Wenn das Geld fürs Pflegeheim nicht reicht

Der Platz im Pflegeheim wird trotz Zuschüssen vom Staat immer teurer. Die Inflation, die steigenden Energiekosten und die Bezahlung nach Tarif der Pflegekräfte von 1. September an dürften zu weiteren Erhöhungen führen. Was tun, wenn man sich den Heimplatz nicht mehr leisten kann?

Wenn das Geld fürs Pflegeheim nicht reicht

Gehen die finanziellen Mittel für das Heim zur Neige, ist das Sozialamt die erste Anlaufstelle. Symbolbild: stock.adobe.com/Rido

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Margarethe Schurz (Name von der Redaktion geändert) weiß, was es bedeutet, arm zu sein. Die Nachkriegsjahre haben sich der 82-jährigen Backnangerin eingeprägt. Als Kind bekam sie einmal ein Butterbrot geschenkt. An die Zahnabdrücke in dem weißen Streichfett könne sie sich noch genau erinnern, sagt sie. Und daran, dass ihre Mutter einen Teil der Butter wieder vom Brot strich. „So haben wir morgen auch noch etwas davon“, erklärte sie.

Diese Erfahrungen hatten, so hart sie waren, für Schurz auch etwas Gutes: „Mein Mann und ich haben immer beide Geld verdient und wir waren unser Leben lang sehr sparsam.“ Außerdem legte das Paar sein Geld gewinnbringend an. Um die Kosten für das Pflegeheim, in dem Schurz’ Mann untergebracht ist, seit bei ihm Alzheimer diagnostiziert wurde, müssen die beiden sich daher keine Sorgen machen. Selbst wenn diese wegen der Inflation, steigenden Energiepreisen und höheren Personalkosten bald deutlich anziehen könnten.

Durchschnittlich 2.619 Euro kostet der Heimplatz in Baden-Württemberg

Ab 1. September müssen Pflegekräfte entsprechend der Pflegereform nach Tarif bezahlt werden. Das ist generell begrüßenswert. Doch Verbraucherschützer vermuten, dass die Mehrkosten eins zu eins an die Heimbewohnerinnen und -bewohner beziehungsweise an ihre Familien weitergegeben werden. Und der Anstieg könnte drastisch ausfallen. Schon jetzt beträgt der selbst zu zahlende Anteil für einen stationären Pflegeheimplatz (siehe Infobox) in Baden-Württemberg durchschnittlich 2619 Euro, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen hervorgeht (Stand: 1. Juli). Damit nimmt der Südwesten im Bundesvergleich die Spitze ein: Deutschlandweit liegen die Kosten im Schnitt bei 2.248 Euro – 67 Euro höher als noch zum 1. Januar.

Zwar gibt es seit Anfang des Jahres einen neuen Zuschuss für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2, der sich nach der Dauer der stationären Unterbringung sowie der Höhe des Pflegegrads richtet. Im Kreispflegeplan des Rems-Murr-Kreises heißt es jedoch, es sei davon auszugehen, dass die Entlastungen so gering ausfallen, dass bereits in zwei Jahren wieder das heutige Durchschnittsniveau der Eigenanteile erreicht sein werde.

„Selbst jemand, der 45 Jahre lang gearbeitet hat, kann sich die Beiträge nicht immer leisten“

Doch was passiert, wenn man sich den Pflegeheimplatz nicht mehr leisten kann? Margarethe Schurz hat schon erlebt, wie im Heim ihres Mannes Menschen in Tränen ausbrachen, als verkündet wurde, dass das Heimentgelt angehoben wird. Die immer höheren Preise können selbst ehemalige Gutverdienerinnen und Gutverdiener oft dauerhaft nicht stemmen. „Wir reden hier von teilweise bis zu 4.000 Euro Eigenanteil, der nicht von den Kassen getragen wird“, sagt Andreas Helber vom Pflegestützpunkt des Landkreises, welcher Pflegebedürftigen und Angehörigen Beratung zu allen Pflegefragen bietet (siehe Infobox). „Selbst jemand, der 45 Jahre lang gearbeitet hat, kann sich die Beiträge nicht immer leisten.“

Für die Bezahlung des Pflegeheimplatzes wird zunächst einmal die Rente beziehungsweise das Vermögen des Bewohners (bis auf einen Restbetrag von 5.000 Euro) eingesetzt. Ist nicht genug Geld da, müssen Kinder für ihre Eltern aufkommen – aber nur, sofern ihr Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro beträgt. Ist das nicht der Fall, muss der Bewohner einen Antrag auf Hilfe zur Pflege beim Sozialamt stellen. Dieses kommt für die Differenz zwischen Rente und Pflegeheimkosten auf. Angst, auf der Straße zu landen oder sich durch die Pflegekosten zu verschulden, müsse daher niemand haben, sagt Gaby Schröder, die Geschäftsführerin des Alexander-Stifts der Diakonie Stetten: „Reicht das Geld nicht aus, springt immer die Sozialhilfe ein.“

„Für viele, die zum ersten Mal Sozialhilfe beantragen, ist das eine sehr schwierige und hoch emotionale Situation“

Gehen die Ressourcen zur Neige, wenden sich viele Pflegebedürftige an den Pflegestützpunkt. „Wichtig ist, die Anträge rechtzeitig zu stellen, damit die Leistung pünktlich kommt“, sagt Andreas Helber. Die Pflegestützpunktmitarbeiterinnen und -mitarbeiter versuchen, die Antragsteller mit viel Fingerspitzengefühl zu unterstützen. „Für viele, die zum ersten Mal Sozialhilfe beantragen, ist das eine sehr schwierige und hoch emotionale Situation“, weiß Helber.

