Wilhelm und Klinghoffer aus FDP geworfen

Das Bundesschiedsgericht hat nun in Berlin endgültig entschieden. Hauptgrund war wohl nicht die Aufstellung einer konkurrierenden Liste. Vielmehr wurde den beiden lokalen FDP-Größen vorgeworfen, dass sie zwei Ex-AfD-Kreisräte in ihrer Kreistagsgruppe aufgenommen haben.

Wilhelm und Klinghoffer aus FDP geworfen

Charlotte Klinghoffer hat sich zuletzt sogar als Landtagskandidatin für die liberale Sache engagiert. Archivfoto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang/Kirchberg an der Murr. Zweieinhalb Jahre nach der Kommunalwahl vom Mai 2019, bei der einige FDP-Mitglieder unter der Federführung der Kirchbergerin Gudrun Wilhelm aus Verärgerung über den FDP-Kreisverband mit einer eigenen Liste bei der Regionalwahl angetreten sind, hat die Partei nun ein Urteil über diesen Sündenfall gesprochen: Die Rädelsführerinnen Gudrun Wilhelm und Charlotte Klinghoffer werden aus der Partei ausgeschlossen. Zwei weitere Liberale, Sabine Krautter und Ulrich Jeggle, erhalten vom FDP-Bundesschiedsgericht einen Verweis, können aber in der FDP bleiben.

Eine Liste, auf der Liberale gegen die FDP antreten? Eine derartige Konkurrenz sollte nicht ungestraft bleiben. Im Juni 2019 schloss der Kreisvorstand die Rebellen aus der FDP aus. Diese wehrten sich und zogen vors FDP-Landesschiedsgericht und, als dieses den Ausschluss bestätigte, vors Bundesschiedsgericht. Dort wurde die Entscheidung mehrfach vertagt, unter anderem wegen der Pandemie und zuletzt auch wegen der Bundestagswahl, negative Schlagzeilen sollten wohl vermieden werden. Am Freitag aber war es aber so weit. Das FDP-Bundesschiedsgericht bestätigte den vom Landesschiedsgericht am 30. März 2020 festgestellten Ausschluss von Gudrun Wilhelm und Charlotte Klinghoffer aus der FDP.

Der Kreisvorsitzende der FDP Rems-Murr, Jochen Haußmann, war zufrieden mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin. Der FDP-Landtagsabgeordnete sagte dazu nach der Urteilsverkündung in dem vom FDP-Kreisverband Rems-Murr angestrengten Verfahren weiter: „Nach einem nicht zuletzt durch die Coronapandemie sehr langem Verfahren bin ich froh, dass es nun zu einem Abschluss gekommen ist und das Landes- und das Bundesschiedsgericht bei Gudrun Wilhelm und Charlotte Klinghoffer dem Antrag des FDP-Kreisvorstandes auf Ausschluss aus der FDP gefolgt sind.“

„Diese Entscheidung hat auch eine überregionale Bedeutung“

Ursprünglich ging es dabei um die Frage, ob Parteimitglieder konkurrierende Wahllisten, in diesem Fall bei der Regionalwahl, aufstellen dürfen. Und die Landtagsabgeordnete Julia Goll aus Waiblingen, die das Verfahren für den FDP-Kreisverband rechtlich begleitete, ergänzte: „Das FDP-Bundesschiedsgericht hat das parteischädigende Verhalten von Gudrun Wilhelm und Charlotte Klinghoffer bestätigt. Diese Entscheidung hat auch eine überregionale Bedeutung, weil die Bildung von konkurrierenden Listen bei Wahlen von Parteimitgliedern gegen die eigene Partei eindeutig als schweren Verstoß gegen die Parteisatzung bestätigt wurde.“

Das sieht Thorsten Zebisch ganz anders. Der Anwalt von Wilhelm, Klinghoffer und Co. betont, das Bundesschiedsgericht habe ausdrücklich erklärt, eine Kandidatur auf einer anderen Liste führe nicht automatisch zum Ausschluss. Insofern habe der Kreisverband eine krachende Niederlage erlitten, was auch das Urteil gegen Jeggle und Krautter zeige. Vielmehr müsse vor einem Ausschluss zwingend ein Ausschlussverfahren durchlaufen werden. Dies sei nicht erfolgt. Und auch dann sei ein Rauswurf nur gerechtfertigt, wenn der Partei erheblicher Schaden zugefügt worden sei. Aus diesem Grund sei auch das Urteil gegen Jeggle und Krautter aufgehoben worden, der Schaden für die Partei sei vernachlässigbar.

