In China und den USA sind Produkte der deutschen Autoindustrie nicht mehr so gefragt. Also orientiert sie sich Richtung Indien. Mit Erfolg?
Perspektivisch werden sich in Indien immer mehr Menschen erstmals ein Auto leisten können.
Von Peter Stolterfoht
Mahle ist für die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) im September gerüstet. In München präsentiert der Autozulieferer gleich eine ganze Reihe neuer Produkte: zum Beispiel ein bionisches Gebläse, dessen Blätter sich in der Form an den Flügelflossen von Pinguinen orientieren. Oder ein neues Range-Extender-System, das die Reichweite eines E-Autos durch den Einsatz eines integrierten Verbrennungsmotors auf bis zu 1350 Kilometer erhöhen kann. Elektrofahrzeug heißt auf Hindi übrigens „elektrischee vahaan“. Was für Mahle insofern von Bedeutung ist, weil Indien eine immer wichtigere Rolle in den strategischen Überlegungen für das Stuttgarter Stiftungsunternehmen spielt.
18 Standorte in Indien
„Indien ist unser größter Wachstumsmarkt“, sagt Mahle-Chef Arnd Franz auf dem sogenannten Tech Day des Konzerns, einer kleinen Leistungsschau vor Fachpublikum. Mahles Umsatz sank 2024 von 12,8 Milliarden im Vorjahr auf 11,7 Milliarden Euro. 600 Stellen wurden im weltweit rund 72 000 Beschäftigte zählenden Unternehmen bereits gestrichen. Weitere werden wohl folgen, so die Prognose von Arnd Franz, nachdem sich das diesjährige Geschäft auch schlechter entwickelt als zunächst erwartet. Umso wichtiger ist es da, dass der Trend in Indien in die andere Richtung zeigt und nun die Ein-Milliarde-Umsatzgrenze übersteigt. Ein Land, ein Hoffnungsschimmer.
18 Standorte betreibt Mahle mittlerweile in Indien, wo die komplette Produktpalette angeboten wird. Womit im Automobilbereich sowohl die Verbrenner- als auch E-Technik abgedeckt ist. So lassen sich die Auftraggeber, zu denen neben den in Indien produzierenden deutschen Konzernen Volkswagen, BMW und Mercedes auch die größten einheimischen Autohersteller Tata Motors, Mahindra & Mahindra und Maruti Suzuki zählen, schnell wunschgemäß beliefern.
Ganz ähnlich wie Mahle verfährt auch die Robert Bosch GmbH, die auf 17 Standorte in Indien kommt und in Bangalore seit 2017 mit einem KI-Zentrum vertreten ist.
Das deutsche Motto lautet also: Nur nicht in Indien die Ausfahrt verpassen. Vor allem, nachdem das Geschäft auf dem größten Absatzmarkt China immer weiter hinter den Erwartungen zurückbleibt. Wird nun also Indien zum gelobten Land der deutschen Autoindustrie? Die Vorzeichen stehen jedenfalls nicht schlecht.
Mit rund 4,3 Millionen neuzugelassenen Pkw 2024 liegt Indien im weltweiten Vergleich bereits auf Platz drei – hinter China (23 Millionen Pkw) und den USA (15,9 Millionen Pkw). In Deutschland waren es im vergangenen Jahr 2,8 Millionen Autos. Verschiedenen Prognosen zufolge sind es im Jahr 2030 in Indien 7,6 Millionen Pkw, die zugelassen werden, während der Verkauf anderswo häufig stagniert oder zurückgeht.
Der Autoboom in Indien lässt sich auf das dortige Wirtschaftswachstum zurückführen. Bis 2030 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – wie schon zuletzt – jährlich um über sechs Prozent steigen. Dies führt unter anderem dazu, dass sich Millionen von Menschen schon jetzt oder bald erstmals ein eigenes Auto leisten können.
Joint Ventures als erhofftes Erfolgsmodell
Davon werden zunächst einmal besonders die Hersteller billiger Fahrzeuge profitieren. Diese zu produzieren gehört bisher allerdings nicht zu den Stärken der deutschen Autoindustrie, weshalb in Indien die Zulieferer im Moment die besseren Karten haben dürften. Und auch entsprechend ausspielen wollen, indem sie Joint Ventures bilden. Mahle hat dabei in der indischen Anand Group einen Partner gefunden. Gemeinsam arbeitet man am Thermomanagement für Fahrzeuge oder an Filtersystemen.
Die Hersteller stehen dagegen noch vor größeren Anstrengungen. Der Anteil deutscher Marken, der vor allem auf VW entfällt, ist am indischen Markt mit 2,3 Prozent derzeit überschaubar