Die einzig richtige Erfolgsformel gibt’s nicht

Serie Talente suchen, finden, fördern (Folge 3) Bei der Sichtung und Entwicklung von Talenten gehen die TSG-Turner, Backnangs Judokas und Großaspachs Fußballer verschiedene Wege, die vor allem von den Anforderungen der jeweiligen Sportart beeinflusst werden.

Die einzig richtige Erfolgsformel gibt’s nicht

Ist bei der Suche nach Talenten für Backnangs Turner einer von mehreren Bausteinen: Der Mini-Cup für Grundschulkinder. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

Die einen schauen sich schon bei Kindergartenkindern um, die anderen warten erst einmal die Entwicklung ab und die dritten setzen auf umfangreiches Scouting. Wenn es darum geht, die Talente zu finden, die es nach oben schaffen können, gibt es bei den Vereinen unserer Region die eine Erfolgsformel nicht. Auch weil Sportarten und Anforderungen unterschiedlich sind, wie unsere drei Beispiele zeigen. Zwei von ihnen sind aber definitiv auf dem richtigen Weg, schickten sie in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten mit Michaela Baschin, Katharina Menz, Sebastian Krimmer und Emelie Petz doch vier Sportler zu Olympischen Spielen. Was Wunder, dass die Backnanger Judokas und die Turner für ihre Nachwuchsarbeit bereits ausgezeichnet wurden.

TSG Backnang 1846 TuS, Turnen „Du brauchst Trainer, die für ihre Sportart brennen und das Auge haben, das Talent zu erkennen“, nennt Melanie Andergassen eine Eigenschaft, mit der es in Backnang immer wieder gelingt, Kinder für die Landes- und Bundeskader zu finden. Die Erfolge sind das Ergebnis beharrlicher und konzeptioneller Arbeit, die auch andernorts registriert wird. Seit 2011 ist die TSG offiziell Talentschule des Schwäbischen und seit diesem Jahr auch des Deutschen Turnerbunds. Zudem kommt Landestrainer Thomas Jacobi einmal pro Woche ins Murrtal in die Halle.

Klar ist, wer im Turnen hoch hinaus will, der muss jung beginnen. „Die Anforderungen werden immer früher immer größer“, weiß Andergassen. Deshalb beginnt die TSG mit ihrer Sichtung vor allem bei den Mädchen nicht mehr erst mit dem Mini-Cup für Grundschulkinder, der vor 23 Jahren von Edgar Schlichenmaier und Petra Kauer entwickelt wurde, sondern seit einige Zeit bereits mit dem Kindergarten-Cup. „Wer auffällt, erhält nach Leistungsstufen eingeteilt, Einladungen zum Probetraining“, erzählt die 38-Jährige: „Uns geht es nicht nur um die Leistungs-, sondern auch um die Förderstufe.“ Backnang, mit der ersten Frauen- und Männerriege in der Regional- und Dritten Liga vertreten, sucht keineswegs nur Superkids. Die TSG will auch diejenigen, die mit einem Mindestmaß an Talent ausgestattet und mit Spaß sowie Ehrgeiz dabei sind. Deshalb, so Andergassen, „sind wir gottfroh, dass wir in allen Leistungsbereichen mit Trainern super aufgestellt sind“.

Mini- und Kindergarten-Cup sind aber nicht die einzigen Steine, auf die Backnang baut. „Unser Ruf und Netzwerk sind so gut, dass Vereine aus der Umgebung und auch Erzieherinnen aus Orten außerhalb Backnangs uns auf Talente aufmerksam machen“, berichtet Andergassen. Hinzu kommen diejenigen Mädels und Jungs, die von sich aus ohnehin gerne turnen wollen.

Wobei auch klar ist, dass die TSG für die allerbesten im Nachwuchsbereich nur der Anfang ist. Wer bei Kadertests und anderen Wettkämpfen positiv auffällt, für den geht es ans Kunstturnforum. Andergassen erklärt: „Am Anfang ist es eine Mischung aus Heim- und Kadertraining, Acht- oder Neunjährige, die ganz vorn dabei sind, trainieren dann nur noch in Stuttgart.“ Fast täglich. Ein großer Aufwand, der für sehr, sehr viele nur noch zu stemmen ist, in dem Sport und Schule mithilfe der sogenannten Eliteschulen des Sports miteinander verbunden werden. „Das ist ab Klasse fünf möglich“, erzählt Melanie Andergassen und sagt: „Ohne das ist es eigentlich nicht machbar.“

TSG Backnang 1920 Schwerathletik, Judo Früh beginnen auch die starken Männer und Frauen von der Murr, wobei es trotzdem ein völlig anderer Weg ist. „Wir haben einmal pro Woche ein vielseitiges Bewegungsangebot für Kinder ab drei Jahren“, berichtet Trainer Jens Holderle. Über die Bambinis geht es ab 6 Jahren in den Grundkurs, „in dem turnerische Elemente, Reaktionsvermögen und auch so Rechts-Links-Geschichten geschult werden. Denn im Judo muss alles, was auf die eine Seite geht, auch auf der anderen gelingen“, erzählt der Coach. Was, wann gelehrt und geschult wird, gibt ein „Konzept vor, das sich bei uns wie ein roter Faden durch zieht“. Ein Leitfaden, der sich sehr stark an den Anforderungen für die Gürtelprüfungen orientiert, und anhand dem das Trainerteam um Holderle immer wieder sieht, wer das Zeug hat, um später vielleicht in den Bundesliga-Kader der Frauen oder Männer zu kommen.

