Wenn die Bushäuschen erblühen

Zwei Ratsfraktionen beantragen die Begrünung der Haltestellen im Backnanger Stadtgebiet – Nabu: „Tropfen auf heißen Stein“

Sie wären kleine bunte Akzente, so etwas wie Tüpfelchen auf dem i im Stadtbild Backnangs. Wie es politisch mit den Chancen auf Zustimmung aussieht, muss sich noch zeigen: Ein jeweils unabhängig gestellter Antrag einmal von der Grünen- und einmal von der AfD-Fraktion liegt dazu vor. Die Rede ist von begrünten Buswartehäuschen.

Wenn die Bushäuschen erblühen

In der niederländischen Stadt Utrecht wurden seit April 2019 bereits 316 Bushäuschen begrünt. Foto: Stadtverwaltung Utrecht

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Beide Fraktionen haben sich in ihren Stellungnahmen zum Haushaltsentwurf der Stadt Backnang jüngst dafür ausgesprochen, die Bushaltestellen umweltschutzmäßig aufzuwerten und zu einer Art grüne Lauben umzugestalten. Die Grünen regen in ihrem Antrag etwa an, die Bushäuschen mit Kletterpflanzen wie etwa dem Wilden Wein zu bepflanzen. Anregungen zu Umwelt- und Naturschutz und zum Thema Artenvielfalt finden sich auch in den Stellungnahmen und Anträgen der anderen Fraktionen des Backnanger Gemeinderats. Die Begrünung der Bushäuschen indessen ist ein Thema, das sich mehrere Städte in Deutschland vorgenommen haben und das man andernorts, genauer gesagt außerhalb Deutschlands, schon sehr ansprechend und in beispielhafter Weise umgesetzt findet. In der niederländischen Stadt Utrecht wurden seit April 2019 bereits 316 Bushäuschen begrünt. Dort kam Sedum zum Einsatz, eine Pflanze aus der Familie der Dickblattgewächse, die im Deutschen als Fetthenne und als Mauerpfeffer besser bekannt ist.

„Gründächer binden Feinstoffpartikel, speichern Wasser, tragen zur Kühlung bei, wenn es heiß ist, und fördern die urbane Biodiversität. All das kommt Insekten wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen zugute“, heißt es auf der Homepage der Stadt, die ziemlich genau in der geografischen Mitte der Niederlande liegt. Die begrünten Wartehäusle sollen nicht nur zu einer gesunden Umwelt in einer wirtschaftlich starken Stadt beitragen, sondern auch das Bewusstsein für damit verbundene Umweltfragen wecken. So werde die Metropole nicht nur für die menschlichen Bewohner attraktiv, sondern auch für Insekten und entsprechend für Vögel, die solche Oasen im Stadtleben aufsuchen, heißt es seitens der Stadt Utrecht weiter.

„Ein gesundes Stadtleben für alle“ sei also das Motto. Bei der Ausschreibung für Bau, Wartung und Pflege der Häusle kam dieses Motto als Leitsatz zur Bewertung der eingereichten Angebote denn auch ausdrücklich zum Tragen. Zwei Firmen erhielten den Zuschlag und werden sich die nächsten 15 bis 20 Jahre um die Bushäusle kümmern. Diese sind demnach mit LED-Leuchten versehen. 96 dieser Gründächer sind zudem mit Solarpaneelen ausgestattet. Die jeweils dazugehörige Sitzbank ist aus Bambusholz gefertigt. Das Fundament ist aus recyceltem Beton. Zur Wartung der Häusle kommen Elektrofahrzeuge zum Einsatz.

„Jeder Quadratmeter heimischer Wildpflanzen zählt“

So sollen nicht nur das Gefühl für die Wertigkeit der Objekte, sondern auch der niedrige Energieverbrauch und der Schwerpunkt klimaneutrale Stadt in den Fokus gerückt werden. Zudem steht ein Gefühl von Sicherheit und Komfort als „umfassend positive Erfahrung“ dabei im Mittelpunkt. Zu den Kosten heißt es vonseiten der Utrechter Stadtverwaltung: „Das Projekt kostet die Kommune gar nichts. Der Betreiber errichtet und wartet die Bushaltestellen und nutzt dazu die Einkünfte durch Vermarktung der Werbeflächen.“

Auch die Gruppe Backnang des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) erhielt eine Anfrage unserer Zeitung, wie dieses Projekt zu bewerten sei. Grundsätzlich sei jede Begrünungsmaßnahme zu begrüßen, so Anja McGrath, die Vorsitzende des Nabu Backnang. Der Nabu stehe hinter dem Motto „Jeder Quadratmeter heimischer Wildpflanzen zählt“, betont sie. Die Gründächer seien so etwas wie Trittsteine, mit denen man getrennte Lebensräume für die Insekten miteinander verbinden könne. McGrath: „Neben der Frage, ob die Bauweise und Statik eine Begrünung zulassen, ist vor allem wichtig, dass dabei auf heimische und ausdauernde und ungefüllte Blühpflanzen geachtet wird.“ Die Naturschützer nennen weitere Punkte, die generell bei der Erhaltung der Biodiversität, also Artenvielfalt, zu beachten seien. Dazu zählen das Erhalten oder Schaffen ausreichend großer Flächen mit einheimischen Pflanzen und Lebensräumen sowie Vorschriften zur sinnvollen Begrünung und zum Anbringen von Nistmöglichkeiten bei Neu- und Umbauten. „Und dies besonders, was die Quartiere Kronenhöfe, Kaelble-Areal, Lerchenäcker, Gartenstraße und Obere Walke angeht“, streichen die Backnanger Nabu-Mitglieder hervor.

Ein Verbot „artenloser toter Schottergärten“ ist ihrer Meinung nach ebenfalls geboten. Begrünte Bushäuschen wären demzufolge nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Sie können einem Artensterben der heimischen Insekten nicht entgegenwirken“, ist man sich bei der Backnanger Nabu-Gruppe sicher.