Caren Miosga

Wirtschaftsexpertinnen attackieren Söder heftig

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer und die FAZ-Korrespondentin Julia Löhr treiben Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ARD-Talk in die Enge.

Wirtschaftsexpertinnen attackieren Söder heftig

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Ja, nicht uninteressant. Am Anfang der Talkrunde von Caren Miosga mit Hauptgast Markus Söder am Sonntag gab es eine Nachlese zum Showdown vom vergangenen Freitag, als im Bundestag tatsächlich mit einer knappen Kanzlermehrheit das Rentenpaket verabschiedet worden ist. Als „Erfolg für Jens Spahn“ und eine „Punktlandung in stürmischem Wetter“ bezeichnete der bayrische Ministerpräsident die Ereignisse.

Und spannend auch eine Nachfrage von Miosga zur leisen Kritik, die Söder am Samstag beim Landesparteitag der baden-württembergischen CDU in Heidelberg über die Abstimmung zur Migrationspolitik im Januar im Bundestag geäußert hatte. Bei der hatte die Union nur mit der AfD eine Mehrheit erhalten.

Auch jetzt im Studio stichelte da Söder, der sich als „freundlichster CSU-Vorsitzender seit Jahrzehnten“ bezeichnete, doch tatsächlich wieder gegen Merz: Diese Abstimmung habe nur die Linke motiviert, „die eigene Seite“ gespalten und der AfD die Chance gegeben, von einer neuen Zeit zu reden. Es sei damals nicht seine Leitentscheidung gewesen, so Söder, sondern die von Merz. Aber ein „Kanzlerkandidat – das war Merz damals noch – der habe halt immer recht.

Breitseiten gegen Söder

Nach dem Vorgeplänkel kam die Sendung richtig in Schwung mit dem Erscheinen der Wirtschaftskorrespondentin Julia Löhr (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Monika Schnitzer, der Vorsitzenden des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Leistungen (Wirtschaftsweisen), im Studio. Denn die feuerten beide wirtschaftspolitische Breitseiten gegen Markus Söder – und haderten aggressiv mit seinem Politikstil. Ob die Regierung „nach der Zitterpartie“ ums Rentenpaket jetzt den Aufschwung schaffe, hatte Miosga gefragt, nachdem BDI-Präsident Peter Leibinger die Industrie kürzlich als „im freien Fall“ befindlich bewertete hatte.

Die Lage sei „ernst“ in der Wirtschaft, sinkende Investitionen, schwächelnde Exporte nicht erst seit Trump, hohe Energie- und Arbeitskosten und nicht mehr innovative Produkte aus Deutschland: So bilanzierte es Monika Schnitzer. „Viele Probleme sind hausgemacht.“ Wirtschaftspolitisch sei die Regierung ganz gut gestartet, auch mit der Lockerung der Schuldenbremse und den Investitionsprogrammen. „Aber dann kam dieser verheerende Koalitionsausschuss, von da an ging es bergab“, so Julia Löhr, Und an dem habe auch Söder einen entscheidenden Anteil gehabt.

Eine „Chuzpe“ des CSU-Chefs

Lauter nette Geschenke seien da beschlossen worden, anstatt die Stromsteuer für alle zu senken: die Mütterrente III, das 200-Milliarden-Rentenpaket, die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie – nichts davon werde das Wirtschaftswachstum fördern. „Ich glaube Friedrich Merz und Lars Klingbeil erkennen die Probleme, aber ihre Parteien sind auf Klientelkurs und machen keine Wachstumspolitik.“

Es sei dann schon eine „Chuzpe“ von Söder gewesen, dass er, zwei Tage nachdem seine Wunschliste abgehakt und vom Bundesrat beschlossen worden sei, sich hinstelle und vom Bundesfinanzminister ein Vorziehen der Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen (geplant für 2028) verlange. So etwas koste vier Milliarden im Jahr, so Löhr. Hätte er seine Mütterrente dafür geopfert hätte man die Gegenfinanzierung gehabt. „Das wäre was gewesen.“

