Nach dem Diebstahl und der Zerstörung einer Regenbogenflagge am Cannstatter Kulturzentrum Prisma wird am 30. Mai eine neue gehisst.
Von Sebastian Steegmüller
Stuttgart - Ein schwarz gekleideter Mann zieht auf dem Vorplatz des Cannstatter Bahnhofs an einer Zigarette. Gleichzeitig zückt er ein Messer und zerschneidet in aller Seelenruhe auf offener Straße eine Regenbogenflagge in mehrere Stücke, zwei Komplizen halten sie währenddessen auf Spannung. Kurz zuvor haben die drei Unbekannten das Zeichen für Toleranz und Akzeptanz vom Balkon des soziokulturellen Zentrums Prisma gestohlen. Dazu sind sie offenbar die Fassade der ehemaligen Schwaben-Bräu-Passage hochgeklettert.
Wie üblich bei möglicherweise politisch motivierten Straftaten hat der Staatsschutz der Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen. „Diese dauern an“, sagte Polizeisprecherin Daniela Treude am Mittwochmittag. Der eingangs beschriebene Ablauf der Tat, die sich vor knapp einem Monat ereignet hat, wird dementsprechend weder bestätigt noch dementiert. Er wird jedoch von mehreren Personen, die am Abend des 26. April vor Ort waren, bezeugt. Selbst Fotos von dem Trio wurden erstellt.
Die Bilder liegen nicht nur den Ermittlern als Beweismaterial vor, sondern auch den Prisma-Verantwortlichen. Letztere zeigen mit einem Statement zum „Nazi-Angriff“ nun klare Kante. Die Tatverdächtigen könne man einer rechtsextremen Gruppe zuordnen, sie seien wegen Körperverletzung und anderer Gewalttaten mehrfach vorbestraft, heißt es in der Mitteilung. Auch zu dieser Einschätzung äußert sich die Polizei mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht.
Dass dieser queerfeindliche Angriff trotz erhöhter Polizeipräsenz – zeitgleich lief das Stuttgarter Frühlingsfest – möglich gewesen sei, zeige, dass rechtsextreme Gruppierungen immer offener, mutiger und gewaltbereiter auftreten würden. „Unsere gelebte Vielfalt und die Haltungen, für die das Prisma steht, sind diesen Menschen ein Dorn im Auge. Nazi-Symbole und antisemitische Schmierereien gehören leider schon länger zu unserem Alltag. Doch dieser jüngste Angriff markiert eine neue Eskalationsstufe. Es war ein symbolischer Akt der Machtdemonstration, den werden wir nicht unbeantwortet lassen. Die hart erkämpften Fortschritte in Diversität, Gleichberechtigung und solidarischen Lebensformen, die hier gelebt, ausgehandelt und erprobt werden, müssen jetzt mehr denn je verteidigt werden“, so die Prisma-Verantwortlichen.
Deshalb lädt Prisma am Freitag, 30. Mai, um 17.30 Uhr, dazu ein, mit einer öffentlichen Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz ein Zeichen der Solidarität zu setzen und eine neue Pride-Flagge zu hissen. „Sie wird auf jeden Fall größer sein als die alte“, sagt eine Sprecherin des Kulturzentrums. Prisma sei gegründet worden, um in Stuttgart Kultur- und Communityangebote für all jene zu schaffen, die vielfältige und diskriminierungsarme Räume suchen. „Unsere Veranstaltungen sind so divers wie die Menschen, die sie organisieren – und genau das macht uns zum Ziel rechter Gruppen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Unsere Antwort auf Hass sind Sichtbarkeit, Zusammenhalt und gelebte Solidarität.“