Interview - 2016 war Nico Rosberg Formel-1-Champion, danach quittierte er den Dienst – und engagiert sich nun für Umweltschutz in der Mobilität. Beim Formel-E-Rennen in Berlin im Mai hat er viel vor.
Stuttgart
Frage: Herr Rosberg, Sie sind viel unterwegs. Zuletzt waren Sie bei der Laureus-Verleihung, es scheint, Sie haben mehr Termine als zu Ihrer Zeit als Formel-1-Fahrer.
Antwort: Ja, ich gebe weiter Gas, mir macht das alles auch viel Spaß, weil ich spüre, dass ich viel bewegen kann.
Frage: Die Formel-1-Tests in Barcelona vergangene Woche haben Sie aber schon verfolgt.
Antwort: Natürlich, und es scheint so zu sein, wie wir es kennen: Ferrari und Mercedes sind in etwa gleichauf, Red Bull ist knapp dahinter. Ob nun Ferrari oder Mercedes die Nase vorn hat, kann man zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht erkennen. Diese Fahrten dienen dazu, mit vielen Runden die Standfestigkeit zu testen, die Performance-Teile werden erst ganz zum Schluss draufgepackt, weil die noch im Windkanal entwickelt werden bis zum letztmöglichen Zeitpunkt. Man kann heute nicht sagen, welches Kräfteverhältnis beim Saisonauftakt Mitte März herrschen wird.
Frage: Ist diese erste Fahrt im neuen Auto etwas Besonderes als Rennfahrer?
Antwort: Für mich war es das auf jeden Fall. Es ist eine spannende Situation, weil du ja weißt, dass du in diesem Auto ein Jahr unterwegs sein wirst und du bist gespannt, wie schnell es ist und ob du dich drin wohlfühlst.
Frage: Welche Verbindungen haben Sie noch zu Mercedes?
Antwort: Rennsport-technisch überhaupt keine mehr, lediglich auf Youtube präsentiere ich noch ein paar coole Autos. Es bestehen relativ wenige Verbindungen.
Frage: Kürzlich haben Sie Ihren Vertrag als TV-Experte bei RTL um zwei Jahre verlängert.
Antwort: Ich liebe diesen Sport, und das ist für mich eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Verbindung zu halten. Ich mache zehn Rennen in diesem Jahr, also nicht einmal die Hälfte des Kalenders – das ist eine gute Balance. Nicht zu viel, nicht zu wenig.
Frage: Hätten Sie keine Zeit für mehr Engagement?
Antwort: Ich habe noch zahlreiche andere Projekte, die mir sehr wichtig sind. Etwa das Greentech Festival, das ist derzeit mein größtes Projekt. Ich habe eine Leidenschaft für E-Mobilität und grüne Technologie. Es ist faszinierend, was da alles auf uns zukommt. Ich habe kürzlich einen Fahrtest gemacht: Porsche GT2 RS gegen Tesla Model 3 – die Autos waren auf Augenhöhe, das war cool. Die E-Mobilität besitzt richtig viel Fahrspaß, etwa bei der Beschleunigung. Wir brauchen einen Wandel in unserer Gesellschaft bei all den Problemen wie Klimaerwärmung oder Dieselskandal. Die E-Mobilität ist eine Chance, diesen Wandel zu beschleunigen, dafür habe ich mit zwei Geschäftspartnern das Greentech Festival aufgebaut. Wir wollen damit möglichst viele Menschen mit den Möglichkeiten der neuen Technologien begeistern.
Frage: Um an viele Menschen ranzukommen, benutzt das Greentech Festival im Mai das Gastspiel der Formel E in Berlin.
Antwort: Das liegt doch auf der Hand. Ich bin finanziell an der Formel E beteiligt, das ist eine tolle Partnerschaft, und dieses Event bietet die Möglichkeit, vor Ort, aber auch über die Medien an eine breite Bevölkerungsschicht heranzukommen. Wir wollen gigantische Produkte präsentieren.
Frage: Zum Beispiel?
Antwort: Da gibt es Bodenplatten, die kann man im Publikumsraum bei Konzerten verlegen – und wenn die Leute tanzen oder hüpfen, wird Strom erzeugt. Und natürlich auch das E-Mobilitätskonzept von Mercedes. Darüber hinaus haben wir aber auch Software-Lösungen für Unternehmen, um mehr Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Das sind faszinierende Dinge.
Frage: Sie sind das Gesicht des Projektes.
Antwort: Nein, meine Rolle ist mehr. Ich bin in die gesamte Arbeit im Greentech Festival integriert, ich arbeite im operativen Bereich mit. Ich finde das Unternehmertum eine spannende Geschichte, und in diesem Fall handelt es sich um eine sehr bedeutende Herausforderung. Je erfolgreicher wir mit unserer Arbeit sind, umso schneller schreitet die Wandlung voran – dabei aktiv mitwirken zu können, gibt mir ein richtig gutes Gefühl. Ich habe in Monaco ein Büro und ein kleines Festival-Team, das Hauptquartier ist in Berlin.
