohne in einem Café oder anderswo Geld ausgeben zu müssen. Aber die Begeisterung für den Stiftshof als solchen Ort hält sich in Grenzen. Sollte die Musik einmal lauter werden, könnte es Schwierigkeiten geben, gibt Marie (17 Jahre) zu bedenken. Die 16-jährige Antonia findet es gut, dass sich die Stadt und der Stadtjugendring Gedanken über ihre Wünsche machen. Der Stiftshof sei allerdings nicht so zentral und gemütlich. Man würde schon kommen, wenn eine Veranstaltung wie diese stattfände.

Es ist allerdings nicht Sinn und Zweck der „Sitzprobe“, dass die Jugendlichen nur zu organisierten Treffen kommen. Man wolle die Möglichkeit aufzeigen, so Markus Schildknecht, Vorsitzender des Stadtjugendrings. Den Stiftshof wolle man aufwerten und dazu beitragen, dass er von der Bevölkerung besser angenommen wird. Das Ziel ist, dass sich die Jugendlichen dann den Platz eigenständig zu ihrem Treffpunkt machen. Zwischendurch holt sich die Gruppe, die es sich auf den Sitzsäcken bequem gemacht hat, eine Mahlzeit von einem Imbiss, um diese dann in gemütlicher Runde gemeinsam zu genießen. Während die Clique unter sich bleibt, haben sich ein paar junge Leute auf dem Schotterboden niedergelassen. Sie haben ihre eigenen Getränke mitgebracht. Der 19-jährige Gopala könnte sich schon vorstellen, dass sich der Stiftshof als Treffpunkt bei schönem Wetter etablieren könnte, und die 25-jährige Didi findet den Platz ganz gut, weil er offen ist und nicht an der Straße liegt. Allerdings wird bemängelt, dass es zu wenige Sitzgelegenheiten gibt. Die langgezogene Bank an der Mauer eignet sich nicht besonders für Kommunikation, wenn man nebeneinander sitzt, wie die Hühner auf der Stange. Viel lieber als den Schotterboden hätten die Jugendlichen Rasen. Man könnte eine Decke mitbringen und sich niederlassen. Sie haben schon Verständnis dafür, dass der Schotter für Veranstaltungen wie Public Viewing praktisch ist, aber solche Events finden ja relativ selten statt. Auch an der Eignung der Lage als Treffpunkt für junge Leute zwischen Kirche, Amtsgericht und Stadtverwaltung haben sie ihre Zweifel. „Die würden uns aufs Dach steigen, wenn die Musik ein bisschen lauter wäre“, wirft Michelle (20 Jahre) ein. Bei einem Treffpunkt möchten die jungen Leute natürlich auch ein wenig unbeobachtet sein. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es kein WC gibt. Für die „Sitzprobe“ wurden mobile Toiletten aufgestellt.

Dass das Bedürfnis nach einem Treffpunkt in der Stadt da ist, darüber sind sie sich einig. Den Schillerplatz möchten sie nicht nutzen, da er von vielbefahrenen, lauten Straßen umgeben ist. Der Naturpfad vom Amtsgericht zur Bleichwiese sei verschmutzt. Ihr Hund habe sich dort schon an Glasscherben verletzt, sagt Michelle. Manchmal treffe man sich an den Murrtreppen an der Bleichwiese. Direkt am Wasser gelegen, gefällt ihnen der Ort gut. Früher hatten sie sich die Mauer an der Murr im Biegel als Treffpunkt ausgesucht, aber von dort seien sie vertrieben worden. An Ideen mangelt es den jungen Leuten nicht. Gebiete in der Oberen Walke liegen doch schon lange brach. Dort würden sie bestimmt niemanden stören, überlegt Didi.

Zwei junge Männer gesellen sich zu der Gruppe. „Das kostenlose Bier ist schon mal gut“, grinst Julius (23 Jahre). Aber das steht natürlich nicht im Mittelpunkt. Er ist dem Aufruf zur „Sitzprobe“ gefolgt, weil er es gut findet, neue Leute kennenzulernen, die man sonst nicht alle Tage trifft. Inzwischen ist es schattig geworden und zusammen ziehen sie auf die Mauer vor dem Amtsgericht um, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Daran, dass sie auf dem Stiftshof als fester Jugendtreffpunkt willkommen wären, haben sie ihre Zweifel.

Trotzdem spinnen sie den Gedanken weiter, wie man den Platz für die ganze Bevölkerung attraktiver machen könnte. Ein Brunnen mit Wasser ist ein Vorschlag. Der würde vielleicht im Sommer auch Familien mit Kindern anziehen. Allerdings ist fraglich, ob Kinder auf dem Schotterboden in der prallen Sonne spielen wollen. „Ein Grillplatz wär’ geil“, kommt Julius in den Sinn. Dass sich so etwas umsetzen ließe, daran glauben sie selbst nicht wirklich. Aber für gemütliche Grüppchen von Sitzgelegenheiten mit etwas Grün wäre ja Platz. Bei den alltagstauglichen Begebenheiten auf dem Stiftshof gibt es eben keine mobilen Toiletten, bequeme Sitzsäcke oder schattenspendende Pavillons, wie bei der „Sitzprobe“. Manchmal liegen Theorie und Praxis eben doch weit auseinander.