Zu Tisch bei Königs

Schloss Bebenhausen bei Tübingen war das Jagddomizil und ab 1918 Wohnsitz der württembergischen Herrscher

Von Annette Frühauf

Wilhelm II. und seine Frau Charlotte liebten es, mit Gästen groß zu tafeln. Wie das funktionierte, erfährt man beim Rundgang durch die Schlossküche des letzten württembergischen Königs.

bebenhausen „Einen Jagdtag krönten drei Gänge mit neun bis zehn Einzelgerichten“, erzählt Maik Hanicz alias Kammerherr Sebastian. Im schwarzen Frack, weißem Hemd und weißer Fliege führt er Gruppen durch die beeindruckende Küche im Schloss von Bebenhausen – und erzählt dabei aus dem Nähkästchen. Zum Beispiel, dass das Personal der königlichen Herrschaften samt Küchengeräten und Geschirr aus der Residenz in Stuttgart mitkamen. Und dass während der Jagdsaison zusätzliche Arbeitskräfte aus den umliegenden Orten eingestellt wurden.

Kein Wunder: Der Kammerherr zeigt auf eine der Menükarten aus dem Jahr 1900, die an der Wand im Flur hängen. Sie dokumentieren 14 Tage voller kulinarischer Genüsse – eine zweiwöchige Herausforderung für die Angestellten des letzten Königs von Württemberg, Wilhelm II. Mit etwas Fantasie hört man in den Küchenräumen noch heute das Klappern der Töpfe, das Klirren der Gläser und die eiligen Schritte des Personals, das sicherlich nicht oft zur Ruhe kam.

Bei den Jagdgesellschaften von Wilhelm II. tafelten oft mehr als 40 Gäste im grünen Saal, einem der repräsentativen Empfangsräume. Am Tisch saßen Verwandte, Freunde, Offiziere und ausgewählte Ehrengäste, darunter zum Beispiel Kaiser Wilhelm II. von Preußen. Er reiste 1893 in den Schönbuch. Bevor die Anlage ab dem 19. Jahrhundert zum Jagdschloss der württembergischen Könige wurde, lebten dort 345 Jahre lang Mönche des Zisterzienserordens.

Die alte Küche, die sich im Untergeschoss des Schlosses befand, war mit 26 Quadratmetern längst zu klein für Wilhelms Abendgesellschaften. Daher wurde sie 1913 um das Zehnfache vergrößert und die unterschiedlichen Arbeitsbereiche räumlich getrennt. 1916 war die moderne Herdanlage der Firma Roeder aus Darmstadt dann montiert, die bis heute fast unverändert erhalten ist. Vom schmalen Gang gehen Wäsche-, Silberputz-, Spül- und Kochküche ab sowie die Speise-, Kühl- und Fleischkammern.

Der Küchenmeister hatte sein kleines Büro im Zentrum des damaligen Geschehens, von dem jeweils ein Fenster in die Koch- und die untere Anrichteküche ging. „Beim Anrichten herrschte Schweigegebot. Denn durch den Schacht des Speiseaufzugs drangen die Gespräche in den darüber liegenden Grünen Speisesaal“, erklärt der Kammerherr. Neben dem Küchenmeister, der auch die Hofkonditorei leitete, gab es den Küchenverwalter, der den Einkauf und die Lebensmittelvorräte überwachte, sowie mehrere ausgebildete Köche, Lehrlinge, Diener oder Tischlakaien, Mägde und Aushilfen.

Der Küchenmeister stimmte mit Königin Charlotte, der zweiten Frau von Wilhelm II., das abendliche Festmahl ab – so auch für den 16. November 1900, an dem der erste Gang aus Austern, Prinzessinnensuppe, gebratenem Aal und Pastetchen bestand.

Während die Herrschaften im holzgetäfelten Speisesaal ihre Austern schlürften, wurden ein Stockwerk tiefer noch die silbernen Dessertlöffel blank poliert. Die Aushilfen erhitzten literweise Wasser, um die ersten Töpfe und Pfannen sauber zu schrubben. Ihre Wangen röteten sich vom Wasserdampf.

Heiß her ging es auch in der Hauptküche: Hier waren die Köche und Lehrlinge um den mehrteiligen Herd versammelt, dessen vier Feuerungskammern schon seit Stunden brannten – immer wieder wurde Kohle nachgelegt. In den Backöfen brutzelten die Gänse, die neben Ochsenfleisch und Hummerschaum in wenigen Minuten als zweiter Gang folgen sollten. Dazu wurden Töpfe und Bräter mit dem Speiseaufzug von der unteren Anrichteküche in die darüber liegende, obere Anrichteküche gekurbelt, um dort auf die vorgewärmten Teller verteilt zu werden. „Der König aß sehr schnell. Infolgedessen mussten auch alle Gäste seinem Tempo folgen.“, schrieb Politiker Rudolf Thietz über die Tischsitten des Königs in einem Brief, der als Auszug in einer der Küchenräume hängt. Wer nicht schnell genug war, bekam den noch gefüllten Teller abgeräumt.

Während ein Gericht nach dem anderen verspeist wurde, wuchsen die Geschirrberge in der Spülküche. Nebenan zogen die Köche die Auflaufformen mit dem dritten Gang aus dem Ofen – Vanilleduft breitete sich aus. Zum süßen Auflauf gab es Früchte und weitere kleine Desserts. Auch Käse gehörte zum dritten und letzten Gang.

Für den Kaffee stand ein separater Kaffeeherd in der Ecke der Küche, der kleiner und damit leichter zum Anheizen war. Auf ihm steht heute noch das alte Waffeleisen, in dessen Deckel das Rezept der königlichen Waffeln eingeprägt ist. „Königin Charlotte liebte Süßes“, weiß Kammerherr Sebastian und zeigt auf ein Foto, dass die Königin und ihren Gemahl vor dem Jagdschloss zeigt. Nach der Revolution und dem Ende der Monarchie zog sich das Paar 1918 ganz nach Bebenhausen zurück. Fortan wurde täglich in der Schlossküche gearbeitet.