Restrukturierung, Unsicherheit, Druck von oben – Führungskräfte geraten zunehmend in Rollenkonflikte. Ein Psychologe klärt auf, was dagegen hilft und wann ein Ausstieg sinnvoll ist.
Die Arbeit im Mittleren Management kann sehr belastend sein: Von oben gibt es Druck, von unten hohe Erwartungen.
Von Veronika Kanzler
Die Automobilbranche befindet sich im Umbruch. Bei den Herstellern wie Porsche und Mercedes sowie bei Zulieferern wie Bosch und ZF werden Sparprogramme umgesetzt, Arbeitszeiten verkürzt, Abfindungen angeboten. Führungskräfte stehen dabei vor besonderen Herausforderungen: Sie müssen Maßnahmen kommunizieren, die sie selbst nicht mitgestaltet haben – und gleichzeitig ihre Teams stabil durch die Veränderungen führen.
Der Resilienzforscher Thomas Rigotti beschreibt diese Situation als klassischen Rollenkonflikt. Führungskräfte im mittleren Management seien häufig „in einer Sandwich-Position“: eingeklemmt zwischen den Erwartungen des Top-Managements und den Bedürfnissen der Mitarbeiter. „Viele Führungskräfte sind nicht überzeugt von dem, was sie kommunizieren müssen“, sagt er. „Aber sie müssen es trotzdem tun.“
Innere Kündigung – das gibt es auch bei Führungskräften
Das ist eine Krux, denn: „Ich kann anderen nur helfen, wenn es mir selbst gut geht“, sagt Rigotti. Wer dauerhaft überlastet sei, könne weder Orientierung geben noch emotionale Stabilität vermitteln. Die Folge seien Erschöpfung, Rückzug oder innere Kündigung – und das betreffe nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Führungskräfte selbst.
Ein zentrales Problem sei, dass viele Unternehmen zwar in Weiterbildung und Boni investierten, aber zu wenig in die psychische Stabilität ihrer Führungskräfte. „Es fehlt oft an struktureller Unterstützung“, so der Experte.
Studie offenbart: Nur 27 Prozent der Manager weltweit sind engagiert bei der Arbeit
Laut einer Studie des Analyse- und Beratungsunternehmens Gallup aus dem Jahr 2024 sind weltweit nur 27 Prozent der Führungskräfte engagiert bei der Arbeit. Und das hat Folgen: Denn laut Gallup hängt 70 Prozent der Team-Performance direkt vom Engagement der Führungskraft ab. Nur weil jemand nicht engagiert ist oder sich gestresst fühlt, heiße das aber nicht, so der Forscher, dass die Person eine schlechte Führungskraft sei. Vielleicht passe lediglich der Führungsstil, der in diesem Unternehmen gelebt werde, nicht zur Person.
Viele Führungskräfte stellen sich in solchen Phasen die Frage, ob ihre Rolle noch zu ihren persönlichen Werten passt. „Wenn ich dauerhaft Entscheidungen vertreten muss, die ich nicht mittragen kann, sollte ich prüfen, ob ich in der richtigen Position bin“, rät der Forscher.
Er verweist auf die starke berufliche Identifikation in der Branche – insbesondere in Süddeutschland. „Der Vater war schon bei Mercedes, man selbst ist es auch – und kann sich nichts anderes vorstellen.“ Dennoch sei es legitim, sich neu zu orientieren. „Das Leben bietet auch jenseits der großen Namen berufliche Perspektiven“, fügt Rigotti hinzu.
Forscher: Man kann nicht zu viel kommunizieren
Als zentrale Stellschraube nennt der Forscher die Kommunikation. In Phasen der Unsicherheit sei es entscheidend, regelmäßig und transparent zu informieren – auch dann, wenn noch nicht alle Antworten vorliegen. „Man kann in solchen Situationen nicht zu viel kommunizieren“, sagt er. Wichtig sei zudem, die Mitarbeiter aktiv einzubeziehen und Rückmeldungen ernst zu nehmen. Partizipative Führung, so der Forscher, könne helfen, Vertrauen zu erhalten und Veränderungsprozesse besser zu gestalten.