Bei Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit scheint das Gehirn schneller zu altern, wie eine neue Studie aus den USA nahelegt.
In Deutschland berichten rund 80 Prozent der Erwerbstätigen von regelmäßigen Ein- und Durchschlafproblemen.
Von Markus Brauer
Der Mensch verschläft ein Drittel seines Lebens. Was Workaholics als pure Zeitverschwendung sehen, ist im wahrsten Sinn des Wortes überlebenswichtig. Schlafen hält das Denken und Gedächtnis fit, regeneriert jede Körperzelle und erhält Konzentrations- und Potenzfähigkeit.
Wer einmal längere Zeit nicht ruhig schlafen konnte, hat nur noch einen einzigen Wunsch: schlafen, schlafen, schlafen. Schlaf ist ein Zustand äußerer Ruhe. Die Lebenszeichen unterscheiden sich von denen des Wachzustands.
Puls, Atmung und Blutdruck sinken im Non-REM-Schlaf ab, die Gehirnaktivität verändert sich, die Augen sind geschlossen. Im REM-Schlaf, der zweiten Form des Schlafens, treten Zustände auf, die denen des Wach-Seins ähneln (etwa erhöhte Gehirnaktivität mit Träumen), Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen an.
Kognitive Erholung durch Schlaf
U nser Gehirn braucht regelmäßig und ausreichend Schlaf, um sich erholen zu können. Wer unter Schlaflosigkeit – der sogenannten Insomnie – oder Schlafstörungen leidet, läuft Gefahr, dass sich seine grauen Zellen nicht hinreichend regenerieren und seine geistigen Fähigkeiten abbauen.
In Deutschland berichten rund 80 Prozent der Erwerbstätigen von regelmäßigen Ein- und Durchschlafproblemen. Vorübergehende Schlafdefiziten führen zu Konzentrationsproblemen, die auch wieder vergehen. Dauerhafter Schlafmangel kann hingegen ernsthaft krank machen und das Gehirn langfristig schädigen.
Schlafmangel stört auch die Schmerzverarbeitung im Gehirn und macht empfänglicher für Schmerzen. Schlafmangel verstärkt nicht nur die Aktivität der schmerzwahrnehmenden Regionen des Gehirns, sondern blockiert auch die natürlichen schmerzlindernden Zentren.
Beobachtung über 5,6 Jahre hinweg
Um diese Zusammenhänge genauer zu klären haben Forscher um Diego Carvalho von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, über mehrere Jahre das Gehirn von 2750 Menschen untersucht. Die Probanden wiesen zu Beginn der Studie keinerlei Anzeichen von kognitiven Erkrankungen auf.
Die Testpersonen waren im Schnitt 70 Jahre alt und wurden 5,6 Jahre lang von den Forschern begleitet. 16 Prozent der Teilnehmenden litten an chronischer Insomnie.
Sie hatten seit drei Monaten oder länger Schlafstörungen an mindestens drei Tagen pro Woche. Dazu zählen sowohl unterbrochene als auch zu kurze Nächte. Die übrigen Teilnehmer hatten einen gesunden Schlaf.
Im Verlauf der Studie entwickelten 14 Prozent der Testpersonen mit chronischer Schlaflosigkeit eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder Demenz. Unter den Testpersonen ohne Insomnie waren es dagegen nur zehn Prozent. Letztere schnitten bei den Denk- und Gedächtnistests außerdem besser ab.
Demenz-Risiko steigt durch Schlaflosigkeit
Die Wissenschaftler folgern daraus, dass Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit eine um 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine kognitive Beeinträchtigung zu entwickeln, als Menschen ohne Schlaflosigkeit. Die Einbußen entsprechen umgerechnet einer Alterung des Hirns um 3,5 Jahre. Was bedeutet: Das Denkorgan von Menschen mit Schlaflosigkeit altert deutlich schneller.
„Schlaflosigkeit wirkt sich nicht nur darauf aus, wie Sie sich am nächsten Tag fühlen, sondern kann sich im Laufe der Zeit auch auf die Gesundheit Ihres Gehirns auswirken“, erläutert Carvalho.
„Wir sahen einen schnelleren Rückgang der Denkfähigkeiten und Veränderungen im Gehirn, die darauf hindeuten, dass chronische Schlaflosigkeit ein Frühwarnzeichen oder sogar ein Beitrag zu zukünftigen kognitiven Problemen sein könnte.“