Einzelhandel: Wie steht Backnang nach Corona da?

Im Vergleich zu anderen Städten steht Backnang auch nach der Pandemie gut da, sagt Stefan Setzer. Der Erste Bürgermeister präsentiert beim Stadtmarketingverein die wesentlichen Aussagen der Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts.

Einzelhandel: Wie steht Backnang nach Corona da?

Ein kühler Stadtmarketingauftakt nach der Pandemie war im vergangenen Jahr der Tulpenfrühling am 3. April. Archivfoto: Tobias Sellmaier

Von Florian Muhl

Backnang. „Ich bin glücklich und total begeistert, sie endlich wieder zusammen zu haben“, begrüßte Sigrid Göttlich rund 50 Mitglieder des Vereins Stadtmarketing Backnang zu dessen Hauptversammlung am Mittwochabend in der Backnanger Koch- und Eventlocation Kochwerk. „Im September ’21 hatten wir die letzte Hauptversammlung“, so die erste Vorsitzende weiter. Durch den Abend führten gekonnt Jennifer Studzinski, Anne-Claire Sana und Laura Reich vom neuen Stadtmarketingteam (siehe Infotext). Sie begrüßten auch gespannt den neuen Ersten Bürgermeister Stefan Setzer als Gastredner, denn der hatte die neuesten Erkenntnisse zum Backnanger Einzelhandelskonzept mitgebracht.

Grundlage des Konzepts, das in der aktuellen Fassung einen Umfang von 175 Seiten hat und im vergangenen Jahr erstellt wurde, war laut Setzer die Frage: „Was hat Corona mit unserem Handel und mit unserer Stadt gemacht?“ Fakt sei, dass die Frequenzverluste im Vergleich zu 2019 deutschlandweit bei rund 25 Prozent lagen und diesen Wert könne man auch auf Backnang übertragen.

Ein weiteres Thema, dass die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts behandelt, ist laut Erstem Bürgermeister die Frage des digitalen Wandels und des Onlinehandels. „Man möchte natürlich immer zu denen gehören, die vor der Entwicklung herlaufen und bei den Gewinnern sein und nicht bei den Verlierern“, sagte Setzer, der dann auch gleich einen Lösungsvorschlag parat hatte: „Die Mittelstädte mit einer besonderen Begabung wie Backnang sind diejenigen, die künftig profitieren werden.“ Soll heißen: „Dass wir unsere Begabungen, die Talente und die Eigenarten, die die Stadt hat, positiv nach vorne bringen, diese verkaufen und auch selbstbewusst sind.“

Der Umsatz stieg in den vergangenen zwölf Jahren um fast 60 Millionen Euro

Als Kuchen, den es zu verteilen gibt, bezeichnete Setzer das Kaufkraftpotenzial. „In unserem Marktgebiet mit rund 120000 Einwohnern kommen wir im Moment auf einen Wert von rund 750 Millionen Euro.“ Dieser Betrag lasse sich in der Region „durchaus sehen“. Allerdings sei nicht alles eitel Sonnenschein. Das zeige ein zeitlicher Vergleich zum Jahr 2009, in dem erstmals ein Einzelhandelskonzept für Backnang aufgestellt worden war. „Es gibt durchaus auch Dinge, wo wir rückläufig sind, das betrifft insbesondere die Kaufkraftkennziffer, die Einzelhandelszentralität und auch die Gesamtverkaufsfläche.“ Trotzdem habe man den Umsatz steigern können, von 346 auf auf 405 Millionen Euro im Jahr 2021. Das sei ein fantastischer Wert für eine Stadt mit der Größe wie Backnang. Extrem stark sei auch der Lebensmittelhandel.

Leider hat die Stadt Betriebe verloren. Mehrere Gründe dafür führte der Erste Bürgermeister an: Aufgabe aus Altersgründen, mangelnde Nachfolge bis hin zu wirtschaftlichen Gründen, auch wegen der Coronakrise. Schlagartig erhellte sich Setzers Miene: „Der Vergleich mit anderen vergleichbaren Mittelzentren macht uns immer ganz große Freude“, denn da stehe Backnang oft ganz oben. So weist die Zentralitätskennziffer, die aussagt, wie viel Kaufkraft gebunden werden kann, darauf hin, dass Backnang „ein extrem starkes Zentrum“ ist. „Wir überragen selbst Ludwigsburg.“ Das sei in Backnang natürlich nicht allein auf die Innenstadt zurückzuführen, sondern auch auf die großen Märkte im Norden und Süden.

In einigen Bereichen ist die Kaufkraft gesunken

Allerdings verliert Backnang im Einzelhandel auch Kaufkraft. Der Erste Bürgermeister zeigte anhand einer Grafik, dass dies bei folgenden Sortimenten der Fall ist: Blumen und Pflanzen, zoologischer Bedarf, Zeitschriften sowie Bücher, Papier und Schreibwaren. „Da ist noch Luft nach oben.“

Positiv sei: „Bei nahezu allen anderen Sortimenten sind wir stark.“ Als positiven Aspekt stellte Setzer auch heraus, dass Backnang einerseits viele Filialisten hat, andererseits aber auch starke inhabergeführte Geschäfte.

