Vorerst keine Debatte über Segnungs-Kompromiss mehr

Von Von Martin Oversohl, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Lange hatten die württembergischen Protestanten mit sich und den Segnungsgottesdiensten für homosexuelle Paare gerungen. Ab Januar gilt ein Kompromiss - und obwohl erste Stimmen diesen bereits infrage stellen, wird noch nicht offen über eine Änderung debattiert.

Vorerst keine Debatte über Segnungs-Kompromiss mehr

Zwei Männer schneiden nach ihrer Eheschliessung im Rathaus eine Hochzeitstorte an. Foto: Ina Fassbender/dpa/Archivbild

Nach der Kirchenwahl der württembergischen Protestanten steht der Kompromiss zu den Segnungsgottesdiensten für homosexuelle Paare trotz der Erfolge der Reformbewegung „Kirche für morgen“ derzeit nicht zur Debatte. Sowohl der Gesprächskreis „Offene Kirche“, der sich eigentlich geschlossen für eine Trauung für alle ausspricht, als auch die „Kirche für morgen“ wollen abwarten, welche Erfahrungen mit dem komplizierten neuen System gemacht werden. Auch Landesbischof Frank Otfried July hält sich deutlich zurück: Es sei richtig, den eingeschlagenen Weg zu gehen. „Über synodale Prozesse zu spekulieren, und das noch vor der Konstituierung der neuen Synode im Februar, gehört sich nicht, zumal als Landesbischof“, sagte er der dpa.

Um den Kompromiss war hart und lange gerungen worden. Beide Kreise schließen nicht aus, dass später erneut über eine Lösung debattiert wird. Es wird unter den Gemeindevertretern allerdings nicht damit gerechnet, dass das Thema in nächster Zeit auf die Tagesordnung der Synode, also des Kirchenparlaments, kommt.

Diese hatte im März beschlossen, dass ein Viertel der Kirchengemeinden ihre örtliche Gottesdienstordnung ändern dürfen. Das Gesetz schließt auch Menschen des dritten Geschlechts ein, die also weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht angehören. Im Jahr 2017 war ein erster Vorstoß, öffentliche Segnungen landeskirchenweit als Amtshandlung einzuführen, knapp gescheitert.

Nach dem Verlust der konservativen Pietisten bei der Kirchenwahl und dem daraus folgenden abnehmenden Einfluss in der württembergischen Landessynode waren Forderungen nach einer neuen Debatte über die Segnungsgottesdienste aufgekommen. Bislang haben nach Angaben der Kirchenverwaltung allerdings auch erst rund 160 Gemeinden das Gespräch mit dem zuständigen Dezernat gesucht. Sollten sich mehr als 325 Gemeinden dafür aussprechen, wäre eine landeskirchenweite Regelung nötig. Dann müsste die Synode erneut beraten - und mit Zweidrittel-Mehrheit beschließen.

„Nein, ich denke nicht, dass wir uns da neu positionieren“, sagt Jens Schnabel, der Vorsitzende des jungen Gesprächskreises „Kirche für morgen“, der durch die Kirchenwahl an Einfluss gewonnen hat. Die erzielte Regelung müsse erst noch in Kraft treten. „Im Moment gehe ich davon aus, dass wir diese nun auch erstmal ausprobieren. Deshalb sehe ich derzeit auch keinen Bedarf.“

Skeptisch ist auch Erika Schlatter-Ernst, die dem eher liberalen Gesprächskreis „Offene Kirche“ vorsteht. Die von Januar an geltende Regel sei zwar „ein schmerzhafter Kompromiss gewesen und nach unserer Auffassung nur ein Zwischenschritt“. Auch sei es gut möglich, dass sich die Synode mit dem Thema Segnungsgottesdienste erneut beschäftigen werde. „Allerdings wird das nicht gleich sein, sondern erst später“, sagte Schlatter-Ernst. Ihr Kreis würde zwar sofort eine Änderung angehen, wenn er die Mehrheit dafür bekäme. „Auch muss man nicht erst die Erfahrungen mit der neuen Regelung abwarten“, sagte Schlatter-Ernst. Realistischerweise werde es aber wohl so kommen.

Der neben der „Offenen Kirche“ nach wie vor größte Gesprächskreis, die theologisch konservative „Lebendige Gemeinde“, forderte Geduld ein: „Hart, hart errungene, schmerzhafte Kompromisse brauchen auch Zeit in der Umsetzung“, sagte deren Sprecher, Dekan Ralf Albrecht. Es gebe zudem die „grundlegende Einsicht“ von Bibel und reformatorischen Bekenntnissen, dass zu einer Ehe Mann und Frau gehörten.

Die Landeskirche Württemberg war bis zum Kompromiss im vergangenen März eine der letzten, die gleichgeschlechtlichen Paaren öffentliche Segnungen mit Kirchengeläut verwehrt hatte. Viele Landeskirchen erlauben auch Trauungen Homosexueller - zum Beispiel in Baden.

„Es gibt bei uns keine Diskussionen mehr über das Thema, es ist Kirchenalltag geworden“, sagt Daniel Meier, Sprecher der dortigen Evangelischen Landeskirche. Pfarrer könnten sich in Baden zwar aus Gewissensgründen verweigern. „Aber mir ist kein solcher Fall bekannt.“ Warum es keine Kontroverse gibt? „Baden war schon immer ein Durchzugsland, wo liberale Ideen eher heimisch waren als in Württemberg“, sagte Meier.

Dagegen sind die beiden katholischen Bischöfe im Südwesten strikt gegen eine mögliche Segnung homosexueller Paare. „Grundsätzlich lehnt die Katholische Kirche eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe ab“, sagte Michael Hertl, Sprecher der Erzdiözese Freiburg. Die Segnung einer individuellen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare bei einem Gottesdienst könne aber den Anschein erwecken, genau eine solche Gleichstellung vorauszusetzen.