Wirbel um geplanten Gysi-Auftritt am 9. Oktober in Leipzig

dpa Leipzig. Gregor Gysi ist zu einer Veranstaltung am 9. Oktober - dem Jahrestag der friedlichen Revolution - in Leipzig eingeladen. Für einige eine unerträgliche Vorstellung. Darf ein Ex-SED- und PDS-Politiker als Zeitzeuge gehört werden?

Wirbel um geplanten Gysi-Auftritt am 9. Oktober in Leipzig

Gregor Gysi im April bei der Auftaktkundgebung der Linkspartei zur Europawahl. Foto: Carmen Jaspersen

Die Teilnahme des Linken-Politikers Gregor Gysi an einer Veranstaltung am 9. Oktober - dem 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in Leipzig - sorgt für Aufregung. Frühere DDR-Bürgerrechtler zeigten sich in einem offenen Brief empört.

Kritik kommt auch aus der CDU und vom Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte. Die Stadt Leipzig bemüht sich derweil um Klarstellung und versucht, ein falsches Gerücht einzufangen. Was ist passiert?

Seit einigen Tage schwirrt durch die sozialen Netzwerke, Gysi - der in der Wendezeit den Vorsitz der DDR-Staatspartei SED übernommen hatte - werde die Festrede beim Gedenken an die friedlichen Revolution halten. Diesen Eindruck hatte laut Stadt der Berliner Historiker Hubertus Knabe mit einem inzwischen gelöschten Tweet erweckt. Die Stadt Leipzig bemühte sich umgehend um „Klarstellung“. Die Festrede im offiziellen Programm werde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier halten. Am Samstag twitterte die Stadt an Knabe gewandt: „Es wäre schön, wenn Sie als Urheber des #Gysi-Gerüchts aktiv würden, um es aus der Welt zu schaffen.“

Stadtsprecher Matthias Hasberg betonte am Samstag, Gysi sei nicht Teil des städtischen Programms. Leipzig erinnert mit dem Lichtfest an den 9. Oktober 1989, als 70.000 Demonstranten in der Messestadt das Ende der DDR einläuteten. Abseits des von der Stadt organisierten Gedenkens gibt es in Leipzig aber noch andere Veranstaltungen - und hier kommt Gysi ins Spiel.

Tatsächlich soll der Linken-Politiker am 9. Oktober bei einem Konzert der Philharmonie Leipzig in der Peterskirche auftreten. Seit 2014 führe das Orchester die 9. Sinfonie von Beethoven auf und versuche, „unterschiedliche Zeitzeugen versöhnlich einzubinden“, erklärte Vorstand Michael Köhler am Samstag. In den Vorjahren seien unter anderem der Kabarettist Bernd Lutz-Lange, die Schauspieler Dieter Bellmann und Manfred Krug sowie Sachsens früherer CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf Gäste der Veranstaltung gewesen.

„Unser Konzert ist keine Veranstaltung des Lichtfestes. Es handelt sich nicht um einen Festakt mit Festrede“, erklärte Köhler. Das Ziel der Philharmonie sei es, „bewusst jedes Jahr unterschiedliche Zeitzeugen zu Wort kommen, um verschiedene Eindrücke dieser Personen erlebbar zu machen und sie ihre Blicke auf die damalige und heutige Situation werfen zu lassen“. An der Einladung Gysis halte das Orchester vor diesem Hintergrund fest.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt: „Ich halte die Auswahl von Gregor Gysi als Festredner am Jahrestag der großen Leipziger Demonstration vom 9. Oktober für völlig unangemessen.“

Auch Sachsen-Anhalts Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht übte Kritik. „Es müssen diejenigen sprechen, die die Freiheit zurückgeholt haben, aber nicht die, die auf der anderen Seite waren und versucht haben, die Freiheit zu unterdrücken“, sagte er auf dem Landesparteitag der sächsischen Union in Chemnitz unter großem Beifall. „Das ist an Geschichtsvergessenheit nicht zu überbieten.“

Gysi selbst war nicht zu erreichen. Sein Sprecher Hendrik Thalheim erklärte zu dem offenen Brief der Bürgerrechtler, es sei nicht Gysis Stil, auf offene Briefe zu antworten. Die Angst einiger, dass ihnen ihre Bedeutung und „ihre“ Revolution gestohlen werden solle, halte er für unbegründet. Gysi sei eingeladen worden und wolle zu der Veranstaltung in die Peterskirche kommen.

Der 9. Oktober gehörte zu den entscheidenden Tagen der friedlichen Revolution in der DDR. An jenem Tag demonstrierten in Leipzig rund 70.000 Menschen gegen das DDR-Regime. Gysi war Vorsitzender der SED von Dezember 1989 bis Februar 1990 - und danach bis 1993 Vorsitzender der Nachfolgepartei PDS.