Bundesliga atmet auf: Politik-Gipfel erlaubt Neustart

Von Von Eric Dobias, Patrick Reichardt und Jörg Blank, dpa

dpa Berlin. Der Fußball darf ab Mitte Mai den Spielbetrieb in der 1. und 2. Bundesliga wieder aufnehmen. Nach den Ministerpräsidenten hat auch Kanzlerin Merkel die Freigabe für die Fortsetzung der im März ausgesetzten Saison erteilt. Am 15. Mai soll es losgehen.

Bundesliga atmet auf: Politik-Gipfel erlaubt Neustart

Der ausgesetzte Spielbetrieb soll in der zweiten Maihälfte wieder aufgenommen werden. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Angela Merkel verkündete die erlösende Nachricht für den deutschen Profifußball fast beiläufig.

Man habe beim Politik-Gipfel mit den Ministerpräsidenten auch über die 1. und 2. Bundesliga gesprochen, „die den Spielbetrieb ab der zweiten Maihälfte wieder führen darf“, sagte die Bundeskanzlerin nach der rund viereinhalbstündigen Video-Schalte ohne viel Pathos. „Wir wissen auch, dass das sehr kontrovers ist. Ich halte diesen Kompromiss für mehr als vertretbar“, sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.

Schon am 15. Mai soll der Ball in der 1. und 2. Bundesliga wieder rollen - neun Wochen nach der Aussetzung der Saison wegen der Coronavirus-Krise. Das beschloss das Präsidium der Deutschen Fußball Liga am Abend. Die 36 Profivereine, deren Vertreter sich am Donnerstag auf einer Mitgliederversammlung zusammenschalten, wurden darüber schriftlich informiert. Dies bestätigte die DFL auf dpa-Anfrage. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.

Die Entscheidung der Politik für Geisterspiele sorgte in der Milliarden-Branche für große Erleichterung. Dies sei „eine gute Nachricht“, sagte DFL-Boss Christian Seifert. „Spiele ohne Stadion-Zuschauer sind für niemanden eine ideale Lösung. Es ist in einer für einige Clubs existenzbedrohenden Krise allerdings die einzige Möglichkeit, den Fortbestand der Ligen in ihrer jetzigen Form zu bewahren.“

Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprach im TV-Sender Sky von einem „Glückstag für den Fußball“. Mit der Fortsetzung der Saison sei gewährleistet, „dass die sportlichen Entscheidungen auf dem Platz und nicht am grünen Tisch fallen“. Man sollte anstreben, „so zügig wie möglich in den Spielbetrieb zurückzukommen“, sagte Rummenigge.

Dagegen äußerten nach dpa-Informationen die Länderchefs von Bremen, Andreas Bovenschulte (SPD), und Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), in der kontroversen Diskussion starke Vorbehalte. Beide fürchten aufgrund der bisher in den Bundesländern sehr unterschiedlichen Trainingsmöglichkeiten um die Chancengleichheit ihrer Vereine Werder Bremen und FSV Mainz 05 und plädieren für einen Re-Start eine Woche später.

Bei dem Thema sei es „ordentlich zur Sache“ gegangen, bestätigte Bovenschulte. Seiner Ansicht nach sei der 15. Mai als Starttermin weder aus gesundheitlicher noch aus arbeitsschutzrechlicher Sicht sinnvoll. Die Mehrheit der Vereine und auch die DFL wollen die Rückkehr auf den Rasen hingegen so schnell wie möglich bewerkstelligen. „Es gibt keinen Grund dafür, länger zu warten“, sagte RB Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff.

Bei der Videokonferenz am Donnerstag wird es zudem um den Spielplan für die ausstehenden 163 Spiele ohne Publikum in beiden Ligen gehen. Sollte die Bundesligasaison chronologisch mit dem 26. Spieltag fortgesetzt werden, stünde zum Auftakt am 15. Mai die Partie Fortuna Düsseldorf gegen SC Paderborn und am Samstag unter anderem das Revierderby Borussia Dortmund gegen Schalke 04 auf dem Programm.

Dem Bundesliga-Neustart vorweggehen muss eine Quarantänemaßnahme bei allen Vereinen, gegebenenfalls in Form eines Trainingslagers. Diese im DFL-Konzept festgeschriebene Maßnahme machte die Politik ebenso zur Bedingung wie die strikte Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen. Diese könnten auch als Blaupause für die andere Ligen dienen. Der Deutsche Fußball-Bund wurde gebeten, für diese tragfähige Zukunftskonzepte zu entwickeln.

Von der Bundesliga erwartet die Politik eine Vorbildrolle. Nach dem Skandal-Video des umgehend suspendierten Hertha-Stürmers Salomon Kalou schrieb Söder der Milliarden-Branche nachdrücklich ins Stammbuch, sich keine weiteren Verfehlungen zu leisten. „Es haben sich nicht nur normale Menschen an Hygienemaßnahmen zu halten, sondern auch diejenigen, die sehr, sehr viel verdienen und ein Privileg haben“, sagte Söder. Spieler, die sich unvernünftig verhielten, müssten mit Konsequenzen rechnen.

Kalou hatte am Montag Szenen aus der Umkleidekabine der Berliner mit seinem Handy gefilmt und bei Facebook live verbreitet, auf denen zu sehen war, wie er vielen Teamkollegen die Hand gab. In solchen Fällen sei „ein klares Durchgreifen“ der DFL und der einzelnen Teams „ganz, ganz wichtig“, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF-„Morgenmagazin“.

Nationaltorwart Manuel Neuer richtete einen eindringlichen Appell an alle Profis. „Wir tragen ebenso Verantwortung für alle Vereine, die inzwischen zu Wirtschaftsunternehmen mit vielen tausend Angestellten gewachsen sind. Und wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass es die Bundesliga in dieser Form, wie wir sie kennen, bei einem Abbruch der Saison nicht mehr geben wird“, sagte der 34 Jahre alte DFB-Kapitän in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Der Neustart sei ein Bonus. „Darin liegt eine enorme Verantwortung für uns, der wir uns mit jeder Faser bewusst sein müssen“, mahnte Neuer.

Die DFL hatte von einer Taskforce unter Leitung von DFB-Chefmediziner Tim Meyer ein umfassendes Hygiene- und Sicherheitskonzept vorgelegt, um die Ansteckungsgefahr unter Spielern und Betreuern zu minimieren. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Proben in der 1. und 2. Liga zehn Corona-Fälle gegeben.

Dennoch sieht die Politik keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebes und rückte auch von der zunächst geplanten Forderung einer zweiwöchigen Quarantäne für die Vereine ab. „Dass dort regelmäßig getestet wird, ist natürlich eine andere Situation, als wenn jemand nur einmal am Anfang und am Ende einer Quarantäne getestet wird. Das ist der Hintergrund“, begründete Bundeskanzlerin Merkel (CDU) das Zugeständnis.

Für die Liga ist die Fortsetzung der Saison von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, weil viele Vereine durch fehlende Einnahmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten oder schon sind. Mit der Aufnahme des Spielbetriebes sind nun zumindest die TV-Millionen gesichert.

Unklar ist noch, wie die Liga mit den Liveübertragungen der Freitagsspiele umgeht, nachdem mit dem Rechteinhaber Eurosport keine Einigung über die Zahlung der letzten Saison-Tranche aus dem TV-Vertrag erzielt wurde und der Spartensender wohl seinen Vertrag kündigen will.