Es gibt Details zu den Plänen von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Ein Überblick, was junge Menschen erwartet.
Laut Plänen von Verteidigungsminister Pistorius soll es künftig unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein, Menschen verpflichtend zum Dienst einzuziehen.
Von Tobias Heimbach
Der neue Wehrdienst ist wohl schon jetzt das wichtigste Projekt der Legislaturperiode für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er ist Teil der Anstrengung, dass Deutschland möglichst bald „verteidigungsbereit“ wird. Nun sind erste Details zu Pistorius‘ Plänen bekanntgeworden. Dabei soll es zunächst um einen freiwilligen Dienst gehen, doch die Möglichkeit zur Verpflichtung ist auch vorgesehen. Das Wichtigste im Überblick.
Welches Ziel soll mit dem neuen Wehrdienst erreicht werden?
Ziel des neuen Wehrdienstes ist der Aufbau einer leistungsfähigen Reserve. Damit soll garantiert werden, dass die Zahl der Soldaten im Kriegsfall schnell wachsen kann. Und zwar mit Menschen, die bereits über militärische Grundlagen verfügen. Sie würden etwa kritische Infrastruktur wie Kraftwerke und Flugplätze bewachen oder bei militärischen Transporten helfen. Sie wären aber auch dafür da, die Verletzten und Toten zu ersetzen. Ein militärisches Sprichwort lautet: „Die aktive Truppe beginnt im Krieg, die Reserve beendet ihn.“ Bis zu 200 000 Männer und Frauen aus der Reserve sollen bis zum Ende des Jahrzehnts die aktive Truppe ergänzen. Das bedeutet auch: Laut der aktuellen Nato-Anforderungen muss die Bundeswehr um rund 60 000 aktive Soldaten wachsen. Dieses Problem löst die Wehrpflicht also nicht. Allerdings hofft man im Verteidigungsministerium, dass Menschen, die den Wehrdienst leisten, sich anschließend auch für eine längere Karriere bei der Bundeswehr verpflichten.
Wie will Pistorius den Dienst attraktiver machen?
Das erklärte Ziel ist es, den Bedarf der Bundeswehr durch Freiwillige zu decken. Der Dienst soll etwa attraktiver werden, indem die Wehrdienstleistenden einen höheren Sold bekommen. Aktuell kann laut einer Beispielrechnung der Bundeswehr ein Soldat im niedrigsten Dienstgrad (etwa Schütze oder Matrose) mit rund 1700 Euro netto pro Monat rechnen. In dem neuen Modell sollen die Wehrdienstleistenden wie Zeitsoldaten bezahlt werden. Dadurch würde ihr Sold auf mindestens 2000 Euro netto monatlich steigen.
Für wen soll der neue Dienst gelten?
Nach aktuellen Planungen geht es um junge Männer und Frauen ab den Geburtsjahrgängen 2008. Sie sind es, die im kommenden Jahr 18 Jahre alt werden. Angeschrieben werden aber Menschen bis zu 25 Jahre. Wer Post von der Bundeswehr bekommt, soll einen Fragebogen im Internet ausfüllen. Für Männer ist das verpflichtend, für Frauen freiwillig. Darin werden persönliche Daten wie Größe, Gewicht, Gesundheitszustand und Bildungsabschlüsse erfasst. Auch das „Interesse an einem Wehrdienst“ soll abgefragt werden, zitiert der „Spiegel“ aus dem Gesetzentwurf. Ab 2027 soll es für Männer auch eine verpflichtende Musterung geben. Pistorius‘ Ziel ist es, dass die ersten neuen Rekruten im kommenden Jahr ihren Dienst antreten. Das Ziel liegt bei 15 000 Freiwilligen.
Wie viel Pflicht steckt im neuen Wehrdienst?
Pistorius betont die Freiwilligkeit des Dienstes. Allerdings soll der Gesetzentwurf die Möglichkeit vorsehen, „mit Zustimmung des Deutschen Bundestages die verpflichtende Heranziehung von Wehrpflichtigen zu veranlassen, wenn die verteidigungspolitische Lage dies erfordert“, zitierte der „Spiegel“ aus dem Papier. Die Einberufung soll zudem möglich sein, wenn die verteidigungspolitische Lage „einen kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“. Vorher müssten demnach aber andere Maßnahmen ausgeschöpft worden sein, die den Wehrdienst attraktiver machen sollen.
Wie geht es weiter?
Noch im Sommer soll sich das Kabinett mit dem Gesetzesvorschlag befassen, dann muss der Bundestag zustimmen. Das dürfte nicht einfach werden, denn in der SPD gibt es mehrere Abgeordnete, die die Möglichkeit eines verpflichtenden Wehrdienstes kritisch sehen. Beim Parteitag wurde Ende Juni lange über das Thema gestritten. Doch viele Abweichler kann sich die Koalition bei einer Abstimmung im Bundestag nicht leisten, Union und SPD haben nur eine Mehrheit von insgesamt 12 Abgeordneten.