„Zu Hause will unsniemandsingen hören“

Von Stuttgart aus hat Catherine Naglestad Weltkarriere gemacht – jetzt kommt sie als Tosca zurück

Interview - Was ist eigentlich eine Diva? Wie lebt sie, wie wird sie mit dem Älterwerden fertig, wo fühlt sie sich zu Hause? Der Sopranistin Catherine Naglestad kann man viele Fragen stellen. Die meisten beantwortet sie mit einem langen, glockenhellen Lachen.

Stuttgart

Frage: Frau Naglestad, letztes Jahr habe ich Sie bei den Münchner Opernfestspielen gehört: als Carlotta in Schrekers „Gezeichneten“.

Antwort: O Gott . . .

Frage: Sollen wir darüber reden?

Antwort: Nein, müssen wir nicht.

Frage: Sie haben in München toll gesungen. Eine wundervolle, klare Höhe. Dabei sind Sie ja mittlerweile keine dreißig mehr.

Antwort: Nein, auch keine vierzig (lacht).

Frage: Wie schaffen Sie es, Ihre Qualität zu halten? Mit guter Technik? Ökonomie? Oder nur mit einer guten Work-Life-Balance?

Antwort: Es ist reine Technik. Wobei ich auch immer darum kämpfe, dass zwischen Proben genug Zeit zum Erholen ist. Wenn ich in Probenzeiten abends erst um zehn oder elf Uhr zu Hause bin und am nächsten Morgen wieder früh raus muss, dann schaffe ich das nicht mehr so gut wie früher.

Frage: Und die Wechseljahre?

Antwort: Da muss man einiges umstellen. Es ist Glückssache, ob man das schafft, aber mit guter Technik gelingt vieles. Man muss allerdings hart arbeiten, das kostet viel Zeit.

Frage: Achten Sie auch darauf, dass Sie weniger Engagements annehmen?

Antwort: Das fängt jetzt an. Ich habe es seit zehn Jahren mehr oder weniger immer wieder angekündigt, aber nie geschafft. Dann hatte ich vor zwei Jahren ernsthafte gesundheitliche Probleme, musste sogar mein Debüt an der Met absagen. Zum Glück habe ich mich wieder vollständig erholt! Ich gebe auf der Bühne sehr viel – wenn ich dabei bin, dann bin ich voll dabei. Aber ich muss zwischendurch Kraft schöpfen. Ich bin aber dankbar, dass ich noch singe – und das hoffentlich noch lange: Ich habe schon jetzt Verträge bis 2022.

Frage: Sind auch neue Partien dabei?

Antwort: Natürlich. Das brauche ich.

Frage: Was machen Sie, wenn Sie zwischendurch ein, zwei Monate Pause haben?

Antwort: Oh, das weiß ich nicht, ich fange ja erst an … Wir machen bald wieder ein Interview, dann kann ich Ihnen die Frage beantworten. Vielleicht. Hoffentlich . . . (lacht lange)

Frage: Sie haben mal mit der Konstanze in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ begonnen. Jetzt singen Sie Salome und Sieglinde. Wo ist Ihre Stimme gerade zu Hause?

Antwort: Ich habe immer die Balance gesucht, um die Stimmbänder flexibel und gesund zu halten. Heute pendle ich zwischen Verismo und Wagner.

Frage: Tosca ist Ihre Paradepartie geworden . . .

Antwort: Ja, das ist lustig. Ich musste damals hier in Stuttgart für die Partie vorsingen, und dann entschied man sich für mich mit dem Satz, man wolle mir eine Chance geben. Ich war sehr dankbar, habe aber die Partie nur als Versuch gesehen. Jetzt aber ist die Tosca so etwas wie mein Fixstern oder mein Korrektiv: Wenn ich sie singe, spüre ich sofort, wo ich stehe, woran ich arbeiten muss.

Frage: Mögen Sie Willy Deckers Inszenierung?

Antwort: Ich war überrascht, wie viel ich vergessen hatte – wahrscheinlich auch, weil ich schon sehr viele „Tosca“-Inszenierungen erlebt habe. Aber ich fühle mich gut hier. Vor zwanzig Jahren hat es mich stark verunsichert, dass die Bühne so leer ist, dass man viel Raum füllen muss. Heute mag ich das.

Frage: Haben Sie im Stuttgarter Opernhaus noch das Gefühl von Heimat?

Antwort: Nein, dafür bin ich zu lange schon weg. 2015 war ich das letzte Mal hier, da habe ich die Butterfly gesungen. Aber es ist toll, wie viele Menschen sich hier freuen, dass ich da bin: im Chor, in der Technik, überall. Ich kenne auch die Wege hier. Ich finde sogar zur Unterbühne. Nur die Kantine finde ich nicht, aber die finde ich in keinem Theater.

Frage: Dann müssen Sie häufiger herkommen.

Antwort: Wer weiß, was die Zukunft bringt! (Lächelt vielsagend.)

Frage: Was machen Sie in den nächsten Wochen?

Antwort: Nach der „Tosca“ werde ich bis zum 30. Dezember die Sieglinde auffrischen und „Nabucco“ studieren. Ein Korrepetitor hier aus dem Haus kommt dafür zu uns nach Hause, das genieße ich sehr. Früher habe ich immer einen Platz zum Üben gesucht, das ist echt ein Problem mit zwei Sängern in der Familie. Und zu Hause will uns ja eigentlich niemand singen hören. Sorry, das sollte ich wohl nicht sagen (lacht). Am 2. Januar beginnen die Proben für „Die Walküre“ in Wien.

Antwort:

Frage: Nur eine Frage noch: Singen Sie unter dem Weihnachtsbaum?

Antwort: Nein!

Frage: Aber zwei Opernsänger an Heiligabend . . .

Antwort: Wir backen gemeinsam und hören Loreena McKennitt und George Winston. Alles ganz privat und entspannt.

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