Zeitenwende für Geheimdienste

Neben der Bundeswehr müssen auch andere Sicherheitsbehörden gestärkt werden.

Von Eidos Import

Die Sicherheit Deutschlands werde auch in Afghanistan verteidigt, hieß es einmal. Nun blicken wir auf die Ukraine. Doch es gäbe auch hierzulande einiges zu tun: Drohnen spähen Militäranlagen aus, ohne dass Polizei oder Bundeswehr das zu verhindern wüssten. Cyberangriffe legen Unternehmen und öffentliche Institutionen lahm. Russische Desinformationskampagnen zielen darauf ab, die deutsche Öffentlichkeit zu verunsichern. Extremisten aller Couleur finden mehr Zulauf denn je. Islamisten werben im Internet und auf israelkritischen Demos Nachwuchs an. Spione und Saboteure treiben ihr Unwesen wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Höchste Zeit, die Sicherheit Deutschlands in Deutschland selbst besser zu verteidigen.

Dazu bedürfte es einer Zeitenwende bei den Geheimdiensten – vergleichbar der beim Militär. Auf dem Papier leisten wir uns da mehr als die meisten anderen Staaten: Der Bundesnachrichtendienst wacht über globale Krisenherde und Bedrohungen aus dem Ausland. Das Bundesamt und 16 Landesämter für Verfassungsschutz sind mit Personen und Gruppen beschäftigt, die unsere Demokratie gefährden. Dazu kommt der Militärische Abschirmdienst, der Spione, Saboteure und Extremisten im Visier hat, die auf dem Terrain der Bundeswehr ihr Unwesen treiben. Alles in allem umfasst diese klandestine Truppe mehr als 15 000 Agenten, Techniker, Abhörspezialisten und weiteres Personal.

Dennoch gibt es fatale Schwächen. Laut Bundeskriminalamt waren deutsche Sicherheitsbehörden bei fast der Hälfte aller vereitelten Anschläge auf fremde Hilfe angewiesen. Der BND hat von der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und vom Einmarsch der Russen in der Ukraine erst erfahren, als sie schon im Gange waren. Der Geheimdienstexperte Jan-Hendrik Dietrich von der Bundeswehr-Universität in München beklagt „eklatante Mängel“ in der Spionageabwehr. Vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg 2024 gab es 105 Hinweise an Sicherheitsbehörden – dennoch konnte er nicht verhindert werden.

Offenkundig ist eine Reform der Sicherheitsarchitektur überfällig. Dazu gehört auch die Frage, ob wir wirklich 17 Verfassungsschutzbehörden brauchen und wie die verschiedenen Dienste miteinander kommunizieren. Prekär ist die Abhängigkeit von Informationen aus dem Ausland – vor allem aus den USA. Da auf deren Bündnistreue nicht mehr hundertprozentig Verlass ist, könnte sich das als offene Flanke erweisen.

Die Arbeit der deutschen Geheimdienste ist defizitär, aber nirgendwo sonst auf der Welt stehen solche Institutionen unter intensiverer Kontrolle und strikteren Vorgaben – etwa durch das Bundesverfassungsgericht. Das mag aus rechtsstaatlicher Sicht vorbildlich erscheinen, kann sich aber als Sicherheitsmanko erweisen. Selbst der Grüne Konstantin von Notz, der das Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste leitet, wirbt dafür, diese besser auszurüsten und ihre Befugnisse zu stärken.

Die neue Regierung hat sich da einiges vorgenommen, bleibt bisher aber verhalten. Was im Koalitionsvertrag aufgelistet ist, muss schleunigst umgesetzt werden, da die Sicherheitsbehörden hier ohnehin den Möglichkeiten ihrer staatsfeindlichen Gegner hinterherhecheln: Vorratsdatenspeicherung, automatisierte Analyse von Massendaten auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz, verbesserter Datenaustausch. Darüber hinaus wäre zu prüfen, wo Genehmigungsvorbehalte und Datenschutzauflagen die nationale Sicherheit gefährden. Es gäbe viel zu tun. Wann fangen die Verantwortlichen endlich damit an?