Keine Freiwilligkeit mehr bei der neuen „Wehrpflicht light“ – junge Männer könnten schon bald "per Los in den Krieg" ziehen.
Boris Pistorius mit entschlossener Geste gegen die eigene Partei – kommt er durch?
Von Michael Maier
Die Debatte um die Wehrpflicht in Deutschland will nicht enden: Neu ist laut aktuellen Berichten, dass die Freiwilligkeit für ausgeloste Männer nicht mehr uneingeschränkt gelten soll, falls die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht. Das bedeutet, dass ausgeloste und für tauglich befundene Männer im Bedarfsfall zum Dienst verpflichtet werden können. Die Union hatte genau dies seit Wochen gefordert.
Aus dem Umfeld von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wurden über das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in Berlin überraschend neue Vorschläge lanciert, die tatsächlich auf ein „neues Modell der Wehrpflicht“ hinauslaufen und bereits diese Woche in den Bundestag eingebracht werden, obwohl sie in dieser Form sämtlichen bisherigen SPD-Vereinbarungen widersprechen.
"Per Los in den Krieg?" fragt BSW-Chefin Sahra Wagenknecht gegenüber dem Nachrichtenportal t-online und kritisiert den Vorstoß mit scharfen Worten. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch meldete am Montag leise Zweifel an den von RND öffentlich gemachten Ideen an - nur um am Dienstag voll auf die Linie von Union und Pistorius einzuschwenken. "Wehrdienst-Lotto ist schlechteste Lösung", betitelte indes die oppositionelle FDP eine Pressemitteilung. Man wolle stattdessen eine "hochprofessionelle Hightech-Armee, so die Liberalen.
Losverfahren mit sofortiger Wehrpflicht geplant
Ein zentraler Punkt beim neuen Wehrdienst ist ein Losverfahren, das eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung spielen soll. Aber wie genau funktioniert das potenziell?
Für Frauen bleibt der Fragebogen (vorerst) freiwillig. Sie können daher auch nicht zur Musterung oder zur Wehrpflicht ausgelost werden. Änderungen würden hier eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag erfordern.
Auch eine von Friedrich Merz geforderte „Allgemeine Arbeitsdienstpflicht“ würde eine grundgesetzändernde Mehrheit benötigen – beziehungsweise steht sie sogar im Gegensatz zum Zwangsarbeitsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Wehrpflicht – wie funktioniert das Losverfahren?
Die genaue Ausgestaltung des Losverfahrens ist offenbar noch nicht im Detail festgelegt. Es gibt aber verschiedene Modelle, die diskutiert werden.
Kritik und offene Fragen zum Losverfahren
Bleibt abzuwarten, ob sich auf Drängen von CDU/CSU tatsächlich eine Bundestagsmehrheit für die geplante Wehrpflicht per Losverfahren findet. Klar für einen Zwangsdienst haben sich bislang eigentlich nur Union, AfD und nun offenbar auch kleinere Teile der SPD positioniert. Zu Änderungen am aktuellen Gesetzentwurf, der bereits die Ressortabstimmung durchlaufen hat und theoretisch kein Losverfahren vorsah, verweigerte die Bundesregierung noch Anfang der Woche nähere Auskünfte gegenüber Medien. Am Dienstagnachmittag wurden dann letztendlich die wahren Absichten der Koalition bekannt.
Ähnlich wie bei der E-Auto-Prämie und anderen Ideen aus dem letzten Koalitionsausschuss erscheinen die Vorschläge zur Wehrpflicht allerdings nicht voll ausgearbeitet und etwas unausgegoren. Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio äußerte in einem Rechtsgutachten im Auftrag von CDU/CSU nach Berichten der Süddeutschen Zeitung einige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Lotterie-Modells für den Kriegsdienst. In jedem Fall besteht in Deutschland aber die Möglichkeit zur Verweigerung aus Gewissensgründen.