Zeugin im Dreifachmord-Prozess: „Vater hat uns terrorisiert“

dpa/lsw Ellwangen. Ihr Ehemann wurde ermordet, später auch ihr neuer Lebensgefährte. Als Hauptangeklagter sitzt der Vater der 35-jährigen Verkäuferin auf der Anklagebank. Nach ihrer Aussage legt ein Bruder ein Geständnis ab.

Zeugin im Dreifachmord-Prozess: „Vater hat uns terrorisiert“

Der angeklagte Vater (M.) mit seinen Söhnen (l. und 2. v. r.) im Landgericht in Ellwangen. Foto: Stefan Puchner/dpa

Die Tochter des Hauptangeklagten im Ellwanger Dreifachmord-Prozess hat ihren Vater am Donnerstag als brutalen Familientyrannen geschildert. Als Kind sei sie von ihm missbraucht worden, berichtete die heute 35 Jahre alte Verkäuferin - unter Tränen und ohne ihren nur wenige Meter entfernt sitzenden Vater auch nur einmal anzuschauen.

Sie und ihre heute 33 Jahre und 31 Jahre alten Brüder seien gnadenlos zu widerspruchslosem Gehorsam gezwungen worden, schilderte sie bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Gerhard Ilg. „Er hat uns schon als kleine Kinder terrorisiert, mit Gürtel und Schlauch geschlagen, an den Haaren gepackt. Wir haben alles gemacht, was er gesagt hat.“

Einmal habe der Vater einen ihrer Brüder mit einem Stuhl zusammengeschlagen. „Die Mutter hat immer zugeschaut, sie hat uns nicht geholfen.“ Sie sei zwölf Jahre alt gewesen, als der Vater sich an ihr vergangen habe. „Er hat mich aus dem Kinderzimmer geholt und mich ausgezogen.“ Der Richter ersparte ihr die öffentliche Schilderung von Einzelheiten. Später habe der Vater ihr Schläge angedroht, wenn sie mit jemandem über den sexuellen Missbrauch spreche.

Dem Vater wird in dem am Dienstag eröffneten Prozess vor dem Landgericht Ellwangen vorgeworfen, den Ehemann und später den neuen Lebensgefährten seiner Tochter erwürgt zu haben. Bei dem zweiten Mord sollen ihm beide Söhne geholfen. Zudem soll der Angeklagte mit Hilfe seines 33-jährigen Sohnes aus Habgier einen Geschäftsmann ermordet und bestohlen haben.

Alle drei Morde wurden laut Anklage in Sontheim an der Brenz verübt. Die drei Angeklagten und die Tochter beziehungsweise Schwester gehören zu einer italienischen Familie, die seit vielen Jahren in Baden-Württemberg lebt.

Seinen Schwiegersohn - einen türkischer Staatsbürger, der als ungelernter Schlosser in Heidenheim arbeitete - soll der Vater mit vorgehaltener Pistole zur Unterzeichnung der Papiere zur Heirat mit seiner Tochter gezwungen haben. Der streng katholische Vater habe wie wildgeworden darauf reagiert, dass sie von dem Muslim schwanger war, schilderte die Frau. Nach der erzwungenen standesamtlichen Eheschließung habe ihr Vater die muslimische Familie seines Schwiegersohns unter Drohungen gezwungen, an der Trauung in einer katholischen Kirche teilzunehmen.

Laut Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte den Ehemann der Tochter im Februar 2008 erwürgt, rund drei Jahre nach der Geburt ihres ersten Sohnes. Als Tatmotiv nannte die Behörde, der Vater sei „gegen die Beziehung seiner Tochter zu dem türkischen Staatsangehörigen muslimischen Glaubens“ gewesen und habe sich nicht damit abfinden wollen.

Sechs Jahre später soll der Vater mit seinen Söhnen den neuen Lebensgefährten der Tochter umgebracht haben. Als Tatmotiv gilt in diesem Fall, dass dieser Mann die Frau und deren zwei Söhne wieder brutal misshandelte. Die Leiche des Opfers wurde laut Anklage mit einer Kettensäge zerteilt und in Fässern unweit des Geburtsortes des Angeklagten auf Sizilien in einem Wald abgeladen. Auch das dritte Opfer wurde zersägt. Dessen Leichenteile fanden Ermittler im Garten des Hauptangeklagten, wodurch der Fall im Frühsommer 2019 ins Rollen kam.

Dass er an diesem Mord im Mai 2019 beteiligt gewesen war, gestand der 33-Jährige am Donnerstag vor Gericht. Der Vater und er hatten die Tat demnach sorgfältig geplant. Von dem 59 Jahre alten Opfer wurden unter Androhung brutaler Gewalt Unterschriften unter Dokumente erpresst, mit denen die Täter gegenüber den Erben des 59 Jahre alten Mannes „beweisen“ wollten, ihm 130 000 Euro für ein Grundstück gezahlt zu haben. Das Opfer sei an einen Stuhl gefesselt und mit zwei Seilen am Hals gewürgt worden. Dann hätten Vater und Sohn ihm eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und sie mit Klebeband abgedichtet. Daraufhin sei der Mann erstickt.

Von den drei Bluttaten hatte die Tochter der Familie bis zum Beginn der Mordermittlungen nach eigenen Angaben keine Ahnung. Im Fall ihres „verschwundenen“ Ehemanns habe ihr Vater gesagt, dieser habe sich in die Türkei abgesetzt und sie und die Kinder im Stich gelassen. „Er hat mir Schläge angedroht und mich gezwungen, die Scheidung einzureichen.“ Ähnlich sei der Mord an ihrem Lebensgefährten verschleiert worden. Seit drei Jahren lebt die Frau nach eigenen Angaben mit einem neuen Mann zusammen. Zwischen ihm und dem Vater habe es bislang keine Probleme gegeben.