Im EM-Qualifikationsspiel der deutschen Handballer gegen die Türkei in Stuttgart führt Julian Köster die Mannschaft erstmals als Kapitän an – und zum 44:26-Sieg. Spätestens 2026 verlässt der abwehrstarke Rückraummann die Komfortzone seines Heimatvereins, wovon auch das Nationalteam profitieren soll.
Julian Köster zieht gegen die Türkei aus dem Rückraum ab und wirft eines seiner fünf Tore in Stuttgart.
Von Jürgen Frey
Julian Köster führte die Mannschaft nach dem Torefestival bei der Ehrenrunde vor den 6149 Zuschauern in der Porsche-Arena entspannt an, klatschte mit breitem Grinsen in die Hände. Dann griff der Kapitän zum Hallenmikrofon und lobte nach dem mühelosen 44:26 (22:11) der deutschen Mannschaft im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei auch das Publikum: „Die Stimmung hier ist immer top. Es macht riesig Spaß hier zu spielen.“ Kein Wunder, es war der 14. Sieg im 14. Länderspiel in Stuttgart. Und zum höchsten Sieg in einem deutschen EM-Qualifikationsspiel hatte nicht extrem viel gefehlt. 2008 gegen Bulgarien ging’s 42:11 aus.
Platz eins war schon sicher
Allzu großen Wert hatte das Spiel nicht mehr – die deutschen Handballer hatten das Ticket für die EM 2026 in Dänemark, Schweden und Norwegen schon in der Tasche. Auch der wichtige Platz eins in der Qualifikationsgruppe 1 war schon festgestanden, mit der angenehmen Folge, dass das DHB-Team im kommenden Januar den starken Vorrundengegnern aus dem Weg geht.
Doch speziell für einen Spieler war das Duell gegen die Türkei etwas ganz Besonderes: Weil der eigentliche Kapitän Johannes Golla (27), genauso wie Torwart Andreas Wolff (34) und Franz Semper (27), aus Regenerationsgründen nach dem 32:32 in der Schweiz früher abreisen durften, führte Julian Köster die stark verjüngte Mannschaft in seinem 71-A-Länderspiel erstmals als Spielführer aufs Feld.
„Es ist ein schönes Gefühl und eine große Ehre. Auch wenn es nur für ein Spiel ist, bedeutet es mir viel“, sagte der abwehrstarke Rückraumspieler, dessen Tore meist reinen Willensleistungen entspringen und der sich mit allem, was er hat, in die gegnerische Deckung wirft. So auch in Stuttgart. Da hatte er nach 15 Minuten aus drei Versuchen drei Tore erzielt und zur Belohnung gönnte ihm Bundestrainer Alfred Gislason eine erste Verschnaufpause.
Schluroff bester Werfer
Nach der Pause kam Köster wieder, startete mit zwei Fehlwürfen gegen Yunus Özmusul, dem ehemaligen Keeper des TVB Stuttgart, ließ sich davon aber nicht beirren und machte noch seine Treffer vier und fünf und war damit hinter Miro Schluroff zweitbester Werfer. Die beiden schwäbischen Linksaußen Tim Freihöfer und Tim Nothdurft kamen jeweils auf vier Tore.
Ab der 41. Minute hatte Köster dann schon wieder Feierabend. In dem extrem einseitigen Match gegen einen sehr schwachen Gegner ging es ohnehin nur noch um die Höhe des Kantersiegs. „Der Sieg gibt uns ein gutes Gefühl. Es war wichtig, dass wir gut gestartet sind. Wir haben viel gesprochen, was wir umstellen wollen. Das hat funktioniert“, freute sich Köster.
Verantwortung vorne und hinten
Seit dreieinhalb Jahren gehört er zum Kreis der Besten. Gislason nominierte ihn noch als Zweitligaspieler. Der Rechtshänder ist so etwas wie seine Entdeckung. Der Isländer schenkte ihm Vertrauen, vorne und hinten. Das zahlt der 25-Jährige nun zurück, indem er immer mehr die Rolle des Führungsspielers übernimmt. Auch in der Porsche-Arena stand der 2,00-Meter-Riese im Abwehr-Innenblock und gab vorne den Weg vor, übernahm in Auszeiten Anweisungen. Der an sich eher ruhige und zurückhaltende Charakter heizte auch mal die Stimmung an und riss das Publikum mit.
Zu dieser Weiterentwicklung passt auch seine Entscheidung, die Komfortzone seines Heimatclubs VfL Gummersbach spätestens 2026 in Richtung des deutschen Rekordmeisters THW Kiel zu verlassen. Genauso wie das auch zwei andere Nationalmannschaftskollegen machen werden. Spielmacher Luca Witzke (26/SC DHfK Leipzig) und Torjäger Marko Grgic (21/ThSV Eisenach) zieht es ebenfalls von Mittelklasseteams zu einem Spitzenclub – beide zur SG Flensburg-Handewitt. Von diesem Karrieresprung erhofft sich auch die Nationalmannschaft wertvolle Impulse.
Parallele mit Florian Wirtz
Zumal auch Köster seinen Zenit noch nicht erreicht hat. Ähnlich wie übrigens ein Fußballer, der wie er im Dorf Brauweiler aufgewachsen ist und auf die selbe Schule ging: Florian Wirtz, dessen Mama zudem Kösters erste Handballtrainerin beim TuS SW Brauweiler war.
Aufstellungen
Deutschland Birlehm (TSV Hannover-Burgdorf), Späth (Rhein-Neckar Löwen) - Schluroff (VfL Gummersbach) 6, Fischer (TSV Hannover-Burgdorf) 5, Kastening (MT Melsungen) 5, Köster (VfL Gummersbach) 5, Freihöfer (Füchse Berlin) 4, Grgic (ThSV Eisenach) 4/1, Nothdurft (Rhein-Neckar Löwen) 4, Häseler (VfL Gummersbach) 2, Lichtlein (Füchse Berlin) 2, Uscins (TSV Hannover-Burgdorf) 2, Witzke (SC DHfK Leipzig) 2, Knorr (Rhein-Neckar Löwen) 1, Langhoff (Füchse Berlin) 1, Seesing (Bergischer HC) 1.
Türkei Yatkin, Özmusul - Pehlivan 5/1, Bicer 4, Yildirim 4, Yildiz 4, Herseklioglu 3, Kelesoglu 2, Tinkir 2, Hacioglu 1, Yagmuroglu 1, Ayar, Aydin, Babacan, Erdogan, Kaya.
Julian Köster ging als Kapitän voran.
Bundestrainer Alfred Gislason sah endlich einmal einen guten Start seines Teams.
Überzeugte nach der Pause: Der gebürtige Reutlinger Tim Freihöfer.
Kreisläufer Justus Fischer bejubelt eines seiner fünf Tore.
Spielmacher Juri Knorr konnte weitestgehend geschont werden.
Miro Schluroff warf sechs Tore.
Luca Witzke führte Regie.
Neu-Nationalspieler Matthes Langhoff von den Füchsen erzielte ein Tor.