Zeltunterkunft für 300 Geflüchtete auf Backnanger Sportplatz

Auf dem Sportplatz des Beruflichen Schulzentrums Backnang entstehen seit gestern vorübergehende Notunterkünfte für Geflüchtete, um dem sprunghaften Anstieg an Flüchtlingszahlen entgegenzuwirken. Die Zelte sollen allerdings nur im Notfall belegt werden.

Zeltunterkunft für 300 Geflüchtete auf Backnanger Sportplatz

Auf der Wiese neben der Sporthalle des Beruflichen Schulzentrums Backnang sollen demnächst mehrere Zelte als Notunterkunft für Geflüchtete aufgebaut werden. Foto: Tobias Sellmaier

Von Kristin Doberer

Backnang. Die Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg sind in den vergangenen Wochen und Monaten sprunghaft angestiegen. Im Ländle leben laut Migrationsministerium gerade so viele Geflüchtete wie seit sechs Jahren nicht mehr. Viele davon – Ende Juli waren es etwa 112600 – kommen aus der Ukraine. Doch weiterhin suchen auch Asylbewerberinnen und -bewerber aus anderen Ländern Zuflucht. Durch den Anstieg wird der Platz in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes langsam eng, bereits vor etwa einer Woche hat das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe überraschend erhebliche Zuweisungen für die Landkreise angekündigt und die kurzfristige Schaffung weiterer Notfallkapazitäten eingefordert (wir berichteten).

Die Zeltunterkunft soll ab Mitte September nutzbar sein

Dem kommt der Rems-Murr-Kreis nun mit dem Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft auf dem Sportplatz des Beruflichen Schulzentrums in Backnang nach. Seit gestern entstehen hier in enger Absprache mit der Stadt Backnang drei beheizbare Wohnzelte mit abgetrennten Wohneinheiten für jeweils vier bis sechs Personen, in denen insgesamt Platz für rund 300 Personen sein soll. Zusätzlich wird es zwei Kochzelte, getrennte Sanitärcontainer sowie zwei Waschmaschinenzelte geben.

„Die Flüchtlingsunterkunft in Backnang ist die erste von weiteren Notunterkünften im Landkreis und wird voraussichtlich ab Mitte September nutzbar sein“, teilt eine Sprecherin des Landratsamts mit. Die Nutzungsdauer ist bis voraussichtlich Juli 2023 geplant. „Für Landrat Richard Sigel bleibt die Flüchtlingsunterbringung in Zelten eine Notlösung. Dennoch hat sich die Kreisverwaltung dazu entschlossen, auf dem Gelände des Beruflichen Schulzentrums Backnang drei Zelte zu errichten. Dadurch wird bei kurzfristigen Zuweisungen von Flüchtlingen eine schnelle Unterbringung möglich“, so die Pressesprecherin weiter. In den Zelten würden dann vor allem diejenigen Geflüchteten untergebracht werden, die der Kreis vom Land zugewiesen bekommt. Das seien aktuell überwiegend Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch Geflüchtete aus anderen Ländern.

Auf dem Sportplatz gibt es noch Anschlüsse einer früheren Unterkunft

Da der Sportplatz bereits 2016 als Notstandort beziehungsweise Zeltstandort diente (siehe Infokasten), fiel die Entscheidung nun wieder darauf. Denn die damals verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen, die nie zurückgebaut wurden, können dabei zum Großteil wieder genutzt werden. „Dadurch geht der Aufbau schneller und einfacher. Das war der naheliegendste Standort dafür“, sagt Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha.

Dass auf dem Platz neben der Sporthalle nun eine Notunterkunft in Zelten entsteht, habe die Stadt Backnang auch erst vor einer Woche erfahren. Janocha ist aber froh, dass nicht erneut die Turnhalle des beruflichen Schulzentrums belegt wird, was 2015 und 2016 der Fall war. „Durch den anstehenden Abbruch der Karl-Euerle-Halle haben wir ohnehin ein großes Problem. Dadurch haben wir praktisch nur Notsportbetrieb“, sagt Janocha. Denn der Sportunterricht muss auf die verbleibenden Sporthallen sowie einen neuen Gymnastikraum im Max-Born-Gymnasium und eine angemietete Tennishalle in Oppenweiler aufgeteilt werden. Eine erneute Notunterkunft in der Sporthalle „hätte uns nur noch mehr eingeschränkt“. Außerdem handle es sich bei den Zelten nicht um Campingzelte, sondern große und beheizte Zelte, versichert er.

