Weniger Wartezeit an der Achterbahn

Gründerpreis Rems-Murr: Mit maßgeschneiderten Transportanlagen gewinnt die Firma Wiegro aus Großerlach den ersten Preis beim Wettbewerb der Kreissparkasse Waiblingen. Die Technik kommt in Autofabriken ebenso zum Einsatz wie in Freizeitparks.

Weniger Wartezeit an der Achterbahn

Das Förderband beim Ein- und Ausstieg der Achterbahn „Arthur“ im Europapark stammt aus Großerlach. Die Kapazität des Fahrgeschäfts wird dadurch um 50 Prozent gesteigert.Foto: Wiegro GmbH

Von Kornelius Fritz

GROSSERLACH. Wenn es um Existenzgründer geht, denkt man gerne an einen genialen Tüftler, der in seiner Garage eine neue Maschine entwickelt oder an einen Nerd, der nächtelang an seinem Computer sitzt und programmiert. Existenzgründung geht aber auch ganz bodenständig, wie Daniel Wieland beweist. Der 34-Jährige aus Oppenweiler ist Chef der Firma Wiegro – der Name setzt sich jeweils aus den ersten drei Buchstaben seines Nachnamens und dem Sitz der Firma in Großerlach zusammen.

Offiziell gegründet wurde die Wiegro GmbH erst vor einem Jahr, doch ganz neu ist das Unternehmen nicht. Bereits 1997 gründete Vater Hans-Jörg Wieland am selben Standort eine Schlosserei – „klassisches Handwerk“, sagt Sohn Daniel. Als Schüler jobbte er manchmal in der elterlichen Firma, nach der Schule entschied er sich aber erst einmal für einen anderen Weg: Bei Siemens in Stuttgart machte er eine Ausbildung zum Industrieelektriker, später setzte er noch ein Elektrotechnik-Studium drauf.

In seiner Zeit bei Siemens war Wieland auch an verschiedenen Automatisierungsprojekten in der Automobilindustrie beteiligt. Dabei fiel ihm auf, dass es oft Probleme mit den Förderanlagen gab, die zum Beispiel Bauteile von einem Montageplatz zum nächsten transportieren. Die Standardlösungen, die dafür auf dem Markt waren, hätten oft nicht richtig zu den Gegebenheiten vor Ort gepasst, weil etwa die Produktionshalle zu eng oder die Bauteile zu schwer waren. Doch Anbieter, die solche Anlagen individuell nach Kundenwunsch planen und produzieren, gab es kaum.

Daniel Wieland witterte seine Chance und ging mit der Idee auf seinen Vater zu. Der zeigte sich offen und ließ den Sohn tüfteln. So begann dieser bereits 2015, erste Förderanlagen zu planen und zu bauen. Inzwischen ist daraus das Hauptgeschäft des Unternehmens mit zehn Mitarbeitern geworden, auch Vater Hans-Jörg arbeitet nach wie vor mit.

„Wir besetzen eine Nische zwischen Handwerk und Maschinenbau“, erklärt Daniel Wieland. Die Stärke seiner Firma ist, dass sie passgenaue Lösungen für ganz unterschiedliche Branchen entwickelt. Automobilherstellern wie BMW kommt es vor allem darauf an, dass die Anlagen störungsfrei laufen, weil jede Minute, in der das Band steht, viel Geld kostet. In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie ist das Wichtigste, dass alle Teile leicht zu reinigen sind, damit sich keine Keime einnisten. Wichtig ist dem Firmengründer, dass er auf Kundenwünsche schnell und flexibel reagieren kann. Der Anteil der selbst gefertigten Teile liegt deshalb bei über 90 Prozent.

Zu den industriellen Anlagen kam 2016 dann noch ein ganz neuer Kundenkreis: Freizeitparks. Der Achterbahnhersteller Mack Rides, der den Inhabern des Europaparks gehört, suchte nach einer Möglichkeit, um die Wartezeiten bei seinen Fahrgeschäften zu reduzieren. Die Idee: Wenn die Bahnen zum Ein- und Aussteigen nicht komplett stoppen müssen, könnte man den Durchlauf steigern. Um das umzusetzen, bestellte die Firma in Großerlach ein 25 Meter langes Transportband. Damit können die Besucher nun wie bei einem Skilift gefahrlos in die fahrenden Sessel ein- und aussteigen. „Die Kapazität hat sich dadurch von 800 auf 1200 Personen pro Stunde erhöht“, erzählt Wieland. Im Einsatz ist die Anlage bereits beim Fahrgeschäft „Arthur“ im Europapark und bei einem baugleichen Modell in Dubai. Eine noch größere Anlage hat Wiegro für einen chinesischen Freizeitpark entwickelt.

Die Geschäfte laufen in Großerlach auch im Coronajahr 2020 gut und die Aussichten sind vielversprechend. Durch den Vormarsch der Elektromobilität erwartet Daniel Wieland eine wachsende Nachfrage aus dem Automobilsektor: „Elektrofahrzeuge sind wesentlich schwerer als Verbrenner, da stoßen herkömmliche Transportsysteme an Grenzen“, weiß der Gründer. Der Bedarf an Sonderlösungen werde deshalb steigen.

So könnte auch die Wiegro GmbH in den nächsten Jahren noch weiter wachsen – allerdings nicht zu stark:„Mehr als 25 Mitarbeiter will ich nicht, sonst ist es nicht mehr überschaubar.“ Der Schritt in die Selbstständigkeit sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt Wieland. Es macht ihm Spaß, eigene Ideen umzusetzen, auch wenn die Firma viel Einsatz verlangt: „Wäre ich bei Siemens geblieben, hätte ich es definitiv entspannter.“ Auch Lob vom Chef gibt’s für ihn als Selbstständigen nun nicht mehr. Umso mehr freut sich der 34-Jährige, dass seine Leistung nun mit dem mit 5000 Euro dotierten Gründerpreis Rems-Murr die verdiente Anerkennung bekommt.

Weniger Wartezeit an der Achterbahn

Daniel Wieland entwickelt individuelle Transportlösungen nach den Wünschen des Kunden. So wie dieses Trägergestell für Bauteile in einer Autofabrik.Foto: J. Fiedler

Die weiteren Preisträger

Platz 2 (3000 Euro):
HAAUS, Weinstadt-Baach; Nina Kiesel

Nina Kiesel hat die Firma HAAUS mit Sitz in Weinstadt-Baach gegründet. In dem neuen Tagungshotel schafft sie Raum für mobiles Arbeiten abseits des städtischen Trubels. Mit ihrem Angebot bietet sie einen besonderen Rückzugsort für Arbeitsteams und Geschäftsreisende. Die Jury honoriert, dass attraktive Räumlichkeiten für Tagungsgäste im Rems-Murr-Kreis geschaffen werden.

Platz 3 (2000 Euro):
Köchel Verifications GmbH, Backnang

Produkte aus dem medizintechnischen Bereich wie Implantate oder chirurgische Instrumente werden mit Ultraschall gereinigt. Aber machen diese Geräte wirklich das, was sie sollen? Die Köchel Verifications GmbH hat das Messgerät „cavispector“ entwickelt. Damit ist es möglich, Ultraschallgeräte zu prüfen und ihren Reinigungseffekt zu verifizieren. Der Jury hat vor allem die Innovationskraft der Gründung gefallen.