Zeugin gerät in Mordfall unter Verdacht

Staatsanwältin zieht Beteiligung beim Beseitigen der Leiche Katharina K.s in Betracht  –  Tankstellenmitarbeiter belasten Daniel E.

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Der Verdacht gegen eine Zeugin wog am zweiten Verhandlungstag im Prozess um den Mord an der 22-jährigen Katharina K. gestern vor dem Stuttgarter Landgericht schwer. „Haben Sie Daniel E. geholfen, die Leiche wegzuschaffen?“, fragte Staatsanwältin Föll die junge Frau. Die ganze Vernehmung über hatte diese mit den Tränen zu kämpfen, nun brach sie völlig zusammen, versuchte zu erklären und brachte letzten Endes ein verzweifeltes „Nein“ hervor. Hiernach setzte Richter Uwe Tetzlaff eine Pause an.

Die Zeugin, eigenen Aussagen zufolge eine „gute Bekannte“ des Angeklagten Daniel E., wurde im Verlaufe ihrer Vernehmung sowohl von der Staatsanwältin als auch von den Anwälten der Nebenklage eindringlich befragt. „Ich glaube der Zeugin nicht“, erklärte Föll, als selbst der Vorsitzende Richter ihr Einhalt gebieten wollte. Besonders unglaubwürdig erschien den Anwälten, dass die junge Frau die zahlreichen merkwürdigen Ereignisse in der Tatnacht vom 8. auf den 9. November 2017 einfach nicht hinterfragt zu haben scheint.

Der 25-jährige Angeklagte habe zu diesem Zeitpunkt bei ihr gewohnt, gab die Zeugin zu. Es habe jedoch keine Liebesbeziehung zwischen ihnen beiden bestanden, sie seien nur „gute Kumpel“ gewesen. Am Abend des 8. Novembers habe Daniel E. sie gebeten, mit seinem VW Transporter nach Stuttgart zu fahren, um eine Ladung aufzunehmen. Diese gedachte der Kurierfahrer dann am selben Abend noch nach Kassel auszuliefern. Seiner Bitte leistete die Freundin Folge, obwohl sie nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte. Sie sei schon öfters mit E. unterwegs gewesen und habe das Steuer übernommen. Allein habe er sie aber noch nie losgeschickt. E. hatte offenbar erklärt, es gehe ihm nicht gut. Außerdem wolle er noch etwas erledigen, unter anderem einen Spiegelschrank für seine Ex-Freundin Katharina K. in deren Wohnung in Backnang anbringen.

Die Zeugin fuhr also los, um die Ware einzuladen. Sie habe sich dann mit E. an einem Park & Ride Platz in Mundelsheim treffen wollen, gemeinsam wollten sie dann nach Kassel fahren. Am Parkplatz angekommen, habe sie jedoch einen Anruf vom 25-Jährigen bekommen, in dem er sie bat, nach Backnang zu fahren. Ohne dass E. Gründe hierfür angab, leistete die junge Frau Folge. Vor Ort soll Daniel E. einen Schlüssel aus dem VW geholt haben, während die Zeugin rauchte. Dann forderte er die 27-Jährige offenbar auf, allein nach Kassel zu fahren. Er selbst müsse auf die Kinder aufpassen, denn Katharina K. wolle noch ausgehen, sagte er demnach. Ihr drohe zudem eine Strafe, wenn sie die Ware nicht wie vereinbart ausliefere, soll er ihr klargemacht haben. Ohne allzu viel Gegenwehr gehorchte die Frau auch dieses Mal – ein Sachverhalt, der nicht nur der Staatsanwältin merkwürdig erschien. „Sind Sie Herrn E. hörig?“, fragte auch der psychiatrische Gutachter Peter Winckler. Die Zeugin verneinte auch hier. Sie habe aus Angst vor einer Geldstrafe gehandelt. Dass sie sich auch durch das Fahren ohne Fahrerlaubnis strafbar machte, sei ihr offenbar als kleineres Übel erschienen.

