Alles oder nichts für Löw: „Dafür ist man Trainer“

Von Von Jens Mende, Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa

dpa London. Joachim Löw genießt dieses K.o.-Spektakel - an ein mögliches Ende seiner letzten Mission gegen England verschwendet er keinen Gedanken. Der Bundestrainer sieht sein Team bereit für den Kracher in Wembley.

Alles oder nichts für Löw: „Dafür ist man Trainer“

Würde sicher gern durch das Spiel gegen England für einen weiteren Eintrag in die Geschichtsbücher sorgen: Joachim Löw. Foto: Christian Charisius/dpa

Joachim Löw will noch einmal in die Geschichtsbücher. „Von den Spielen Deutschland gegen England bei Turnieren spricht man noch Jahre danach“, sagte der Bundestrainer vor dem heutigen Achtelfinal-Hit (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV).

England gegen Deutschland, die in den vergangenen Jahren erstarkten Three Lions gegen das im letzten Moment neu zusammengezimmerte DFB-Team: „Das ist ein Spiel, das alle elektrisiert und fesselt. Für beide ist es ein Alles-oder-nichts-Spiel. Von daher ist die Brisanz gegeben.“ Löw spürt: „Alle sind bis in die Haarspitzen motiviert.“

An ein mögliches abruptes Ende seiner Bundestrainer-Ära nach 15 wechselvollen, erfolgreichen Jahren, aber auch einigen enttäuschenden Erlebnissen denkt Löw noch nicht. „Insgesamt habe ich zwei Sekunden daran gedacht“, erzählte der 61-Jährige. Einmal hat ein TV-Journalist am Nachmittag bei Löw danach gefragt, dann wollte am Abend in London ein Kollege bei der offiziellen UEFA-Pressekonferenz nochmal eine Antwort auf diese Frage.

„Unter dem Aspekt sehe ich das Spiel nicht. Ich habe ganz viele andere Gedanken in meinem Kopf. Vor allem ist da eine große Freude. Für so ein Spiel ist man Trainer“, betonte Löw vor seinem 198. Länderspiel als DFB-Chefcoach. Nur einmal, bei der blamablen WM 2018, hat er in seiner Zeit als Bundestrainer seit 2006 das Halbfinale bei einem großen Turnier nicht geschafft.

PERSONAL:Der Münchner Leon Goretzka wird wohl nach zwei Joker-Einsätzen in der Vorrunde nun in London in die Startelf rücken und den Platz von Ilkay Gündogan einnehmen. Der Mittelfeldspieler von Manchester City konnte nicht vollständig am Abschlusstraining teilnehmen, er leidet noch an den Folgen einer Schädelprellung aus dem Ungarn-Spiel. Der in der Abwehr gesetzte Antonio Rüdiger dürfte nach seiner Erkältung hingegen wieder fit sein. Robin Gosens hat auch einen leichten Infekt - hier wird am Spieltag entschieden.

FANS: 45.000 Zuschauer dürfen im Wembley-Stadion dabei sein, was angesichts wieder steigender Corona-Infektionen und der raschen Ausbreitung der Delta-Variante europaweit für Erstaunen und sogar Fassungslosigkeit sorgt. Nur 2000 in Großbritannien lebende deutsche Fans sind durch die Reisebeschränkungen in der Pandemie im eigentlich 90.000 Zuschauer fassenden Wembley-Stadion dabei. „Logischerweise, wenn du 40.000 Fans im Rücken hast, wird das als Vorteil gesehen. Es kann aber auch, wenn die Engländer nicht so ins Spiel kommen, ein Nachteil und eine Last für sie sein. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass Stille im Stadion ist“, sagte der Bundestrainer.

DAS ZIEL: Wembley soll nur eine Zwischenstation sein. Die deutschen Spieler legen immer mehr die Zurückhaltung bei der Zielsetzung für das besondere paneuropäische Turnier ab. Ob Shooting-Star Gosens oder der zweifache Turnier-Torschütze Kai Havertz: Der Titelgewinn wird als angestrebtes Ende des Weges verkündet. „Dahinter stecken 100 Prozent Überzeugung. Wir Spieler und der Staff glauben fest daran, dass wir Europameister werden können. Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre“, sagte Champions-League-Sieger Havertz vom FC Chelsea: „Denn wir haben eine Top-Mannschaft, ein super Trainerteam und eine gute Mentalität. Wir müssen es nur schaffen, unsere Qualität abzurufen.“

DER WEG: Offiziell will natürlich noch niemand davon sprechen. Aber der Weg nach dem Achtelfinale weckt Hoffnungen auf noch Größeres. Schweden oder die Ukraine wären im Viertelfinale in Rom Gegner, danach Tschechien oder Dänemark im Halbfinale wieder in Wembley. Doch erst einmal muss England bezwungen werden. „Das wird eine Geduldsprobe. England kann gut verteidigen und gut kontern. Wir müssen immer aufpassen“, sagte Kapitän Manuel Neuer: „Aber wir haben erfahrene und gute Leute, dass wir es gegen so eine gute Mannschaft gut verteidigen können.“

© dpa-infocom, dpa:210629-99-181692/3