Werben um mehr Verständnis für Hospizerweiterung in Backnang

Die Bürgeranhörung der Stadt Backnang informierte die Anwohner über den geplanten Ausbau des Hospizes und die formalen Hintergründe.

Werben um mehr Verständnis für Hospizerweiterung in Backnang

Die Betreiber planen einen Ausbau des Backnanger Hospz. Foto: Alexander Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Vor fünf Wochen hatte der Ausschuss für Technik und Umwelt der Erweiterung des stationären Hospizes in Backnang einstimmig kein grünes Licht erteilt. Aber aufgepasst: Die Ausschussmitglieder waren nicht grundsätzlich gegen die geplante Aufstockung des Gebäudes, sondern sie wollten lediglich, dass zunächst die Bewohner des ehemaligen Klinikareals und alle Bürger über das Projekt informiert werden. Der Gemeinderat sollte erst nach einer solchen Informationsveranstaltung darüber entscheiden, ob der Bebauungsplan für das Gebiet geändert werden kann.

Nun hat dieser Tage besagte Infoveranstaltung im städtischen Seniorenbüro im Biegel stattgefunden. Über 30 Besucher waren gekommen, ungefähr je zu einem Drittel Stadträte, Bewohner des Bonhoefferareals – so heißt das Gebiet inzwischen – und Mitarbeiter des Hospizes. Erster Bürgermeister Stefan Setzer und Standplanungsamtsleiter Tobias Großmann erläuterten der Versammlung die formalen Hintergründe. Und der geschäftsführende Vorstand der Hospizstiftung Rems-Murr, Heinz Franke, der gleichzeitig auch SPD-Stadtrat ist, wiederholte die Argumente, weshalb die Stiftung ein fünftes Stockwerk auf dem bestehenden Gebäude errichten möchte. Danach konnten die Anwohner Fragen stellen und Kritik üben. Diese Möglichkeit haben sie ausgiebig ausgeschöpft. Mehr als zweieinhalb Stunden lang dauerte das Frage-Antwort-Spiel in jeglicher Ausprägung. Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer beschrieb die Aufgabe der Verwaltung. Sie müsse prüfen, ob durch das Projekt der Hospizstiftung unzumutbare Nachteile für Dritte entstehen würden. Dabei wurden verschiedene Aspekte berücksichtigt. Rückt das Objekt zu nah an die Nachbarn heran? Wie sieht es mit der Verschattung aus? Haben die Nachbarn genügend Sonne? In der Gesamtabwägung ist die Verwaltung laut Setzer zu dem Schluss gekommen: „Nein, die Belastung für die Anwohner ist vertretbar. Die Pläne sind weit davon entfernt, dass eine unzumutbare Belastung vorliegt.“

Nur 28 Prozent der Geschossfläche sollen bebaut werden

Setzer verwies darauf, dass nicht nur die Ausrichtung des Glasaufsatzes im fünften Obergeschoss im Lauf der Planung von der Wohnbebauung weggedreht worden sei. Vielmehr würden auch nur 28 Prozent der Geschossfläche bebaut werden. Und die Kanten der neuen Bebauung seien zurückgesetzt, sodass sie von unten fast gar nicht erkennbar sind. Und selbst wenn, so betonte Setzer, gebe es für keinen Anwohner „ein Recht auf unverbaubare Aussicht“.

Mit Feuereifer warb Heinz Franke für das fünfte Stockwerk. Er ging dazu weit zurück in die Geschichte und verwies darauf, dass nach dem Abriss des Kreiskrankenhauses Konsens herrschte, dass auf dem Bonhoefferareal – so lautet die Bezeichnung heute – eine Nachnutzung mit dem Thema „Medizin und Gesundheit“ im Mittelpunkt stehen solle. Insofern erfülle das Hospiz die Vorgabe auf ganzer Linie. Schnippisch merkte Franke an, dass eine ursprünglich angedachte Erweiterung des Gesundheitszentrums nicht erfolgt sei, dafür aber eine dichte Wohnbebauung mit bislang 120 Wohneinheiten. Demnächst würden weitere 50 Wohnungen auf dem neuen Parkdeck an der Karl-Krische-Straße dazukommen.

Weiteres Stockwerk nötig, um alle Aufgaben erfüllen zu können

Zu einem sehr frühen Stadium der Diskussion um die Nachnutzung des Klinikareals hatte die Hospizstiftung ihr Interesse an einem Bauplatz für ein neues Hospiz angemeldet. Mehrfach wurden die Wünsche der Stiftung in Sachen Standort nicht erfüllt. Zuletzt blieb der jetzige Standort übrig. Allerdings wurde die Fläche später nochmals reduziert, da das Dialysezentrum eine Erweiterungsfläche benötigte. Um überhaupt etwas Grün rund um das Gebäude zu haben, wurden die Grenzen des Baufensters nicht ausgeschöpft. Dafür sei schon immer geplant gewesen, ein viertes Stockwerk zu bauen. Dieses wurde letztendlich kein Staffel-, sondern ein Vollgeschoss. Dafür war eine Befreiung von den Vorgaben des Bebauungsplans nötig. Das sei nichts Außergewöhnliches, bestätigte Planungsamtsleiter Großmann, vermutlich habe jeder Bauherr im Areal irgendeine Befreiung erhalten, da die Planungen stets im Fluss seien.

Um weiterhin wirtschaftlich arbeiten und alle Aufgaben bewältigen zu können, möchte das Hospiz nun als fünftes Stockwerk einen Multifunktionsraum errichten. Franke listete eine ganze Latte an Aufgaben auf, die das Hospiz künftig erfüllen muss oder will. Der zusätzliche Raum sei daher alternativlos. Mehrfach schoss Franke gegen das Projekt der Kreisbau: Das Hospiz sei nun „eingekesselt“, „wir schauen künftig auf eine Hauswand“. Er unterstellte, die Anwohner würden mit zweierlei Maß messen, denn beim Kreisbauprojekt habe er „keinen Aufschrei gehört“. Von der Aufstockung des Hospizes sei hingegen der Großteil der Anwohner gar nicht betroffen, „weil man die gar nicht sieht“.

Mehrere Anwohner erklärten, vom Ausbau gar nicht betroffen zu sein

Etwa die Hälfte der anwesenden Anwohner trug Bedenken vor. So befürchtete einer, das fünfte Geschoss könne einmal voll ausgebaut werden, schließlich werde dafür viel Aufwand betrieben. Andere sorgten sich darum, dass sämtliche Institutionen ringsum dem Beispiel folgen und aufstocken könnten. Sollten sie gehofft haben, Setzer würde ihnen eine Garantie geben, dass dem nicht so wäre, so wurden sie enttäuscht. Vielmehr erklärte er, jeder Einzelfall werde geprüft. Minutenlang wurden die Parksituation und der nicht fertiggestellte Quartiersplatz kritisiert. Nach über zwei Stunden des Lamentierens hatte Stadträtin Siglinde Lohrmann genug. Sie fragte in die Runde, welche Punkte es nun konkret seien, die gegen das fünfte Stockwerk sprechen? Das Ergebnis: Vermutlich nur ein Anwohner könnte in seiner Aussicht beeinträchtigt werden. Mehrere Anwohner erklärten: „Wir sind gar nicht betroffen, wir wohnen im Erdgeschoss und sehen den Aufbau gar nicht.“ Jetzt muss der Gemeinderat entscheiden.