Haltelinie für Milliarden

Worum es im Rentenstreit der Union geht

Die Junge Gruppe der Unionsfraktion stellt sich bei der Rente quer. Der Kanzler will aber am Zeitplan für die Abstimmung im Bundestag festhalten. Was nun?

Worum es im Rentenstreit der Union geht

Dicke Luft in der Union: Friedrich Merz (Mi.) nach seiner Rede, mit Johannes Winke (re.), Bundesvorsitzender der Jungen Union und Mitglied Junge Gruppe der CDU-CSU-Bundestagsfraktion.

Von Markus Brauer/AFP

Am Wochenende spitzte sich der Rentenstreit in der Union zu: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will das Rentenpaket noch dieses Jahr durch den Bundestag bringen, doch die Junge Union stellt sich weiter quer. Sie befürchtet eine zu starke Belastung der jungen Generationen durch die Festschreibung des Rentenniveaus. Sie könnte mit ihren 18 Abgeordneten die für Dezember geplante Bundestags-Abstimmung blockieren.

Worum dreht sich der Streit?

Um die sogenannte Haltelinie und das, was daraus abgeleitet wird. Sie setzt das Rentenniveau auf 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens in Deutschland fest. Sie ist also eine Art Absicherung der gesetzlichen Rente im Verhältnis zu den Löhnen in Deutschland. Sie gilt nach Abzug der Sozialabgaben, aber vor Steuern. Die Haltelinie wurde 2019 zur Rentenstabilisierung eingeführt. Sie läuft Ende des Jahres aus.

Was passiert dann?

Das Rentenniveau würde von der Lohnentwicklung abgekoppelt. Das Bundesarbeitsministerium schätzt, dass das Rentenniveau dann bis 2031 um einen Prozentpunkt sinken würde. Das seien rund 420 Euro weniger im Jahr. Bis 2040 wären es sogar drei Prozentpunkte weniger.

Was plant die Bundesregierung?

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will die Haltelinie daher bis 2031 verlängern. Das Ziel steht im Koalitionsvertrag und ist auch in der Jungen Union weitgehend unstrittig. Der Gesetzentwurf geht allerdings weiter und setzt die Rente langfristig höher an: Für 2035 sieht er noch ein Niveau von 46,7 Prozent und für 2040 von 46,0 Prozent vor – jeweils einen Prozentpunkt mehr als ohne Haltelinie.

Darauf beharrt die SPD. Die Junge Union rechnet vor, dass diese Festschreibung des Rentenniveaus für die 2030er-Jahre rund 120 Milliarden Euro zusätzlich koste. Dazu enthält das Rentenpaket die von der CSU durchgesetzte Ausweitung der Mütterrente und die Aktivrente der CDU, die Arbeit im Alter attraktiver machen soll.

Warum ist die Rente so ein Zankapfel?

Weil sie teuer ist. Und bald reformiert werden muss, um langfristig finanzierbar zu bleiben. Das gesetzliche Rentensystem funktioniert umlagebasiert. Das heißt: Beitragszahler finanzieren direkt die jetzigen Renten. Weil dadurch aber seit Langem schon die Kosten nicht mehr gedeckt werden können, schießt der Staat Jahr für Jahr Milliardenbeträge aus Steuermitteln hinzu.

Die Geburtenrate und die gestiegene Lebenserwartung haben dafür gesorgt, dass inzwischen nur noch etwa zwei Beitragszahler auf einen Rentner kommen. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch sechs zu eins, 1992 immerhin noch 2,7 zu eins. Bis 2050 dürften 1,3 Beitragszahler einem Rentner gegenüberstehen.

Was kostet die Rente?

Laut Gesetzentwurf belaufen sich die Rentenausgaben 2025 auf 394,4 Milliarden Euro. Und in den kommenden Jahren steigen sie rapide. Wenn die Haltelinie bis 2031 verlängert wird, dürften die Kosten in dem Jahr bei 518,3 Milliarden Euro liegen, 2040 sogar bei 677,5 Milliarden Euro.

Vom Staat kommen im laufenden Jahr 122,5 Milliarden Euro. Damit fließt jetzt schon jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt an die Rente. Umgekehrt kommt rund jeder vierte Euro für die Rente nicht aus dem Rentensystem selbst, sondern aus Steuermitteln.

Die Ausgabentendenz ist klar steigend: Bei der Verlängerung der Haltelinie schießt der Staat bis 2031 weitere elf Milliarden Euro hinzu, 2040 wären es 15,1 Milliarden.

Wer bezahlt das Ganze?

Den Zuschuss vom Bund tragen die Steuerzahler in Deutschland – also letztlich alle, auch Rentner selbst. Den trotzdem überwiegenden Teil aber finanzieren die Beitragszahlenden in Deutschland über das Rentensystem. Das sind zu gleichen Teilen Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Beide zahlen jeweils 9,3 Prozent des Bruttoeinkommens finanzieren zusammen also den Rentenbeitrag von 18,6 Prozent.

Steigen diese Beiträge jetzt?

Höchstwahrscheinlich ja. Die Renten sollen nicht sinken, das Renteneintrittsalter nicht steigen und der Zuschuss aus dem ohnehin umkämpften Bundeshaushalt nicht noch weiter steigen. Bei der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung dürften daher die Beiträge steigen, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig teilen. Bei der Rente rechnet das Arbeitsministerium mit plus 2,8 Prozentpunkten bis 2040.

Dabei summieren sich die Beiträge für Rente, Pflege, Kranken- und Arbeitslosenversicherung schon jetzt auf 41,9 Prozent – zwei Punkte mehr als 2020. Für Arbeitnehmer bedeutet das weniger Netto vom Brutto und für die kriselnde Wirtschaft steigende Lohnkosten und damit eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit.