Zeuge schildert Tritt gegen den Kopf

Nach Zeugenaussagen waren möglicherweise die Angeklagten bei ihrem Vorgehen nicht zimperlich – Angeklagte schweigen

Zeuge schildert Tritt gegen den Kopf

Die Verhandlung wird in der nächsten Woche fortgesetzt. Foto: R. Tavani

Von Hans-Christoph Werner

STUTTGART/BACKNANG. Entspannt dreinblickend betreten auch am vierten Verhandlungstag die drei Angeklagten den Gerichtssaal. Die Handschellen tragen sich wie ein Schmuckstück am Handgelenk. Kurzer Small Talk mit den sie begleitenden Justizbeamten wegen des Sitzplatzes. Während der Verhandlung tragen alle drei ein Headset. So bekommt jeder die Übersetzung des Dolmetschers mit. Samir (Name geändert) notiert mitunter etwas. Unbewegt bleiben die Mienen der Angeklagten bei den Zeugenvernehmungen. Dabei war der vierte Verhandlungstag dazu angetan, Stirnrunzeln zu verursachen.

Eine 57-jährige Yogalehrerin sagt aus. Sie hat eine Zeit lang die Flüchtlingsfamilie betreut, auf die es die drei Angeklagten wegen ausstehender Zahlungen abgesehen hatten. Die Mutter der Familie war mit dem jüngsten Kind als Erste in Deutschland eingetroffen. Mit ihren beiden größeren Söhnen, die sich noch auf der sogenannten Balkanroute befanden, hielt sie Kontakt. Als Letztere aus Geldmangel nicht mehr weiterkamen, überwies die Mutter 1200 Euro. Das Geld hatte die Familienfrau eigentlich zur Begleichung der Miete erhalten.

Als die Söhne schließlich in Deutschland eingetroffen waren, wurden die Angeklagten in wechselnden Besetzungen bei der Familie vorstellig. Wie schon an den Verhandlungstagen zuvor erwähnt, waren während der Flucht Schlepperdienste in Anspruch genommen worden. 100 oder auch 200 Euro waren da noch offen. Die Angeklagten gingen offenbar davon aus, dass das Geld ihnen zustand. Was da und mit wem in Bosnien wegen des weiteren Fluchtwegs verhandelt wurde, ließ sich bisher nicht aufklären.

Da eine gütliche Einigung bei einer Tasse Tee über die ausstehende Summe offenbar nie versucht wurde, die Schuldner zum Teil auf später vertrösteten oder die Forderung nicht anerkannten, verliehen die Angeklagten ihren Forderungen Nachdruck. Dadurch, dass sie, so zumindest die Anklage, zuschlugen. Scheinbar haben die Angeklagten ihre Forderungen sehr energisch vorgebracht, denn die Familie, so die Zeugin, fiel in Angst und Bang. Der Schulbesuch der Söhne, ja sogar das Einkaufen wurde unterlassen aus Angst, es könnte wieder zu einer unguten Begegnung kommen. Die Zeugin und Betreuerin wandte sich für die Familie an die Polizei. Aber diese konnte leider keinen Geleitschutz beim Gang zur Schule oder zum Discounter anbieten.

Noch schwerer wiegen Zeugenaussagen zum Vorfall, der sich am Backnanger Adenauerplatz zutrug. Während die Mutter beim Arzt weilt, betreut der 25-jährige Sohn der Familie seine kleine Stiefschwester auf dem Adenauerplatz. Da ist ein kurviger Wasserlauf angelegt mit kleinen Brücken, ein idealer Ort, sich die Zeit zu vertreiben. Unvermutet tauchen die Angeklagten Samir und Yusuf (Name geändert) auf. Und es ist klar, was sie wollen: das Geld. Aber weil es dieses nicht gibt, kommt es wieder zu Handgreiflichkeiten.

Verhandlung wird in der kommenden Woche fortgesetzt

Ein Paar, beide 54 Jahre alt, das zu dem Zeitpunkt mit dem Auto auf der Stuttgarter Straße unterwegs ist, kommt am Zebrastreifen zum Stehen. Bekanntlich staut sich der Verkehr von der Ampelanlage an der Einmündung in die Obere Bahnhofstraße her oft zurück. Das Paar beobachtet, wie drei Personen vom Adenauerplatz über den Zebrastreifen rennen. Der erste kommt, auf dem Gehweg angekommen, zu Fall. Oder wird eventuell zu Fall gebracht. Der erste Verfolger bearbeitet ihn sofort mit Fußtritten. Die Zeugen erschrecken über diese Beobachtung. Sie scheucht ihn aus dem Wagen. Er tut das auch, nähert sich den Schlägern und ruft „Es reicht!“.

Er kann noch beobachten, dass einer der Beteiligten mit einem Tritt gegen das Gesicht des Gestürzten schlägt. Der in gekrümmter Haltung am Boden Liegende bleibt vor größerem Schaden bewahrt, da er sich die Hände schützend vors Gesicht hält. Dann ist es auch schon vorbei. Beide Täter machen sich auf und davon. Das heißt: Einer kehrt nochmals zurück. Der Zeugin wird himmelangst. Geht das brutale Zuschlagen weiter? Aber offenbar hat der Täter irgendetwas verloren. Mit einem Handy in der Hand sehen die Zeugen ihn davonlaufen. Die Richterin fordert den Zeugen auf, die Angeklagten zu mustern. Kann er die Beteiligten wiedererkennen? Er ist sich nicht ganz sicher, aber Yusuf könnte dabei gewesen sein.

Auch andere Passanten, die an diesem April-Nachmittag des Jahres am Adenauerplatz unterwegs waren, haben die Sache möglicherweise beobachtet. Aber bis die Polizei eintrifft, sind es nur noch drei Personen, die Angaben machen. Die anderen haben ihren Weg fortgesetzt. Dem im Auto vorbeikommenden Zeugenpaar ist bei der Aussage vor Gericht anzuspüren, dass ihre Beobachtung sie betroffen und traurig gemacht hat.

Und irgendwie wäre es vielleicht an der Zeit, dass die Angeklagten dazu etwas sagen. Auch die Vorsitzende Richterin empfindet so. Sie kündigt noch kurz das Programm des nächsten Verhandlungstages an. Und spricht die Verteidiger an: Ob es nicht an der Zeit wäre. Die sagen zu: Es wird an einem der nächsten Verhandlungstage Verteidigererklärungen im Namen der Angeklagten geben. Die Verhandlung wird in der nächsten Woche fortgesetzt.