Wie aus mehr Geld weniger wird

Das Pflegepersonalstärkungsgesetz könnte für die Rems-Murr-Kliniken Mehrkosten bedeuten

Von Martin Winterling

WINNENDEN. Die Rems-Murr-Kliniken freuen sich auf mehr Geld dank des Pflegepersonalstärkungsgesetzes von Gesundheitsminister Jens Spahn – befürchten aber, dass sie am Ende draufzahlen. Denn das PpSG enthält im Kleingedruckten vier Punkte, die der Klinikleitung überhaupt nicht passen. Zum Beispiel Personaluntergrenzen. Mehr Personal sei aber nicht zu kriegen.

In einem Brief wandten sich Klinikengeschäftsführung und Aufsichtsrat an die Bundestagsabgeordneten aus dem Rems-Murr-Kreis und bitten um Hilfe. Am Ende könnten die gut gemeinten Auswirkungen des PpSG für die Krankenhäuser in Winnenden und Schorndorf ins Leere laufen. Punkt eins ist ein Versorgungszuschlag, der Krankenhäusern in Baden-Württemberg 2013 zugestanden wurde und ihre Benachteiligung gegenüber Kliniken in anderen Bundesländern ausgleichen sollte. Dieser Zuschlag soll im Zuge des PpSG gestrichen werden, was die Rems-Murr-Kliniken rund 800000 Euro kosten könnte – so viel, wie das PpSG in die Kassen spülen würde. Ein Nullsummenspiel, beklagte Landrat Richard Sigel auch in seiner Haushaltsrede im Kreistag. Das von Gesundheitsminister Spahn vorgestellte Pflegepersonalstärkungsgesetz würde sich als Bumerang erweisen. „Auch wenn die Finanzierung zusätzlicher Pflegekräfte auf den ersten Blick gut aussieht, gleichzeitig soll dafür der Pflegezuschlag gestrichen werden. Damit könnten unseren Rems-Murr-Kliniken unter dem Strich fast eine Million Euro jährlich fehlen.“

Punkt zwei: Das PpSG sieht vor, dass nur die Lohnsteigerungen von „Pflegekräften am Bett“ mitfinanziert werden. Außen vor aber bleibe das Personal im OP oder den Ambulanzen, im medizinisch-technischen Dienst oder Mitarbeiter in der IT oder in den Sterilisationsabteilungen. „Es ist nicht vermittelbar, dass wir die Tarifsteigerungen für andere Berufsgruppen, zum Beispiel Hebammen, Physiotherapeuten, Psychologen oder Ärzte, nicht in gleicher Weise finanziert bekommen“, heißt es in dem Brief an die Bundestagsabgeordneten.

Qualifiziertes Personal

ist kaum zu finden

Punkt drei: „Nur zukünftige Innovationen werden berücksichtigt.“ Die Rems-Murr-Kliniken sehen sich benachteiligt gegenüber Krankenhäusern, die bisher nichts investiert haben. Die Anstrengungen in der Vergangenheit würden nicht honoriert, mit denen die Arbeitsabläufe verbessert und die Arbeitszufriedenheit erhöht wurden. Dank dieser Maßnahmen könnten sich schon heute Pflegefachkräfte vermehrt ihren eigentlichen Aufgaben direkt am Patienten widmen.

Punkt vier: Das PpSG sieht vor, dass Quoten für Personaluntergrenzen eingeführt werden sollen. Konkret hieße dies, in Winnenden zehn zusätzliche Mitarbeiter und vier in Schorndorf für die Intensivmedizin gewinnen zu müssen, mit entsprechender Qualifikation und fünfjähriger Berufserfahrung. Für die Unfallchirurgie in Winnenden wären weitere zehn Stellen neu zu besetzen. „Allerdings ist es schwierig, derart qualifiziertes Personal zu finden.“ In der Konsequenz führe das PpSG also dazu, dass „wir uns noch öfter von der Versorgung abmelden müssen“, sprich: dass keine Patienten mehr aufgenommen werden, heißt es in dem Brief. Patienten werden also gegen das Pflegepersonal ausgespielt.

Personaluntergrenzen sind nicht zuletzt im Interesse der Beschäftigten in den Krankenhäusern, um die zunehmenden Belastungen aufzufangen. Seit Jahren nehmen Stress und Druck zu. Pflegekräfte müssen immer mehr Patienten versorgen. Im PpSG wird das Bundesgesundheitsministerium dazu ermächtigt, die Grenzwerte mittels einer Rechtsverordnung selbst festzulegen. Krankenhausgesellschaften und Krankenkassen hatten sich nicht auf solche Grenzwerte für die Ausstattung des Pflegepersonals einigen können, die Krankenhäuser künftig nicht unterschreiten dürfen.

Aus Sicht von Jens Spahn sind die Personaluntergrenzen ein wichtiges Instrument: „Wer auf Dauer bei hoher Patientenzahl zu wenig Pflegekräfte hat, der gefährdet Patienten und beutet auch die Pflegekräfte aus.“