Alle Untersuchungen, Daten und Fakten würden – wenn man sich das Stadtgebiet anschaut – in die Frage münden: „Wo können wir zukünftigen Handel betreiben?“ Der Erste Bürgermeister machte klar: „Wir müssen Chancengleichheit herstellen zwischen der Innenstadtlage und den Streulagen, sprich den Außenbereichen wie der Weissacher Straße und Sulzbacher Straße.“ Warum? „Weil das Thema Parkierung in der Weissacher Straße ganz anders und besser funktioniert als in der Innenstadt.“

Es gehe darum, dass in der Innenstadt nach Möglichkeit alles gehandelt werden darf und es in den Streulagen bestimmte Einschränkungen gebe. „Da dürfen viele der Sortimente nicht mehr gehandelt werden oder nur unter Einschränkungen in Bezug auf die Fläche oder auf die Sortimentstiefe.“ So versuche die Stadt im Innenstadtbereich Chancengleichheit für die Händlerschaft herzustellen.

Die Gesamtverkaufsflächen nach Lagen verteilen sich in Backnang wie folgt: Auf den Innenstadtbereich entfallen 18 Prozent, auf die Weissacher Straße 30, auf die Donaustraße (Opti und Randbereiche) 27,1 Prozent, auf die Sulzbacher Straße 14,2 und aufs übrige Stadtgebiet 10,7 Prozent.

Das Konzept wird am 20. April im Ausschuss für Technik und Umwelt vorberaten und soll – gemeinsam mit dem Vergnügungsstättenkonzept – am 27. April vom Gemeinderat abgesegnet werden.

„Das Thema Grabenstraße habe ich jetzt komplett unterschlagen“, bekannte Setzer. Dieses Schlüsselprojekt sei aber sehr komplex, deshalb sei es nicht Bestandteil des Einzelhandelskonzepts, sondern dafür gibt es eine spezielle Lenkungsgruppe.

Themen rund um die Hauptversammlung des Stadtmarketingvereins Backnang.

Kurioses Verschwinden „Wir zeigen wieder Gesicht, wir sind wieder präsent“, begrüßte Sigrid Göttlich das neue Stadtmarketingteam vom Kultur- und Sportamt Jennifer Studzinski, Anne-Claire Sana, Laura Reich und Johannes Ellrott. „Dieses Team macht es so viel leichter, dieses kuriose Verschwinden eines Herrn F.“ zu überwinden, sagte die Vorsitzende. Mit „Herrn F.“ meinte Göttlich den ehemaligen Leiter der Stabsstelle Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung, Matthias Friedrich, der Ende 2022 noch während seiner Probezeit nach nur sechs Wochen aus unbekannten Gründen das Handtuch geworfen hat.

Veranstaltungen 2023 Sechs Themen-Wochenmärkte gibt beziehungsweise gab es im laufenden Jahr, und zwar zu den Themen Narren (18. Februar), Ostern (8. April), Laufsteg (20. Mai), Straßenfest (Juni), Rätsel (15, Juli) und Weihnachten (9. Dezember). Zudem dürfen die Bürger an zwei verkaufsoffenen Sonntagen shoppen, und zwar am Tulpenfrühling (26. März) und beim Gänsemarkt (29. Oktober). „Und wir wollen die lange Einkaufsnacht angehen“, kündigte Johannes Ellrott an. Diese soll am 7. September stattfinden. Die weiteren Veranstaltungen: Kinderfest am 8.September und Weihnachtsmarkt am 2. und 3. Dezember.

Herausforderungen Im Rahmen der Veranstaltung „World Café“ im Januar tauschten sich Mitglieder des Stadtmarketingvereins auch über die Dinge aus, wo der Schuh drückt und was man verbessern könnte. So wurde angeregt, zur (noch) besseren Kommunikation einen Stammtisch und Mittagstisch zu etablieren, die es bereits dieses Jahr geben wird. Zudem machten und machen Einzelhändler die Erfahrung, dass sich nach Corona das Einkaufsverhalten der Kunden geändert hat. Das Geld sitzte nicht mehr so locker in der Tasche. Das Thema Energiekrise beschäftige viele Menschen. Zudem habe sich der Onlinehandel immens verstärkt.

Gehen und kommen Göttlich verabschiedete „eine Institution des Gewerbevereins“ Lothar Buchfink, für ihn sitzt jetzt Stefan Hopp als Vertreter des BDS im Stadtmarketingvorstand, und Ralph Walter. Für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Waiblingen, der 19 Jahre beim Stadtmarketing mit dabei war, ist nun Vincenzo Giuliano (ebenfalls Kreissparkasse) als Vertreter der Banken in den Vorstand nachgerückt. Verabschiedet wurde auch Nadine Thoman, die fast fünf Jahre lang „für das Stadtmarketingteam brannte“, so Göttlich. Jetzt ist Nadine Thoman Geschäftsführerin des Vereins Schwäbisches Mostviertel.