Ein „geschmeidiger Politiker“

Söders Gegenrede fiel sachlich aus. Er erkannte immerhin an, dass die Stimmung in der Wirtschaft sich dramatisch verschlechtert habe, dass die Regierung aber „Geschenke“ verteile, die nur Bayern zugute kommen, das stellte er in Abrede. Die Beschlüsse kämen dem ganzen Land zugute, Mütterrente, Pendlerpauschale und Gastronomieerleichterungen seien im übrigen „drei kleine Bereiche“, die jedenfalls nicht das Problem des Wirtschaftsstandorts Deutschlands seien.

Bei dem spielt auch die Autoindustrie und der Verbrennermotor eine Rolle, bei der Söder bekanntermaßen ein Weiterlaufen übers Jahr 2030 hinaus fordert und sich gegen ein EU-Verbot stemmt. In der Sendung ist dann ein Video von 2020 gezeigt worden, indem Söder ein Verbot der Zulassung von Verbrennermotoren „so wie in Kalifornien“ fordert – das bedeutet also im Jahr 2035.

Heute will Söder von diesen festen Terminen nichts mehr wissen, die Lage habe sich geändert. Die E-Autos hätten sich als nicht so attraktiv erwiesen wie gedacht und man müsse es den Verbrauchern überlassen, welche Autos sie fahren sollten. Diese Aussagen widersprachen Löhr und Schnitzer energisch: „Ich kenne keinen Politiker, der sich so geschmeidig dem Zeitgeist anpasst wie Sie, Herr Söder“, meinte Julia Löhr.

Sicher müsse ein Politiker um gewählt zu werden, den Menschen auch „mal nach dem Mund reden“, er müsse den Leuten aber auch „unangenehme Dinge zumuten“ und Politik müsse mal ins Risiko gehen. Eine Abkehr vom Aus für den Verbrenner sei der falsche Weg. Monika Schnitzer sah das genauso: Deutsche Hersteller könnten sehr wohl gut E-Autos bauen, man müsse verhüten, dass China die europäischen Produzenten an die Wand spiele. In den Blick müsse man jetzt schon eine weitere Entwicklungsstufe nehmen – etwa das autonome Fahren.

Erinnerung an Nokia und Kodak

Das Festhalten an alter Technologie führe da nicht weiter und ob Söder das Schicksal von einst erfolgreichen Unternehmen wie Nokia oder Kodak nicht in Erinnerung habe, die beide überflüssig geworden seien, weil sie neue Technologien nicht eingeführt hätten. Schnitzer kritisierte auch die von der Union geforderte und vom Bundestag beschlossene Steuerbegünstigung von Agrardieseln, die kämen nur kleinen, unproduktiven Betrieben zugute. „Meine Damen, Sie machen es sich zu einfach“, entgegnete Söder auf die Kritik. Was den Verbrennermotor anbelange, da höre er auf das was Betriebsräte und Automobilindustrie sagten und die seien für eine längere Zeit des Übergangs und nicht schon 2030.

Zu seiner politischen Anpassungsfähigkeit bemerkte er, dass er nicht nur „theoretisieren“ könne am schönen Tisch wie die Studiogäste, sondern als Politiker auch die Menschen „mitnehmen“ müsse. Er müsse in jeder Situation das Beste für die Menschen machen. Schließlich meinte er zum Agrardiesel, dass es um die Ernährungssicherheit gehe und viele landwirtschaftliche Betriebe - auch Bio-Bauernhöfe – ohne ihn zumachen würden. Das Schlusswort überließ Miosga der Journalistin Löhr und das blieb unversöhnlich: Die Regierung zeige nicht den Mut zu Reformen, die das Land voran brächten. Merz habe ja damit zu tun, seine Koalition zusammen zu halten.