Spahn will Sanktionen gegen Vordrängler beim Impfen prüfen

dpa Berlin. Nach zahlreichen Verstößen gegen die festgelegte Impfreihenfolge werden die Rufe nach Sanktionen für die Verantwortlichen lauter. Die Bundesregierung will nun Konsequenzen prüfen - und den Umgang mit übrigen Impfdosen genauer regeln.

Spahn will Sanktionen gegen Vordrängler beim Impfen prüfen

Die Verstöße gegen die Impfreihenfolge betrifft dpa-Recherchen zufolge mindestens neun Bundesländer. Foto: Sven Hoppe/dpa

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Sanktionen gegen Menschen prüfen, die sich bei Impfungen gegen das neue Coronavirus unrechtmäßig vordrängeln. Es gehe darum, ob Sanktionen Sinn machen könnten, sagte Spahn in Berlin.

Das sei im Bundestag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen. Das Infektionsschutzgesetz kenne bereits Sanktionen, etwa Bußgelder. Eine Recherche der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass in mindestens neun Bundesländern bereits Menschen gegen das Coronavirus geimpft wurden, die noch nicht an der Reihe waren. Dabei kamen etwa Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören. In den meisten Fällen hatten die Verantwortlichen das mit übrig gebliebenen Impfdosen begründet, die sonst hätten weggeschmissen werden müssen.

Die Reihenfolge der Impfungen ist in der Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums klar geregelt: Zunächst sollen in Deutschland Menschen über 80 geimpft werden, außerdem Berufsangehörige, die durch ihre Arbeit in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen oder Impfzentren ein besonders hohes Ansteckungsrisiko haben. Sie gehören der Gruppe der höchsten Priorität an. Polizisten räumt die Verordnung lediglich eine hohe Priorität ein, Landräte oder andere Politiker sind nicht gesondert aufgeführt.

Zwar gilt für jede Dosis - ob übrig geblieben oder nicht - dieselbe Priorität der zu Impfenden. Explizit vorgeschrieben ist der Umgang mit den übrigen Dosen aber nicht. Auch das will Spahn nun ändern. „Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das noch ein Stück verbindlicher regeln“, ergänzte Spahn. So könne das Vorgehen in den Impfzentrum noch genauer definiert werden. Übrig gebliebener Impfstoff könne unter Umständen an Feuerwehrleute oder Polizisten im Einsatz gehen, die dann aber auch schnell verfügbar sein müssten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte die Bundesregierung zuvor aufgefordert, die Verstöße zu sanktionieren. „Immer wieder werden Fälle bekannt, dass sich Menschen unberechtigt impfen lassen“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Die Impfstoffverordnung ziele eigentlich auf eine gerechte Zuteilung des Impfstoffes ab - „deshalb ist es unverständlich, dass Jens Spahn bis heute keine Sanktionen für unberechtigte Impfungen in seiner Verordnung vorsieht“.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte die frühzeitigen Impfungen. „Keiner sollte sich vordrängen“, sagte er am Freitag in seiner Regierungserklärung im Landtag in München. Er warnte auch davor, sich von Dritten zu unberechtigten Impfungen überreden zu lassen. Es dürfe nicht sein, dass auf der einen Seite „sozusagen eher ein Büro komplett geimpft wird, anstatt die über 80-Jährigen, die es dringend brauchen und darauf warten“.

Mehrere Kommunalpolitiker hatten in den Tagen zuvor eingeräumt, dass sie bereits gegen Corona geimpft worden waren. Für Aufsehen sorgte etwa der Oberbürgermeister im sachsen-anhaltischen Halle, Bernd Wiegand (parteilos). Er hatte am Wochenende nach Fragen von MDR und „Mitteldeutscher Zeitung“ eingeräumt, dass er und zehn Stadträte bereits eine Impfung bekommen hatten. Auch der Landrat des Saalekreises, Hartmut Handschak (parteilos).

In Nordrhein-Westfalen waren schon im Januar mehrere Fälle von Kommunalpolitikern bekannt geworden, die deutlich früher als vorgesehen geimpft wurden. Unter anderem hatte sich der 31 Jahre alte Bürgermeister von Hennef, Mario Dahm (SPD), mit einer übrig gebliebenen Dosis impfen lassen. Ebenfalls schon geimpft ist der Bürgermeister von Wachtberg, Jörg Schmidt (CDU). Auch der ehemalige Hennefer Bürgermeister Klaus Pipke wurde bereits geimpft.

Auch in Bayern ließen sich mehrere Kommunalpolitiker verfrüht impfen. Sowohl der Landrat des Kreises Donau-Ries als auch der Oberbürgermeister der Kreisstadt Donauwörth haben bereits im Januar eine Impfung aus übrig gebliebenen Dosen erhalten. Beide Politiker gaben an, dass sie sich heute anders entscheiden würden. Die „Augsburger Allgemeine“ hatte außerdem aufgedeckt, dass auch der Augsburger Bischof Bertram Meier und sein Generalvikar Harald Heinrich schon geimpft wurden.

In Niedersachsen ließen sich der Landrat von Peine und sein Stellvertreter impfen - beide baten inzwischen dafür um Entschuldigung. Nach einem Bericht der „Lausitzer Rundschau“ wurden außerdem der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch und Ordnungsdezernent Thomas Bergner (beide CDU) geimpft, obwohl sie nicht oben auf der Prioritätenliste standen.

Nicht überall waren aber nur Politiker zu verfrühten Impfungen gekommen. Im rheinland-pfälzischen Koblenz nutzte die Feuerwehr, die dort das Impfzentrum betreibt, die Impfreste für das eigene Personal. Knapp die Hälfte der 127 Geimpften sei nicht Teil der ersten Prioritätsgruppe gewesen, teilte die Stadt mit. Hamburg impfte bis Ende Januar bereits 102 Feuerwehrleute und zwei Polizisten. Auch Mitarbeiter des Krisenstabes und der Gesundheitsbehörde sind in der Hansestadt schon geimpft worden, darunter auch die Staatsrätin für Soziales.

330 Polizisten wurden außerdem im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt im Rahmen eines Feldversuchs geimpft, fast 400 Polizistinnen und Polizisten haben bereits in Sachsen früher als erlaubt eine Schutzimpfung bekommen.

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