Baumeister Bobic

Das Erfolgsgeheimnis des Sportvorstandes

Von Frank Hellmann

Europa League - Kaum ein deutscher Club wird derzeit gefeiert wie Eintracht Frankfurt. Der Erfolgsgarant: Fredi Bobic. Wie hat der Stuttgarter den Traditionsclub zu einem Topverein umgebaut?

Frankfurt Oft schon im Morgengrauen hebt Fredi Bobic am Mainufer die Hand zum Gruße. Wenn er auf seiner Laufstrecke sportlichen Mitstreitern begegnet, die den ehemaligen Nationalspieler in der Nähe vom Eisernen Steg erkennen. „Mein Job erfüllt mich, aber er ist anspruchsvoll. Deshalb mache ich viel Sport.“ Für den umtriebigen Sportvorstand von Eintracht Frankfurt ist es der nötige Ausgleich, sonst würde der 47-Jährige sein enormes Tagespensum nicht durchhalten können. Seit Bobic im Sommer 2016 als Nachfolger von Heribert Bruchhagen anfing, geht er als Zugpferd voran. Mit einem Tempo, das bis in die obersten Etagen des Bundesligisten nicht alle gewohnt waren.

„Fredi ist unglaublich fordernd“, sagen Mitstreiter auf der Geschäftsstelle der Fußball AG, wo seit zweieinhalb Jahren ein frischer Wind weht. Die Diva vom Main hat seitdem ihre Launen abgelegt: Im Mai 2016 bestritt die Eintracht noch Relegationsspiele gegen den 1. FC Nürnberg, nun freut sich ganz Frankfurt auf ein Europa-League-Achtelfinale gegen Inter Mailand (Donnerstag 18.55 Uhr/RTL Nitro und DAZN). An dieser Verwandlung hat der mit einigen Vorbehalten empfangene Strippenzieher entscheidend mitgewirkt.

Viele sagen: Erst Bobic hat den schlummernden Riesen wach geküsst, indem er alle Bereiche vom Scouting über die Spielanalyse bis hin zur medizinischen Betreuung auf den Prüfstand stellte.

Zugute kam ihm die klar geregelte Aufgabenteilung im dreiköpfigen Vorstand: Axel Hellmann, ein gelernter Jurist, kümmert sich um Marketing, Medien und Kommunikation, Zuschauerservice, Merchandising, Recht, Fanangelegenheiten und Internationalisierung. Oliver Frankenbach, ein gelernter Diplom-Kaufmann, leitet die Finanzen. Bobic kann sich damit auf die sportlichen Kompetenzen konzentrieren. Ein weiterer Vorteil gegenüber seiner von Höhen und Tiefen gekennzeichneten Zeit beim VfB Stuttgart: In Frankfurt ist er nicht für alle der seit Kindesbeinen mit dem Club verbandelte „Fredi“, auf dem am Ende alles abgeladen werden kann. Eine gewisse Distanz hat ihm geholfen, Veränderungen ohne Rücksicht auf alte Verflechtungen durchzusetzen.

Bobic schätzt besonders das enge Vertrauensverhältnis gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Steubing. Der in der Bankenstadt bestens vernetzte Börsianer hat erst im Sommer die Vertragsverhältnisse der Vorstandsmitglieder Bobic und Hellmann bis 2023 ausgedehnt, um „ein klares Signal für personelle Kontinuität zu stellen“. Steubing sprach damals von „dicken Platten“, die noch zu bohren seien; Bobic sagte, er spüre täglich die Wucht dieses Vereins. Doch in traditionsreichen Gebilden kommt es darauf an, diese PS auch auf die Straße zu bringen: Köln und Hamburg sind Beispiele, wie leicht es schiefgehen kann, wenn die falschen Steuermänner am Lenker sitzen.

In Frankfurt hingegen läuft vieles in die richtige Richtung. Der Umsatz wird diese Saison auf über 160 Millionen Euro wachsen, mit der sogenannten Büffelherde namens Ante Rebic, Luka Jovic und Sebastien Haller sind gewaltige Werte geschaffen worden. Dazu hat der Pokalsieg 2018 das Denken im Club verändert und das Selbstwertgefühl der Sportstadt Frankfurt gesteigert. Mit dem Siegeszug in der Gruppenphase der Europa League setzten die Hessen ein auch international beachtetes Ausrufezeichen, in der Liga liegt das Team auf Platz fünf mit Sichtweite zu den Champions-League-Plätzen, die ein Realist wie Bobic aber nie als Saisonziel ausrufen würde. Denn: „Das wäre vermessen und nicht angebracht.“ Wohl aber konnte er bereits im Sommer sagen, dass der Ist-Zustand „mit Eintracht Frankfurt von 2016 wenig zu tun hat“. Das energetische Eintracht-Team ist 2019 bereits wieder in neun Pflichtspielen ungeschlagen. Baumeister Bobic – vom „Kicker“ zum „Mann des Jahres“ ernannt – ist auch derjenige, der sich zusammen mit Sportdirektor Bruno Hübner für den österreichischen Trainer Adi Hütter entschieden hat, der sich schnell an die Eintracht angepasst hat. Und dessen Offensivfußball eine latente Sehnsucht vieler Anhänger bedient, die oft noch vom „Fußball 2000“ der Marke Eintracht träumten. Das jüngste Spektakel gegen die TSG Hoffenheim (3:2) folgte beinahe dem Motto des „Fußballs total“, so viel Unterhaltung steckt in solchen Heimspielen. Und wenn die Eintracht gegen Inter Mailand, aktuell Vierter der Serie A, aber wegen des Zerwürfnisses mit Kapitän Mauro Icardi gerade in einer tiefen Krise steckend, weiterkommen sollte, wäre das ein Ritterschlag. Die Adlerträger könnten im Frühjahr sogar der einzige Bundesligist sein, der noch auf europäischer Bühne mitspielt.

Der mit Akteuren aus 17 Nationen gebastelte Frankfurter Kader strahlt eine gewaltige Vorfreude aus, die Europapokal-Festspiele noch ein bisschen zu verlängern. „Es steckt eine unheimliche Mentalität in der Mannschaft“, sagt Bobic und verhehlt nicht, dass bei der Spielersuche für ihn vor allem eines zählt: „Die Jungs müssen Herz haben.“ Und eine Leidenschaft mitbringen, die der sportive Sportvorstand ja mit seiner morgendlichen Joggingrunde selbst verkörpert.