Der Fußball im Terminchaos - Coronavirus nicht planbar

Von Von Jan Mies, dpa

dpa Berlin. Die EM ist verschoben. Doch reicht das? Um die Saison doch noch irgendwie abschließen zu können, müssen die Ligen und Clubs mehrere Notfallszenarien entwerfen. Das Coronavirus ist nicht planbar.

Der Fußball im Terminchaos - Coronavirus nicht planbar

Durch die Verschiebung der EM in den Sommer 2021 hat der Deutsche Fußball-Bund mehr Optionen: DFB-Präsident Fritz Keller. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Die EM 2020 im Sommer ist verlegt, die dringend benötigten Freiräume auch für die Fußball-Bundesliga sind geschaffen. Doch reicht das, um die Saison 2019/20 trotz der Coronavirus-Pandemie zu einem regulären Ende zu bringen?

Zweifel sind angebracht - der gesamte europäische Fußball steht vor einem komplizierten Terminpuzzle.

DIE AUSGANGSLAGE: Sämtliche Pläne stehen und fallen mit dem weiteren Verlauf der Ausbreitung von Sars-CoV-2. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin spricht von der „größten Krise in der Geschichte des Fußballs“. Bundestrainer Joachim Löw sagte: „Nichts ist mehr, wie es vorher war.“ Deshalb ist noch überhaupt nicht abzusehen, wann das Virus soweit unter Kontrolle gebracht werden kann, dass ein geregelter Spielbetrieb auch im Fußball wieder möglich ist. Was gestern „noch richtig und wichtig erschien, ist heute nichtig und klein“, sagte DFB-Präsident Fritz Keller. „Manchmal muss man den Blick eben über die Wolken richten und die Perspektive ändern.“ Durch die Verschiebung der EM in den Sommer 2021 haben der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball Liga aber immerhin mehr Optionen.

DIE BUNDESLIGA: DFL-Geschäftsführer Christian Seifert mahnte im „Bild“-Interview: „Wir sind noch ganz weit davon entfernt, über eine Fortführung der Bundesliga nachdenken zu können.“ Der Spielbetrieb ist vorläufig bis zum 2. April ausgesetzt, Partien vor Ostern sind allein aufgrund behördlicher Verordnungen aber praktisch unmöglich. Den meisten Clubs fehlen (wie allen Zweitligisten) noch neun Spieltage, Eintracht Frankfurt und Werder Bremen zehn.

Der reguläre, wie auch immer zustande gekommene Abschluss der Saison ist für viele Vereine überlebenswichtig - nur dann werden alle vereinbarten Gelder ausgeschüttet. Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro. Die Termin-Rechnung ist grundsätzlich einfach: Wird Ende April, Anfang Mai wieder gespielt, sollte die Spielzeit bis zum Saisonende am 30. Juni geschafft werden können. Auch wenn sich die Fans auf Geisterspiele und fast ausschließlich englische Wochen einstellen müssen. Je weiter der Neustart in den Sommer rückt, desto schwieriger wird es. Zumindest was das geplante Saisonende angeht. Die neue Bundesliga-Saison 2020/21 soll eigentlich an 21. August beginnen, die 2. Liga schon am 31. Juli.

DER 30. JUNI: Der Tag im Hochsommer gilt seit Jahrzehnten als Schlusspunkt der Saison. Die Verträge der Spieler werden fast ausschließlich bis zum 30. Juni ausgehandelt, gleiches gilt für etliche Sponsoren- und TV-Verträge. Deshalb scheint der Termin in Stein gemeißelt. Aber dann kam das Coronavirus. Wenn nötig, werden sich Ligen und Clubs Lösungen einfallen lassen, auch noch den Juli nutzen zu können, der ansonsten (ohne WM oder EM) als Sommerpause dient. „Wir wissen, dass wir den Juni und theoretisch sogar bis in den Juli hinein planen können“, sagte Seifert. Auch die Europäische Fußball-Union kündigte bereits Pläne für den „späteren Abschluss der Saison 2019/20, das heißt nach dem 30. Juni 2020“ an. Rechtliche Vertragsfragen dürften einfacher aus der Welt geschafft werden können, als die Probleme einer nicht beendeten Saison.

DER EUROPAPOKAL: Wie mit der Champions League und Europa League weiter verfahren wird, ist so kompliziert, dass die UEFA den Fall erst einmal an eine Arbeitsgruppe gegeben hat. Beide Wettbewerbe stecken im Achtelfinale fest. In der Königsklasse fehlen noch vier Rückspiele (darunter das des FC Bayern), in der Europa League alle Zweitduelle. Die geplanten Endspieltermine am 30. Mai in Istanbul (Champions League) und drei Tage zuvor in Danzig (Europa League) sind illusorisch.

Denkbar sind mehrere Szenarien, beispielsweise auf ein Spiel verkürzte Viertelfinals und Final-Four-Turniere in den Finalstädten. Zudem könnten die Wettbewerbe den Platz tauschen: Europapokal am Wochenende, die Bundesliga von Dienstag bis Donnerstag. Nur eines steht fest: Bis auf die Kleinigkeit, dass die Sieger automatisch für die Champions League 2020/21 qualifiziert sind, geht es im Europapokal „nur“ ums Geld - wenn auch um enorme Millionen-Beträge. Auswirkungen auf die kommende Saison hat der Europapokal ansonsten nicht.

DIE WEITEREN TERMINE: In Deutschland muss sich der DFB Gedanken zum eigenen Pokal machen, in dem noch die Halbfinals (ursprünglich für Ende April geplant) und das Finale am 23. Mai im Berliner Olympiastadion anstehen. Die Verlegung bis tief in den Sommer dürfte am wenigsten kompliziert werden - wenn noch ein Termin frei ist.

Denn es gibt weitere Verschiebungen von internationalen Spielen. Die ursprünglich für März geplanten Play-off-Begegnungen für die auf 2021 verlegte EM sollen nun im Juni stattfinden. Das blockiert mehrere Tage. Laut UEFA sollen zudem zeitgleich die Freundschaftsspiele nachgeholt werden, die Ende März ausfallen. Über die Abstellungspflicht für die Vereine mitten in der dann heißen Saisonphase könnte ein neuer Streit entstehen.

Der DFB wollte Ende März in Madrid gegen Spanien und in Nürnberg gegen Italien spielen. Sollten die Partien im Juni nachgeholt werden, würde der Verband auch Geisterspiele akzeptieren. „Natürlich ist es mit Zuschauern am schönsten“, sagte Keller. Wichtiger wäre es aus Sicht des DFB-Präsidenten aber, dass es überhaupt wieder einen Anfang für den Fußball gibt und die Fans zumindest am Fernseher wieder Spiele schauen können.