Das Erlebnis zählt, nicht das Ergebnis

Für Clara Köngeter aus Backnang soll das Staffelrennen im Meer vor Perth nur der Anfang gewesen sein – Nächster Start wohl 2021

Ihre Mutter starb zu Hause in Backnang tausend Tode. Für Clara Köngeter war es dagegen einfach nur ein Riesenerlebnis, beim Port to Pub in Perth durch das offene Meer zu schwimmen. Die 21-Jährige gehörte beim Rennen über 19,7 Kilometer, das am Leighton Beach startet und auf Rottnest Island endet, zu einer Viererstaffel. Angefangen hatte alles mit ihrem Au-pair-Aufenthalt in der Metropole an der Südwestküste Australiens.

Das Erlebnis zählt, nicht das Ergebnis

Du bist dran: Clara Köngeter übergibt an einen ihrer Mitstreiter in der Staffel. Das Kanu ist als Orientierungshilfe immer in der Nähe. Fotos: privat

Von Steffen Grün

Die Informationen zu der Familie, bei der Clara Köngeter von Januar bis Mai 2018 lebte, hätten sich „sofort interessant angehört, weil die Eltern eine Verbindung zum Schwimmen hatten. Ich war selbst in der Leistungsgruppe der TSG Backnang, bis ich 14 war und habe bei Trainer Robert Mahn wieder angefangen, als ich mich für das Sportabitur mit Schwimmprofil entschieden hatte.“ Sie war aber stets im Becken unterwegs, während ihre Gastmutter eine echte Größe im Freiwasserschwimmen ist. Ceinwen Roberts ist im Besitz der Triple Crown im Open-Water-Swimming, was bedeutet, dass sie den Ärmelkanal durchquert und Manhattan umrundet hat sowie von Los Angeles nach Catalina Island gekrault ist. Sie arbeitet zudem als Trainerin und ihr Mann als Personal Coach, zusammen organisiert das Ehepaar den Port-to-Pub-Wettkampf. Eine weitere zeitintensive Aufgabe, was ein wesentliches Argument dafür war, nach einem Au-pair-Mädchen zu suchen, als zu der zweijährigen Tochter noch ein zweites Baby unterwegs war.

Die Wahl fiel auf Clara Köngeter, beide Seiten wurden glücklich damit. Weil die Backnangerin vor gut zwölf Monaten auf die Kinder aufpassen musste, konnte sie am Port-to-Pub-Rennen nicht teilnehmen. „Aber ich war dabei und so inspiriert, dass ich unbedingt einmal mitmachen wollte.“ Das konnte ihr auch die Mama nicht mehr ausreden, die vor allem die Gefahren sah. 2018 war der Wettkampf wegen des starken Wellengangs abgebrochen worden und bei einer ähnlichen Veranstaltung wurde schon mal ein Hai gesichtet, was sich aber als Fehlalarm herausstellte. Clara Köngeter findet es nachvollziehbar, dass sich ihre Mutter sorgte, aber „ich kannte das Rennen, konnte meine schwimmerischen Qualitäten einschätzen und wusste, dass ein Begleitboot dabei ist“. Einen Hai habe sie „zum Glück“ noch nie gesehen. Ein Exemplar der giftigen Stachelrochen schon, trotzdem sagt die Lehramtsstudentin mit den Fächern Englisch und Ethik: „Die ersten Male im Meer war es noch ein mulmiges Gefühl, mittlerweile nicht mehr.“

Sich aufs Schwimmen zu konzentrieren würde auch nicht klappen, wäre die Angst ein ständiger Begleiter. Mitte Februar dieses Jahres kehrte die Murrtalerin auf den fünften Kontinent zurück. „Mitzumachen war der Hauptgrund.“ Ihre Mitstreiter für die Staffel standen bereits parat, denn die Gastmutter hatte alles für sie organisiert. „Ich kannte James, Struan und Jess nicht“, erzählt Clara Köngeter, das Quartett harmonierte jedoch sofort. Auf den 19,7 Kilometern vom Strand auf die Insel wechselten sich die zwei Frauen und zwei Männer im Fünf- bis Achtminutentakt ab, gegen Ende wurden die Abstände immer kürzer. „Ab der 10-Kilometer-Boje ist unsere beste Schwimmerin ausgefallen, weil sie seekrank wurde“, berichtet die Backnangerin: „Sie hat sich nur noch übergeben.“

Davon blieb Clara Köngeter verschont, daher war sie sehr zufrieden. Als das Ziel erreicht war, „habe ich kurz etwas gegessen und getrunken und dann erst einmal geschlafen, weil ich so erschöpft war“. Logisch, war der Start doch auf 6.50 Uhr angesetzt und sie deshalb seit 4 Uhr auf den Beinen. Bis zur Party am Abend hatte sich die Schwäbin erholt und konnte mit den Mitstreitern auf Platz sechs anstoßen, der in 6:29 Stunden im Mixed der offenen Altersklasse herausgesprungen war. Letzten Endes bleibt aber nicht das Ergebnis, sondern das Erlebnis hängen. „Ich bin mega motiviert und will in zwei Jahren wieder dabei sein“, kündigt Köngeter an. Eventuell als Teil eines Duos und „irgendwann vielleicht auch mal alleine, denn ich hatte noch Luft nach oben“. Dass ihre Mutter dann wieder tausend Tode stirbt, tut ihr leid, dürfte sie allerdings kaum abhalten.

Das Erlebnis zählt, nicht das Ergebnis

Glücklich im Ziel: Clara Köngeter (links) und ihre Teamkollegen auf den letzten Metern.

Hintergrund
Port to Pub in Perth

Als Alternative zum Rottnest Channel Swim (Cottesloe Beach – Rottnest Island, 19,7 Kilometer, offen für Einzelschwimmer, Duos und Teams) wurde 2016 das Rennen Port to Pub ins Leben gerufen.

Der Startschuss fällt am Leighton Beach, das Ziel befindet sich auf Rottnest Island – in einer Art Strandbar beziehungsweise Pub, was den Namen erklärt. Auch das sind 19,7 Kilometer, die von Einzelkämpfern, Zweier-, Vierer- und Sechserteams absolviert werden können. Die vierfache Olympiasiegerin, vielfache Weltmeisterin und Weltrekordlerin Lisbeth Trickett war auch schon dabei. Ein Kanu als Orientierungshilfe und ein Boot für Notfälle sowie für die gerade pausierenden Teammitglieder sind immer in der Nähe.

Bestandteil von Port to Pub ist auch ein Ultra-Marathon über 25 Kilometer, für den eine Qualifikation erforderlich ist. Es ist das längste Freiwasserschwimmen in Australien und eines der längsten in der gesamten südlichen Hemisphäre.