Ein Unterschied zwischen Leistungs- und Breitensport „wird bei uns zunächst nicht gemacht“, erzählt Holderle und sagt: „Judo ist eigentlich ein Einzelsport, deshalb wollen wir, dass die Jungs und Mädels lange das Gruppenfeeling erleben.“ Das soll helfen, in der Gemeinschaft Niederlagen, Rückschläge und andere Schwierigkeiten zu überstehen, die auf Kinder und Jugendliche warten. „Um ganz oben anzukommen, braucht’s Ehrgeiz und Ausdauer“, weiß Holderle und erklärt: „Uns sind Erfolge wichtig, uns ist eine gute Grundausbildung aber genau so wichtig.“ Zu einem Wettkampf zu fahren und von dort mit einer Medaille zurückzukehren, sei toll, aber den Wettkampf unabhängig vom Ergebnis als Erlebnis genießen zu können, sei fast noch besser.

Ab der U 12 kristallisiert sich dann langsam heraus, wem zugetraut wird, es weiter als die breite Judomasse zu bringen, wobei „altersmäßige Besonderheiten berücksichtig werden“, sagt Holderle. Er berichtet: „Der Verband sichtet ab der U 13 und bietet dann auch Lehrgänge an.“ Auch im Verein wird es nun intensiver. Statt zweimal pro Woche dürfen „die Fleißigen“, so Holderle, einmal zusätzlich bei der U 15 mitmachen.

„Bei uns findet eine Selektierung eher spät statt“, weiß der TSG-Coach, hat damit aber kein Problem: „Man muss auch an die körperliche Belastung denken.“ Richtig ernst wird es für die großen Talente im Judo ab der U 18. Neben dreimaligem Vereins- und eventuellem Individualtraining geht es für die großen Hoffnungen zusätzlich noch zweimal pro Woche an den Stützpunkt nach Sindelfingen. Wie zuvor schon in enger Abstimmung zwischen Landes- und Vereinstrainer sowie mit Absprache und Unterstützung der Eltern, „denn ohne die funktioniert das alles nicht“, erklärt der 41-Jährige.

SG Sonnenhof Großaspach, Fußball Die Nachwuchsabteilung des Regionalligisten ist eher ein Spätstarter, beginnt Großaspach doch erst mit der E-Jugend, der sogenannten U 11. In den Altersklassen drunter stellt die SG Sonnenhof keine Mannschaft, baut dort unter anderem auf die Zusammenarbeit mit der benachbarten Spvgg Kleinaspach/Allmersbach. Und: „Wir haben seit drei Jahren eine kleine Scoutingabteilung“, erzählt Sportkoordinator Peer Lauster, macht aber gleich klar: „Das hat aber nichts mit zehn Festangestellten wie bei den großen Vereinen zu tun, sondern ist eine Netzwerk-Geschichte.“ Sechs junge und engagierte Scouts, darunter Jugendtrainer der SG, sind unterwegs, um in der Region die Talente zu finden, „die es vielleicht irgendwann einmal in unsere erste Mannschaft schaffen, denn das ist das Ziel“. Für die Altersbereiche U 17 bis U 19, mit denen Großaspach in der Oberliga und damit in der zweithöchsten deutschen Spielklasse im Jugendbereich um Punkte kämpft, ist Lauster selbst zuständig, wobei er sagt: „Da geht es darum, die Jungs zu finden, die es bislang nicht in den Nachwuchsleistungszentren geschafft haben oder dort an einem Punkt sind, wo sie überlegen müssen, ob und wie es für sie weitergeht.“

Wer über Probe- und Sichtungstraining einen Platz im SG-Kader erhascht hat, trainiert im U-17- und U-19-Bereich vier-, in den Altersklassen drunter dreimal in der Woche. Im Grundlagenbereich wird dabei ein sogenanntes Stärken-Schwächen-Training angeboten und es gibt Einheiten mit Aspachs Athletikcoach Rafael Lopez. Zudem „trainieren immer wieder Jüngere in den älteren Teams mit, unsere A-Jugendspieler zum Beispiel im Regionalliga-Team“, sagt Lauster und ist sich sicher: „Wir bieten relativ viele Trainingseinheiten mit gut ausgebildeten Übungsleitern an.“ Für Fußballverhältnisse ist der Aufwand, den junge Judokas und vor allem junge Turner betreiben, um irgendwann einmal in der Spitze anzukommen, doch deutlich höher.