Bei den Zelten handelt es sich um eine reine Notlösung

Auch das Landratsamt wollte vermeiden, Turnhallen zu füllen. „Gerade nach zwei Jahren der Pandemie soll es den Schülerinnen und Schülern oder den Vereinen nicht erschwert werden Sport auszuüben“, so die Pressesprecherin. Landrat Sigel betont zwar, dass es sich bei den Zelten um eine reine Notlösung handelt, doch Janocha befürchtet, dass die Zeltunterkünfte – anders als 2016 – in diesem Winter tatsächlich gebraucht werden könnten. Denn auch bei der Stadt Backnang habe man den starken Anstieg der Flüchtlingszahlen bemerkt. Aktuell sind in Backnang etwa 900 Flüchtlinge untergebracht, knapp 300 kommen aus der Ukraine. Zwar sei es überwiegend gelungen, die Ukrainer privat unterbringen zu können, doch das gestalte sich mittlerweile auch immer schwieriger, sagt Janocha.

Parallel zur Errichtung der Notunterkünfte stehe für den Landkreis die Schaffung langfristiger Unterbringungsmöglichkeiten im Fokus. Zusammen mit der Kreisbaugruppe intensiviere der Kreis seine Bemühungen, noch mehr langfristige Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen, so die Pressesprecherin des Landratsamts. Doch das nehme häufig mehr Zeit in Anspruch, wie auch die Stadt Backnang sehr gut weiß. So wurde bereits im April der Bau von zwei Gemeinschaftsunterkünften beschlossen, unter anderem soll in der Öhringer Straße ein Containerbau entstehen. Doch mit Baugenehmigungen, Planungen, Lieferzeit und letztlich dem Aufbau werde diese Unterkunft wohl erst gegen Ende des Jahres zur Verfügung stehen, erklärt der Erste Bürgermeister. Selbst mit Containern sei eine schnelle und kurzfristige Reaktion auf die sprunghaft angestiegenen Flüchtlingszahlen also kaum möglich.

Auch Waiblingen muss aufstocken: Turnhalle wird zu Notunterkunft

In weiteren Städten und Gemeinden arbeitet der Rems-Murr-Kreis aktuell mit Hochdruck an neuen Unterbringungsmöglichkeiten. In einem ersten Schritt schafft der Landkreis deshalb kurzfristig Notfallplätze. Diese sollen über die Sommerferien insbesondere in Turnhallen zur Verfügung stehen. Da die Zeltunterkunft in Backnang erst ab Mitte September fertig aufgebaut sein wird, werden kurzfristig in der Sporthalle des Beruflichen Schulzentrums Waiblingen 300 Plätze geschaffen. Innerhalb von zwei Tagen wird die Halle mit Betten und Spinden ausgestattet, zusätzlich entsteht ein Gemeinschaftsbereich mit Tischen und Stühlen. Die Verpflegung der Flüchtlinge wird über die benachbarte BBW-Halle sichergestellt. Die Halle steht ab Freitag zur Unterbringung zur Verfügung, allerdings nur bis zum Ende der Sommerferien. Bis dahin sollen die Zelte in Backnang fertig aufgebaut sein und als „längerfristige Notfallkapazitäten zur Verfügung“ stehen, so das Landratsamt. Außerdem wird das Ankunftszentrum in Waiblingen um zusätzliche 48 Plätze aufgestockt.

Vorübergehende Flüchtlingsunterbringung

Historie Das ist nicht das erste Mal, dass auf dem Sportplatz am beruflichen Schulzentrum Zeltunterkünfte für Geflüchtete entstehen. Bereits 2016 wurde ein beheiztes Zelt mit Platz für bis zu 150 Menschen aufgestellt. Belegt wurde es damals allerdings nicht, auch weil zusätzlich in der Sporthalle des beruflichen Schulzentrums eine Notunterkunft eingerichtet worden war.

Sporthalle In der Sporthalle des beruflichen Schulzentrums dagegen waren von März 2015 bis Juli 2016 bis zu 100 Geflüchtete untergebracht. Für die Schule bedeutete das damals einen großen logistischen Aufwand, dass der Sportunterricht stattfinden konnte. Das Zelt auf dem Sportplatz blieb noch einige Zeit stehen, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

Zeltunterkunft Kirchberg Tatsächlich genutzt werden musste 2016 die Zeltunterkunft in Kirchberg an der Murr, damals die erste solche Notunterkunft im Kreis. Sie bestand aus einem Zelt und 15 Sanitär- und Küchencontainern. Dort wurden insgesamt 97 Personen untergebracht. Das Zelt wurde nur wenige Monate genutzt, bis Umbauten im benachbarten Gebäude fertig waren.