Einzelkämpfer Haaland und die Frage nach BVB-Perspektiven

Von Von Holger Schmidt, dpa

dpa Köln. Erling Haaland hatte wieder stark gespielt. Er hatte zweimal getroffen und Borussia Dortmund vor einer Niederlage bewahrt. Dennoch kochte der Torjäger vor Wut. Der BVB wird sich strecken müssen, um dem Ausnahme-Stürmer eine langfristige Perspektive zu bieten.

Einzelkämpfer Haaland und die Frage nach BVB-Perspektiven

Wieder stark gespielt und zwei Mal gegen den 1. FC Köln getroffen: Dortmunds Erling Haaland (M) macht das Tor zur 1:0-Führung. Foto: Marius Becker/dpa-Pool/dpa

Die Bilder des Frust-Abgangs von Einzelkämpfer Erling Haaland bieten viel Raum für Interpretation. Mit zornigem Gesicht und lautstarken Flüchen war der Retter von Borussia Dortmund nach dem 2:2 (1:1) beim 1. FC Köln in die Kabine gerannt und würdigte niemanden eines Blicks.

Sein Trikot warf er Gegenspieler Jorge Meré in die Arme, ohne dessen Shirt als Gegenleistung abzuwarten. „Man hat seine Enttäuschung gesehen, weil er unbedingt drei Punkte wollte“, sagte Trainer Edin Terzic und untertrieb damit durchaus.

Natürlich sind diese Bilder Ausdruck des „unbändigen Siegeswillens“ der norwegischen Tormaschine, wie Terzic betonte. Selbst ein Last-Minute-Punkt mit zwei eigenen Toren stellt Haaland nicht zufrieden. Die Bilder sind auch Ausdruck harter Selbstkritik, denn der 20-Jährige hatte unter anderem mit einem Pfosten-Kopfball noch Chancen zu einigen weiteren Treffern. Und sie können auch prima als Zeichen purer Identifikation mit dem BVB gedeutet werden. Oder als eine Entwicklung ins Gegenteil.

Haaland haderte während der Partie mehrfach mit Mitspielern oder winkte ab. Es wirkte, als habe er den - nachvollziehbaren - Eindruck gewonnen, alles alleine regeln zu müssen. Und auf die Europa League oder gar die neue Conference League anstelle der Champions League hätte die heißeste Stürmer-Aktie im Weltfußball sicher wenig Lust.

Deshalb spielt der BVB im Saison-Endspurt nicht nur um den Einzug in die Königsklasse. Er kämpft sicher auch darum, Haaland eine Perspektive bieten zu können. Der bis 2024 laufende Vertrag enthält keine Ausstiegsklausel. Und eigentlich scheint klar: Wenn der BVB im Sommer einen Star abgibt, dann eher Jadon Sancho, dem der Wechsel nach England im Vorjahr verwehrt wurde. Sein ganzes Tafelsilber will und muss der BVB eigentlich nicht in einem einzigen Sommer verkaufen.

Doch um Haaland wirbt der gesamte Fußball-Hochadel, und alles andere als die Bühne Champions League wäre seiner nicht würdig. 21 Tore in 21 Bundesliga-Spielen hat er in dieser Saison erzielt, insgesamt 33 Treffer in 31 Pflichtspielen. Wenn Terzic betont, dass wir „sehr froh sind, dass er bei uns ist“, klingt das auch ein wenig beschwörend.

Zumal sich am Samstag zeigte, dass ohne den verletzten Kapitän Marco Reus außer Haaland nicht viel kam vom BVB. Ein bitterer Rückfall nach guten letzten Wochen, der sich für Terzic „nicht angedeutet“ hatte. „Wir gehen mit einer Portion Enttäuschung in die Länderspielpause“, sagte der Trainer: „Denn wir müssen uns diese Tabelle nun zwei Wochen lang angucken.“

Sie weist aktuell vier Punkte Rückstand auf Eintracht Frankfurt aus. Die auf dem begehrten vierten Platz liegenden Hessen im folgenden Direkt-Duell zu überholen, ist damit unmöglich. Eine Niederlage gegen Frankfurt könnte bei noch sieben ausstehenden Spielen sogar schon eine Vorentscheidung gegen den BVB bedeuten.

Der diesjährige Viertelfinalist braucht also unbedingt einen Sieg, will er im nächsten Jahr wieder Festtage in der Champions League erleben. Und selbst ein Erling Haaland wird es so ganz alleine wohl nicht richten können.

© dpa-infocom, dpa:210321-99-909475/2