Wie brachten die Bewohner der Osterinsel die tonnenschweren Moai-Statuen an ihre Plätze? Ein Experiment liefert jetzt die Antwort. Demnach „schunkelten“ die Steinstatuen vorwärts.
Forscher haben herausgefunden, wie die riesenhaften Moai-Statuen der Osterinsel transportiert wurden.
Von Markus Brauer
Rapa Nui – so der Name, den die polynesischen Ureinwohner Rapanui ihrem Eiland gaben – liegt 3833 Kilometer vor der chilenischen Küste. Sie ist eine der einsamsten Inseln auf dem Globus, bekannt durch seine geheimnisvollen Steinskulpturen – den Moai. Aber auch in Deutschland wurde kürzlich eine mysteriöse Skulptur gefunden.
„Paasch-Eyland“
Die berühmte Osterinsel im Pazifik ist das einsamste Eiland der Welt. Ihren Namen erhielt sie von dem Niederländer Jakob Roggeveen, der im Auftrag der Westindischen Handelskompanie am Ostersonntag, 5. April 1722, mit drei Schiffen dort landete. Er nannte sie „Paasch-Eyland“ (holländisch für Osterinsel) – nach dem Tag ihrer Entdeckung.
Die Bewohner der Osterinsel und ihre riesenhaften Moai-Statuen geben bis heute Rätsel auf. Es bleibt unklar, wen diese archaisch anmutenden Figuren mit übergroßen Köpfen und Ohren darstellen sollten.
Ebenfalls rätselhaft ist die Frage, wie die Rapa Nui vor hunderten von Jahren diese tonnenschweren Statuen bewegten: Zogen und rollten sie die Steine auf eingefetteten Baumstämmen ans Ziel, wie die Erbauer von Stonehenge ihre Megalithen?
Welchen Zweck erfüllten die Moai?
Die kolossalen Steinstatuen werden auf Rapanui Moai Maea – steinerne Figur - genannt. Der deutsche Missionar und Sprachforscher Pater Sebastian Englert (1888-1969) nummerierte und katalogisierte 638 Statuen. Das „Archaeological Survey and Statue Projekt“ von 1969 bis 1976 ermittelte 887, vermutlich waren es jedoch ursprünglich über 1000.
Die monumentalen Moai sind größtenteils aus weichem Tuffstein, der vom Inselvulkans Rano Raraku stammt. Die im statistischen Mittel 4,05 Meter großen und 12,5 Tonnen schweren Statuen sind Bestandteil größerer Zeremonialanlagen, wie sie ähnlich auch aus anderen Bereichen der polynesischen Kultur bekannt sind. Ihr Alter wird auf weniger als 1500 Jahre geschätzt.
Moai-Transport: Aufrecht statt liegend?
Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnten nun Carl Lipo von der Binghamton University und Terry Hunt von der University of Arizona gefunden haben. Für ihre Studie, die im Fachmagazin „Journal of Archaeological Science“ erschienen ist, untersuchten sie 62 Moai-Statuen, die auf 4,50 Meter breiten, straßenartigen Wegen stehen oder liegen. Typisch für diese Steinfiguren ist ihre meist vorwärtsgeneigte Haltung und eine verbreiterte, unten abgerundete D-förmige Basis.
Researchers suggest the Moai statues on Easter island were moved upright by rocking them with ropes, allowing them to "walk" to their destinations Carl Lipopic.twitter.com/I5TGN7P3xV — Science girl (@gunsnrosesgirl3) September 14, 2024
Diese Moai-Statuen könnten, so die Vermutung der Forscher, auf diesen Wegen vorwärtsgeschaukelt und geschoben worden sein, ohne dass Transportschlitten oder Baumstämme nötig wurden. Dafür könnten die Rapa Nui eine Technik eingesetzt haben, bei der die vorgeneigten Steinfiguren selbst für den nötigen Schwung der Fortbewegung sorgten.
Moai-Experiment: 100 Meter in 40 Minuten
Wie dies konkret funktioniert haben könnte, testete das Team mit einem 4,35 Tonnen schweren Nachbau eines dieser „Straßen“-Moais.
Im Experiment befestigten die Forscher Seile am Kopf der Moai-Statue und begannen dann, abwechselnd zu ziehen. Dadurch brachten sie die Figur allmählich ins Schaukeln – begünstigt durch deren abgerundete Basis.
Weil der Schwerpunkt der tonnenschweren Steine durch die Vorwärtsneigung weit vorne liegt, lässt sich der Moai erst rechts dann links nach vorne schunkeln. Im Test bewegte sich die Steinstatue dadurch sukzessive im Zickzack vorwärts.
„Hat man die Statue erst einmal in Bewegung gebracht, ist es gar nicht schwer. Die Leute ziehen mit einem Arm. Das spart Energie und geht ziemlich schnell“, erklärt Lipo. „Die Herausforderung besteht darin, sie überhaupt zum Schaukeln zu bringen.“
Mit nur 18 Personen gelang es dem Team, die Statue innerhalb von nur 40 Minuten 100 Metern weit zu bewegen – weit schneller als mit Baumstämmen oder Holzschlitten möglich.
„Die Straße gehört zum Transport dazu“
„Was wir experimentell beobachtet haben, funktioniert tatsächlich. Und auch bei größeren Statuen klappt es. Je größer sie werden, desto konsistenter ist diese Transportmethode, weil es schlicht der einzige Weg ist, sie zu bewegen“, berichtet Lipo.
Die Breite und konkave Form der „Straßen“ auf der Osterinsel sind ein weiteres Argument für die Richtigkeit der Theorie. „Die Straße gehört zum Transport dazu. Man sieht, wie sie sich überlappen und wie viele parallele Straßen existieren.“
Viele dieser Wege beginnen an Steinbrüchen und enden an Statuen. Die Forscher vermuten, dass diese Moais beim Transport beschädigt wurden oder feststeckten und daher dort liegen gelassen wurden.
Monumentale Ingenieursleistung
Die Kultur der Osterinsel hat den Wissenschaftlern zufolge mit begrenzten Ressourcen eine monumentale Ingenieursleistung vollbracht. „Es zeigt, wie unglaublich klug die Menschen von Rapa Nui waren“, so Lipo weiter. „Sie entwickelten eine Methode, die zu ihren Ressourcen passte. Wir können viel von ihren Prinzipien lernen.“
Dank der Schunkel-Technik konnten die Bewohner der Osterinsel tonnenschwere Statuen mit minimalem Aufwand von Ressourcen und Arbeitskraft quer über die Insel transportieren. Die Technik stimmt zudem gut mit mündlichen Überlieferungen der Rapa Nui überein, nach denen die Moai von den Steinbrüchen aus an ihre Plätze liefen.