Frage: Diese Wandlung bedeutet aber doch, dass irgendwann die Formel 1 mit ihren Verbrennungsmotoren stirbt. Gehen Sie davon aus?
Antwort: Nein, ich denke schon, dass die Formel 1 noch eine Zukunft hat. Der Antrieb der aktuellen Autos ist immerhin einer der effizientesten Hybridantriebe, die es gibt, und der damit sehr nahe an einer grünen Technologie liegt. Aber natürlich muss die Formel 1 irgendwann einmal über die Frage des Antriebes nachdenken. Und weil bereits eine Formel E existiert, müssen sich wohl beide Serien über die jeweilige Zukunft unterhalten und sich womöglich zusammenraufen.
Frage: Denken wir das zu Ende. Im Grunde verbietet es sich, Motorsport zu betreiben, wenn man Nachhaltigkeit propagiert und man sich für Umweltschutz und gegen die Klimaerwärmung einsetzt. Der Strom für die Formel-E-Autos muss produziert werden, er dürfte nicht nur aus erneuerbaren Energien stammen.
Antwort: Die Formel E gibt sich Mühe, möglichst grün zu sein, also auch in der Herstellung der Teile wie beim Energieverbrauch und bei der verwendeten Energie. Ich sehe ihre Daseinsberechtigung aber aus anderen Gründen: Die Formel E findet emissionsfrei und nahezu geräuschlos in den Städten statt und weckt bei den Menschen Emotionen – sie begründet damit ein positives Image für die Elektromobilität. Warum gehen denn die großen Hersteller wie Mercedes, Porsche und Audi in diese Serie? Weil sie Potenzial bietet. Ich sehe darin einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, dabei muss das ja nicht zwingend der letzte gewesen sein. Wir wissen doch, dass Wasserstoff als Energieträger großes Potenzial besitzt, wer weiß, was noch folgt. Ich sehe die E-Mobilität als Türöffner für eine grüne Zukunft.
Frage: Sie sind auch in einem E-Auto unterwegs?
Antwort: Ja, ich fahre einen Renault Twizzy, damit bin ich jeden zweiten Tag unterwegs – das ist ein Carsharing-Projekt. Ich habe die App auf dem Handy, damit reserviere ich das Auto an einem bestimmten Platz und zu einer bestimmten Zeit.
Frage: Aber Sie haben auch noch Benziner?
Antwort: Klar, ich bin jetzt nicht der Öko-Papst. Ich habe beispielsweise noch einen Porsche, den bewege ich gerne, aber ich fahre ihn eher selten, und wenn, genieße ich den Fahrspaß.
Frage: Ohne schlechtes Gewissen, nehme ich an. Was halten Sie von den Dieselfahrverboten, die in Deutschland in einigen Großstädten gelten, wie etwa auch in Stuttgart?
Antwort: Ich bin überzeugt davon, dass eine Wandlung bei der Mobilität eintreten muss – das Problem ist aus meiner Sicht die Geschwindigkeit. Diese Umorientierung darf nicht auf Kosten der Bevölkerung vollzogen werden – alle, die sich einen älteren Diesel gekauft haben, weil er verbrauchsgünstig ist oder sie einfach ein gutes Auto haben wollten, stehen jetzt blöd da. Das ist eine heftige Sache und eine Situation, in der es im Grunde nur Verlierer gibt. Aber genau da greift unser Projekt, es hat den Slogan: Celebrate change, also: Freue dich über die Veränderung. Anstatt diesen Wandel über Verbote zu erzwingen, sollte man die Chancen der neuen Technologie begreifen und fördern – und mit diesen Möglichkeiten die Verbesserung der Situation herbeiführen.
Frage: Es wird auch über ein Geschwindigkeitslimit auf deutschen Autobahnen diskutiert.
Antwort: Das ist die gleiche Geschichte. Wir schauen nicht auf neue Sicherheitssysteme und künstliche Intelligenz beim Autofahren wie Spur- und Abstandsassistenten, die uns helfen, noch sicherer zu fahren, sondern es wird wieder über ein Verbot diskutiert.
Frage: Erziehen Sie auch Ihre Töchter zum Umweltbewusstsein?
Antwort: Ja, schon, aber es geht da nicht ins Extreme. Natürlich leben wir als Familie nun bewusster. Seit meinem Rücktritt interessiert mich das immer mehr, meine Frau verfolgt diese Themen wie Nachhaltigkeit schon länger.
Frage: Kehren wir zum Motorsport zurück. Hier eine Führungsposition zu übernehmen, etwa als Teamchef, käme das für Sie infrage?
Antwort: Es wäre schon verlockend, aber ich habe während der Betreuung von Robert Kubica festgestellt: Dieser Job ist so fordernd und intensiv, da kannst du darüber hinaus nichts Zusätzliches mehr tun. Aktuell ist das nicht der Weg, den ich gehen möchte.