Aktuell ist nach Angaben des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg schon jeder dritte pflegebedürftige Heimbewohner im Land auf Hilfe zur Pflege angewiesen. Der Verband kritisiert: Seit das Land Baden-Württemberg 2010 aus der Investitionskostenförderung ausgestiegen sei, steigen die Eigenanteile kontinuierlich an. Der VdK fordert, den Zuschuss wiedereinzuführen, um schnell Entlastung für Pflegebedürftige und deren Angehörige zu schaffen. Als langfristiges Ziel nennt er eine Reform der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung. Die Unterbringung im Heim, heißt es, dürfe nicht zur Armutsfalle werden.

Dass ein Heimplatz gekündigt wird, geschieht nur in Ausnahmefällen

In den Heimen des Alexander-Stifts kommt es immer wieder vor, dass Personen ad hoc aufgenommen werden, ohne dass geklärt ist, wie die Kosten letztlich bezahlt werden, sagt Geschäftsführerin Schröder. Dass ein Pflegeheimplatz tatsächlich gekündigt wird, geschieht dagegen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Nämlich dann, wenn eine Person nicht für die Kosten aufkommt, obwohl noch eigenes Vermögen da ist (etwa in Form einer Immobilie) und sie deswegen keine Sozialhilfe erhält.

Natürlich steht in einem solchen Fall nicht immer der Unwille im Wege. Dauert es einfach länger als geplant, die Immobilie zu verkaufen, kann es sein, dass der Sozialhilfeträger vorübergehend einspringt und Leistungen darlehensweise gewährt, erklärt Susanne Körner, stellvertretende Leiterin des Amts für Soziales und Teilhabe, die auch den Fachbereich Sozialhilfe des Rems-Murr-Kreises leitet. Aber auch, wenn es etwa wegen zu später Antragstellung zu einer Finanzierungslücke kommen sollte, steht das Sozialamt den Pflegebedürftigen zur Seite. „Der Sozialhilfeträger hat den gesetzlichen Auftrag, dann nach Lösungen zu suchen und diese zu finden“, sagt Körner.

Dass nach Mitteln gesucht werden muss, welche die Sozialhilfe übersteigen, ist im Großerlacher Pflegeheim Erlacher Höhe bereits vorgekommen – „in absoluten Ausnahmesituationen“, wie Heimleiter Karl-Michael Mayer betont. Fast alle der 30 Bewohnerinnen und Bewohner kommen aus der Wohnungsnotfallhilfe, sind besonders arm und/oder aus der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt. „Bei einzelnen Betroffenen, die mit einem ganz geringen persönlichen Budget leben müssen, sind wir gezwungen, individuelle Lösungen zu finden und benötigen Töpfe, die ergänzend zur Sozialhilfe weiterhelfen“, berichtet Mayer. Er geht davon aus, dass Pflegeplätze in Zukunft noch teurer werden. Ihn beschäftigt daneben noch ein weiteres drängendes Problem: die Suche nach geeignetem Fachpersonal. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege, sagt er, müssen attraktiver werden – sowohl was die Bezahlung als auch die Vereinbarkeit mit dem Privatleben betrifft.

Wie die Kosten für das Pflegeheim zustande kommen und wo man gegebenenfalls Hilfe bekommt

Pflegesatzverhandlung Das Heimentgelt besteht aus dem Anteil der Pflegeversicherung und dem Eigenanteil. Letzterer setzt sich aus dem sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE), Investitionskosten sowie den Kosten für Unterkunft und Verpflegung zusammen. Das Heimentgelt wird stets bei Pflegesatzverhandlungen bestimmt. Am Verhandlungstisch sitzen neben den Verantwortlichen der Pflegeeinrichtungen auch Vertreter der Pflegekassen, des Landkreises (als Träger der Sozialhilfe) und des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg.

Kosten Obwohl der EEE für alle Bewohner eines Heims gleich hoch ist, zahlen nicht alle denselben Betrag. Unterschieden wird nach Pflegegrad. Dieser beschreibt die individuelle Hilfsbedürftigkeit einer Person. Je höher sie ist, desto teurer ist das Heimentgelt insgesamt. Allerdings steigt mit dem Pflegegrad auch der Beitrag der Pflegekassen, weshalb der Kostenanteil bei schweren Beeinträchtigungen für gewöhnlich geringer ist.

Unterstützung Wer die Kosten für das Heim nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Dafür gelten allerdings strenge Vorgaben. Der Antragsteller darf etwa nicht mehr als 5000 Euro besitzen.

Beratung Im Pflegestützpunkt des Landkreises erhalten Pflegebedürftige sowie ihre Angehörigen kostenlos und trägerunabhängig Informationen rund um das Thema Pflege. Erreichbar sind die Beraterinnen und Berater der Standorte Backnang, Waiblingen und Schorndorf unter Telefon 07151/5011657 sowie per E-Mail an

pflegestuetzpunkt@rems-murr-kreis.de. Mehr Informationen gibts unter: https://t1p.de/6vhlh