„Eine der größten Respektspersonen“: Ruhepol Giani

dpa Apeldoorn. Mit ansteckender Gelassenheit führt Andrea Giani die deutschen Volleyballer. Mit dem Italiener an der Seitenlinie holten sie 2017 EM-Silber. Die diesjährige Endrunde ist auch ein Probelauf für das ganz große Ziel: Tokio 2020.

„Eine der größten Respektspersonen“: Ruhepol Giani

Für das Team von Andrea Giani kommt es gegen Polen auch zum Wiedersehen mit dem Ex-Coach, Vital Heynen. Foto: Hendrik Schmidt

Andrea Giani tritt aus der Arena in Apeldoorn und schüttelt lachend den Kopf. Nein, die mehr als zwei Kilometer von der Halle bis zum Mannschaftshotel werde er definitiv nicht zu Fuß zurücklegen, sagt der Nationaltrainer der deutschen Volleyballer und zeigt auf seine Beine.

Seine Karriere als Weltklassespieler hat Spuren hinterlassen, mehrmals mussten seine beiden Knie operiert werden. Springen? Das gehe sogar, meint er. Aber Gehen? Oder sogar Radfahren? Wo die Knie durchgedrückt werden, nein, das gehe nun wirklich nicht. Also wartet Giani auf den Bus.

Die Spaziergänge sind nur ein Randaspekt, den Italiens Rekordnationalspieler von seinem erfolgreichen Vorgänger Vital Heynen bei den Deutschen unterscheidet. Der Belgier lief gerne mehrere Kilometer zu Fuß von den Hallen in London, Kattowitz oder Sofia zum Mannschaftshotel, um gedanklich schon mal die nächsten Spiele durchzugehen. 2014 führte der belgische Spaziergänger Deutschland sensationell sogar zu WM-Bronze.

Nach fünf Jahren löste Giani den öffentlichkeitsliebenden Heynen als Bundestrainer ab, der Polen 2018 sogar auf den WM-Thron geführt hat. Es war der Abschied von einem Flaneur und einer in erster Linie auf Sicherheit bedachten Spielweise. Giani, 2015 völlig überraschend Vize-Europameister mit Slowenien, impfte Georg Grozer & Co. eine mutigere Spielweise ein, vor allem im Aufschlag soll seine Mannschaft couragiert agieren. „Es geht um die Gesamteinstellung, dass man zu jeder Zeit überzeugt sein muss, dass es funktionieren kann“, sagte Giani während der in gleich vier Ländern ausgetragenen Endrunde über seine Spielidee.

Giani war als Profispieler ein Universalgenie. Der in Neapel geborene Modellathlet agierte im Mittelblock, auf der Diagonalen und auch in der Annahme. Mehrmals wurde er Weltmeister, mehrmals Europameister. Die Deutschen coacht er mit ansteckender Ruhe. „Als Spieler habe ich es nicht gemocht, wenn mein Coach rumgeschrien hat. Ein Spieler soll sich schließlich auf das konzentrieren, was sich auf dem Feld abspielt“, erläuterte der 49-Jährige. „Wenn er das nicht kann, kann er seinen Körper nicht unter Kontrolle haben und dann passieren Fehler.“

Die Spieler haben Hochachtung vor Giani. „Für mich ist er eine der größten Respektspersonen, die ich getroffen habe, weil man genau weiß, was er schon erreicht hat und wie er es erreicht hat“, erzählte Simon Hirsch, der Dauerersatzmann von Deutschlands Ausnahmevolleyballer Georg Grozer. Giani sei ein „sehr beruhigender Typ, der einen immer fordert und fördert.“ Nur nach dem 1:3 in der Gruppenphase gegen Leichtgewicht Spanien musste sich Giani - für seine Verhältnisse vehement - Luft verschaffen.

Mit seiner gelassenen Haltung hat der Vereinscoach aus Modena auch Deutschland mit EM-Silber 2017 zu einem völlig unerwarteten Erfolg geführt. Dellen in seiner Trainervita gab es gleichwohl: So verpasste er zum Beispiel wenige Monate nach seinem Amtsantritt 2017 die Qualifikation für die WM 2018.

Aber das ganz große Ziel für Giani und seine Männer ist Tokio 2020. Die EM sei wichtig, um „als Team weiter zu wachsen und mit breiter Brust“ in die Olympia-Qualifikation im Januar in Berlin zu gehen. Wobei Giani selbst das Wort „gehen“ wohl eher nicht wählen würde.