Bei Wilhelm und Klinghoffer hingegen bestätigte das Gericht den Urteilsspruch des Landesschiedsgerichts. Aber offensichtlich nicht wegen der konkurrierenden Kandidatur, sondern wegen der jüngsten Entwicklungen. Konkret wurde den beiden Frauen vorgeworfen, dass sie in ihrer Kreistagsgruppe vor drei Wochen zwei ehemalige AfD-Mitglieder aufgenommen hätten. Dies hatte vor allem die beiden Landtagsabgeordneten Haußmann und Goll unter Zugzwang gesetzt. Denn wären Wilhelm und Klinghoffer FDP-Mitglieder geblieben, so hätten sie die Möglichkeit gehabt, eine Wiederaufnahme in die Kreistags-FDP zu beantragen. Dazu Haußmann: „Eine Zusammenarbeit in der Fraktion wäre für mich nach dieser Aktion, zwei Ex-AfDler aufzunehmen, undenkbar. Diese Aktion zeigt, wie weit sich die beiden schon von den liberalen Werten entfernt haben.“

Charlotte Klinghoffer, die sich seit 1985 sehr aktiv auf mehreren Ebenen für die liberale Sache vor Ort einsetzt, erklärte gestern: „Ich bin nicht enttäuscht oder verärgert über das Urteil, ich bin einfach nur tief traurig. Diese Entscheidung trifft den gesamten Großraum Backnang. Es ist eine bewusste Schwächung der lokalen FDP, die schon seit Jahren, eigentlich schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist. Die Liberalen verlieren im Ortsverband zwei Persönlichkeiten. Das zu kompensieren, wird sehr schwer.“ Für die FDP-Landtagskandidatin von 2019 sowie Kreis- und Stadträtin geht es Haußmann und dem Kreisvorstand längst nicht mehr um die Sache, also um die konkurrierende Liste, sondern um die Aufnahme der Ex-AfD-Mitglieder in ihrer Gruppe. Dies verteidigt Klinghoffer jedoch vehement: „Das sind ganz normale Menschen, die noch zu Zeiten von Bernd Lucke unter ganz anderen Voraussetzungen in die Partei eingetreten und nun wieder ausgetreten sind. Und außerdem, ich betone es immer wieder: Die AfD ist nicht verboten. Ich kann es nicht verstehen, dass man die Aufnahme dieser Politiker in unsere Kreistagsgruppe zum Anlass nimmt, uns aus der FDP zu werfen.“ Die Backnangerin gibt zu bedenken, dass die Streitereien der Partei massiv schaden. Sie warnt: „Aus solchen Querelen sind einst die Freien Wähler entstanden.“

Der lange Streit ist an Gudrun Wilhelm nicht so einfach vorbeigegangen. Dass die lange Hängepartie jetzt endlich vorbei ist, bewertet sie so: „Ich bin nicht unglücklich.“ Auch sie verteidigt es, andere Kreisräte in ihrer Gruppe aufgenommen zu haben. „Wir sind doch Demokraten.“ Sie verweist auch darauf, dass die Gruppe immer noch Wilhelm/Klinghoffer heißt, das wurde auch von den Ex-AfD-Räten akzeptiert. Während sie sich vermutlich damit abfindet, dass ihr jahrzehntelanges Engagement bei den Liberalen nun so schändlich endet, überlegt Klinghoffer noch, ob sie das Urteil tatsächlich endgültig auf sich beruhen lässt. Und Jochen Haußmann. Er blickt nach vorne und sagt: „Vielleicht ist das jetzt auch die Möglichkeit, einen Neuanfang für die FDP im Rems-Murr-Kreis zu starten.“

Wilhelm und Klinghoffer aus FDP geworfen

Gudrun Wilhelm ist 2019 mit einer eigenen Liste zur Regionalwahl angetreten.Foto: privat

Die Historie des FDP-Sündenfalls

Auslöser Der Streit um den Rauswurf der Liberalen – die meisten der ursprünglich sechs Kommunalpolitiker waren im Ortsverband Backnanger Bucht engagiert – zieht sich nun schon über Jahre. Auslöser war Anfang 2019 die Wahl von Hartfrid Wolff auf den Listenplatz Nummer 1 bei der Nominierungsversammlung der Rems-Murr-FDP zur Regionalwahl. Die damals aktuelle Regionalrätin Gudrun Wilhelm war davon ausgegangen, dass die Partei sie auf diesen Spitzenplatz wählen würde, da die Kirchbergerin in den Jahren zuvor ihren Wahlkreis in der Regionalversammlung mit großem Elan vertreten hatte. Schließlich war klar, dass nur dieser Listenplatz Aussicht auf Erfolg hat. Doch es kam anders, da Wolff laut Wilhelm all jene, die für ihn stimmen wollten, auf Kosten des Kreisverbandes mit einem Bus zur Versammlung hatte chauffieren lassen.

Reaktion Wilhelm war erbost, verließ die Nominierungsversammlung ohne Listenplatz und trat mit einer eigenen Liste „Freie Regionale Rems-Murr“ bei der Wahl an. Auf der Liste waren mehrere Mitstreiter aus dem Backnanger Raum, unter anderem eben Charlotte Klinghoffer, Ulrich Jeggle und Sabine Krautter.