Ex-Verbandsligist kämpft ums Überleben

Der FC Viktoria Backnang weist in der Fußball-Kreisliga A 2 nach sechs Spielen null Punkte auf. Reiner Ebert weiß, dass der Abstieg nur schwer zu verhindern ist. Der Spielleiter hofft, ein komplettes Aus im Aktivenbereich aber irgendwie verhindern zu können.

Ex-Verbandsligist kämpft ums Überleben

Spielleiter Reiner Ebert blickt mit großer Sorge auf die Negativentwicklung bei der ersten Mannschaft des FC Viktoria Backnang.Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

Ralf Rangnick zählt seit Jahren zu den Großen der Fußballwelt. Wird über die Karriere des Vordenkers der deutschen liebsten Sportart berichtet, kommt regelmäßig der FC Viktoria vor. Der Verein, bei dem Rangnick als Steppke mit der Kickerei begonnen hat. Der Klub, den der 62-Jährige als Spielertrainer in den Achtzigern von der Bezirks- bis in die Verbandsliga führte. Für Rangnick waren es die ersten von mittlerweile vielen und vor allem deutlich größeren Erfolgen. Für den FCV war es der Beginn einer Blütezeit, die ihm insgesamt 18 Jahre in Folge in der Verbands- oder Landesliga einbrachten. Doch während Rangnick gerade als Sportdirektor des italienischen Traditionsvereins AS Rom gehandelt wird, steht sein Heimatverein nun vor dem Absturz in die Kreisliga B und damit vor einer unsicheren Zukunft.

Reiner Ebert kennt die guten Zeiten der Viktoria. Als Spieler war er lange Leistungsträger, als es in der Landes- und der Verbandsliga um Punkte ging. Ebert war einer, der beim FCV in der bis Mitte der Neunziger vierthöchsten Klasse Deutschlands voran ging und im Mittelfeld die Fäden zog. Mittlerweile kämpft der 58-Jährige abseits des Platzes. Als Spielleiter und als für den sportlichen Bereich zuständiges Vorstandsmitglied müht er sich, den Männerbereich am Leben zu halten. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht, doch Ebert sagt zur Frage, warum er sich das alles antut: „Ich kann den Bettel gar nicht hinschmeißen, sonst sieht’s hier grabbanacht aus.“

Das alles heißt nach sechs Kreisliga-A-Partien null Punkte und 6:38 Tore. Ebert weiß, was die Stunde geschlagen hat: „Es wird schwierig, wir müssen schauen, dass wir die Runde anständig zu Ende bringen.“ Für den Spielleiter, der für klare Worte bekannt ist, steht fest: „Wir haben nicht die Qualität für die Liga.“ Deshalb plädierte er vor der Saison dafür, freiwillig in die Kreisliga B zu gehen und dort zu versuchen, eine Mannschaft aufzubauen. Denn schon vergangene Runde war der FCV beim Abbruch wegen der Corona-Pandemie Schlusslicht und hatte in 16 Partien nur vier Punkte gesammelt.

Trotzdem hofften Coach Lami Sabani und sein spielender Co-Trainer Agron Hajdaraj, für diese Runde eine schlagkräftige Truppe zusammen zu bekommen. Ebert ließ sich umstimmen und sagt nun: „Wir stecken in der Bredouille.“ Das Saisonziel? „Gar nicht unbedingt der Klassenverbleib, sondern der Aufbau einer Mannschaft, einer echten Einheit. Das wissen auch die Trainer.“ Die stehen für ihn deshalb nicht zur Diskussion, zumal er sich noch gut an die vergangene Runde erinnert, als es nicht lief und in der Winterpause „Lami Sabani zum Glück den Trainerjob übernommen hat“. Nun gilt es, den völligen Niedergang gemeinsam zu verhindern. Einfach wird das nicht. Das weiß der Funktionär in Doppelfunktion, der mittlerweile selbst für kleine Lichtblicke dankbar ist. Wie beim 1:2 gegen das zuvor ebenfalls noch punktlose Oppenweiler/Strümpfelbach II. „Da hat das Team gekämpft und sich reingehängt.“ Mehr erwartet er derzeit nicht.

Wobei Ebert weit davon entfernt ist, der jetzigen Elf die alleinige Schuld für die Misere zu geben: „Angefangen hat das vor viereinhalb Jahren, als wir in der Saison 2016/2017 mit der ersten Mannschaft aus der Landes- und der Zweiten aus der Kreisliga A abgestiegen sind.“ Damals seien 25 von 28 Spielern weg. Ein Aderlass, der eine bis heute andauernde Negativentwicklung in Gang setzte, denn nur zwölf Monate später folgte ein erneuter Abstieg und die Auflösung der Reserve. Im ersten Jahr wurde in der Saison 2018/2019 die Kreisliga A als Viertletzter zwar noch gehalten, doch „wir haben danach keine adäquaten Spieler bekommen, die menschlich rein gepasst haben“, gesteht Ebert und sagt: „Vielleicht hätten wir vor eine paar Jahren bereits einen kompletten Neuanfang machen sollen.“ Doch damals war Ebert frustriert wegen Disziplinlosigkeiten einiger Akteure der zweiten Mannschaft und stellte sein Amt zur Verfügung. Zwei Jahre später kehrte er zurück: „Norbert Hermann hat mich überredet, sonst wäre im Männerbereich vielleicht damals schon Schluss gewesen.“ Seit März muss Ebert auf die Unterstützung seines einstigen Weggefährten als Spieler aber bereits wieder verzichten.

Er selbst hat noch nicht aufgegeben, obwohl er gesteht: „Es geht schon an die Substanz und manchmal fühle ich mich arg allein.“ Ein Satz, den er aber nur in Bezug auf die erste Mannschaft verstanden wissen will, denn: „Der Verein funktioniert ansonsten ganz gut und hat finanziell keine Probleme“. Die Klubführung mit Leuten wie Marvin Schygulla an der Spitze, mit Horst Liebentritt als Jugendleiter und mit Finanzchef Rainer Pagel passe. Auch die Jugend sei eigentlich gut aufgestellt, obwohl mit Martina Kobald eine ganz wichtige und große Stütze aufgehört habe, sagt Ebert. Nur das Aushängeschild krankt und wird aus eigener Kraft wohl nicht so schnell gesunden. „Wir haben zwar eine gute B-Jugend, doch momentan fehlt eine A-Jugend“, erzählt der Spielleiter und sagt: „Zwei, drei Jahre müssen wir noch überbrücken.“ Das wird nicht einfach, weiß Ebert und ahnt, wie unsicher die Zukunft des Vereins ist, bei dem ein Ralf Rangnick vor einem halben Jahrhundert die Liebe zum Fußball entdeckte.