Und es blieb nicht bei dieser Fahrt. Im Laufe des folgenden Tages und der Nacht verlangte Daniel E. demnach noch öfters, dass sie für ihn Fahrten übernimmt. So sei sie auch den Mercedes SUV des Angeklagten gefahren, zeitweise sogar mit dem ältesten Sohn Katharina K.s auf dem Rücksitz. Bei einer Gelegenheit sollte sie Daniel E. in Oberstenfeld abholen, weil dieser dort seinen VW Crafter abgestellt hatte. Dass die Zeugin den Angeklagten wegen all dieser merkwürdigen Handlungen nicht stellte, wollte Staatsanwältin Föll nicht hinnehmen. Ebenso wenig die Aussage der Zeugin, sie habe in zahlreichen Telefonaten mit E. in der Tatnacht nichts von Belang besprochen und sie wisse auch nicht, wie die Trennung zwischen Daniel E. und Katharina K. abgelaufen sei. „Sie teilen sich eine Wohnung, liegen gemeinsam im Bett, aber bei so etwas wissen Sie nichts?“, fragte Föll ungläubig. Und in einem 35-minütigen Gespräch soll nicht einmal zur Sprache gekommen sein, warum Katharina K. an jenem Abend das Haus verlassen haben soll. Die Zeugin verwies ein ums andere Mal darauf, dass sie Daniel E. vertraut habe und er immer sehr zurückhaltend mit Informationen über sein Privatleben gewesen sei. „Ich hasse dieses Arschloch“, stieß sie später aus.

Nachbarn haben in der Tatnacht einen lauten Schlag gehört

Befragt wurden unter anderem auch die Nachbarn von Katharina K. und Daniel E. Das Paar in der Wohnung darunter gab etwa an, am Tatabend des 8. November einen lauten Schlag gehört zu haben. „Als wäre ein großes Möbelstück umgefallen“, beschrieb es der Mann. Beide hätten sich sehr erschrocken. Seine Frau habe noch etwas geäußert wie „Jetzt fliegt uns gleich die Decke auf den Kopf“. Nachgeschaut, was passiert war, hätten sie jedoch nicht. Am nächsten Tag habe Daniel E. am Vormittag gefragt, ob er den kaputten Rasenmäher des Paars mit zur Mülldeponie nehmen solle. Der 25-Jährige entsorge dort öfters Dinge, gaben die Nachbarn an, und nehme auf Nachfrage auch den Schrott anderer mit. Dass er dies von sich aus anbot, sei aber noch nie vorgekommen.

Den Rasenmäher habe Daniel E. Monate zuvor schon einmal entsorgen wollen, auf der Deponie sei dieser aber abgelehnt worden, weil er noch Kraftstoff im Tank hatte. Nachdem das behoben wurde, hätten er und E. das kaputte Gerät in den weißen Sprinter des Angeklagten gestellt. E. habe danach noch weitere Gegenstände eingeladen, unter anderem eine große Dachbox fürs Auto. Diese sei schon am Vortag aus dem Hausflur entfernt worden, will eine andere Nachbarin beobachtet haben. Ob die Dachbox leer war, konnte aber keiner der Nachbarn sagen. Aufgefallen ist ihnen nur, dass später auch zwei Mülltonnen der Hausgemeinschaft verschwunden waren.

Belastend für den Angeklagten erwiesen sich auch die Aussagen der Leiterin einer Marbacher Tankstelle sowie eines Angestellten. Beide gaben an, Daniel E. am frühen Donnerstagmittag angetroffen zu haben. Er sei ein regelmäßiger Kunde, dass der 25-Jährige zum Tanken kam war nichts Ungewöhnliches. Wohl aber, dass er sich zwei Fünf-Liter-Kanister auslieh. Er habe angegeben, damit den Tank des Rasenmähers, den er auf der Mülldeponie entsorgen wollte, zu leeren, erzählte der Angestellte. Kurz bevor ihm diese ausgehändigt wurden, habe Daniel E. dann Handschuhe angezogen – auch das sei für ihn unüblich gewesen, stimmten beide Mitarbeiter überein. „Typische Speditionshandschuhe“, habe er an jenem Tag übergezogen. Die Bilder der Überwachungskamera zeigen Daniel E. in der Folge, wie er die Kanister mit Dieselkraftstoff befüllt. Besonders brisant ist dieses Detail, da die Leiche von Katharina K. verkohlt aufgefunden wurde.