Streit um Sparkurs: Ferrari-Teamchef sorgt für Wirbel

Von Von Jens Marx und Christian Hollmann, dpa

dpa Maranello. Ferrari will nicht noch mehr sparen. Wenn die Formel 1 wegen Corona die Ausgabengrenze noch weiter senkt, könnte sich die Scuderia nach Alternativen umschauen. Das könnte auch Sebastian Vettels Zukunft beeinflussen.

Streit um Sparkurs: Ferrari-Teamchef sorgt für Wirbel

Ferrari hat die Darstellung über eine angebliche Ausstiegsdrohung aus der Formel 1 zurückgewiesen. Foto: Szilard Koszticsak/MTI/AP/dpa

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hat mit heiklen Sätzen den explosiven Kostenstreit in der Formel 1 weiter forciert. Erstaunt über die Wucht der Aussagen, die zunächst als Ausstiegsdrohung verstanden worden waren, mühte sich die Scuderia nun um eine Klarstellung.

Es habe sich um „ein Missverständnis“ gehandelt, versicherte der Rennstall. Binottos Worte, Ferrari wolle im Falle einer weiteren drastischen Reduzierung des Etatlimits nicht nach „anderen Optionen“ abseits der Formel 1 schauen müssen, klangen aber durchaus ominös.

Der erste Verdacht: Die Scuderia will nun auch öffentlich ihren Widerstand gegen weitere Notfall-Sparprogramme demonstrieren und greift dafür zum schärfsten Schwert, der Warnung vor einem Rückzug. Dabei wollte der italienische Rennstall eigentlich in dieser Saison seinen 1000. Grand Prix in der Motorsport-Königsklasse zelebrieren. 991 waren es bisher.

Kein anderes Team ist seit dem ersten WM-Jahr 1950 dabei. Ferrari ist die schillerndste Marke der Formel 1. Sollte es tatsächlich zu einem Bruch kommen, dann müsste auch Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel seine Zukunft nach Ablauf seines Ferrari-Vertrags am Jahresende ganz neu überdenken.

Kern des hochbrisanten Konflikts ist die Kostengrenze, die für 2021 nach langen Debatten auf rund 161 Millionen Euro festgeschrieben war. Doch das ist jetzt den meisten nicht mehr genug. Informell verabredet sind nach den ersten Krisenrunden bereits 150 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) als Zielmarke. Aber gerade die kleinen Teams und der Weltverband drängen wegen der Corona-Notlage auf eine noch tiefere Grenze.

Ferrari hält dagegen. Der Rennstalle wolle „nicht in eine Position gedrängt werden“, sich nach Alternativen zur Formel 1 umschauen zu müssen, um die „Rennsport-DNA“ des Unternehmens zum Einsatz zu bringen, wurde Teamchef Binotto vom „Guardian“ zitiert. Ferrari fürchtet eigenen Angaben zufolge vor allem, dass hunderte Arbeitsplätze durch ein drastisch reduziertes Limit gefährdet würden.

Wie ernst es der Scuderia mit einer Veränderung seines Engagements im Motorsport sein könnte, ist offen. Dem Fachportal „the-race.com“ zufolge würde der Sportwagenbauer über Starts in der Langstrecken-WM oder der amerikanischen Indycar-Serie nachdenken. Ob andere Rennserien dem Hersteller aber eine so starke Plattform bieten würden wie die Formel 1, erscheint fraglich.

Dass Binotto sich derzeit auch in Verhandlungen über einen neuen Kontrakt mit Vettel nach diesem Jahr befindet, deutet zumindest darauf hin, dass Ferrari auch über 2020 hinaus in der Formel 1 plant. Teamkollege Charles Leclerc, der bis Ende 2024 unter Vertrag steht, wäre „definitiv happy“, wenn Vettel nach sechs Jahren bei Ferrari noch weitere Runden im roten Rennwagen drehen würde, erklärte der 22 Jahre alte Monegasse in einer Videokonferenz.

Doch bevor überhaupt wieder gefahren werden kann, muss die Formel 1 zunächst das Überleben aller Teams sichern. Wie die Binotto-Aussagen bei Williams, McLaren oder Renault ankommen, die ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, darüber kann man nur spekulieren. McLaren macht sich sogar für 100 Millionen Dollar als künftiges Limit stark.

Wohlgemerkt: Die Fahrergehälter waren bei der vorerst gültigen Ausgabengrenze nicht eingerechnet, weitere Ausnahmen sind auch möglich. Neben Ferrari gilt auch Red Bull als Gegner einer weiteren Senkung. Branchenführer Mercedes soll sich dem Vernehmen nach nicht gegen eine moderate weitere Reduzierung sperren.

„Wir sind uns alle bewusst, dass die Formel 1 und die ganze Welt durch die Coronavirus-Pandemie besonders schwere Zeiten durchleben“, sagte Binotto. „Es ist aber nicht die Zeit, voreilig zu handeln, denn dann geht man das Risiko ein, Entscheidungen in dieser Notsituation zu treffen, ohne alle Konsequenzen durchdacht zu haben.“

Nicht zum ersten Mal verwies er bei seiner Argumentation auf die unterschiedlichen Interessen und Strategien der zehn Rennställe von reinen Herstellern bis zu privaten Teams. Und er fürchtet bei einer weiteren Senkung des Budgets um den Ruf der Serie als Gipfel des Motorsports in Sachen Technologie und Leistung.

Machtlos ist aber auch die hochgezüchtete Formel 1 gegen die Coronavirus-Pandemie. Die Zwangspause, deren Ende trotz Planungen für einen Saisonstart Anfang Juli in Österreich derzeit nicht wirklich absehbar ist, hat die Notlage bei einigen Teams dramatisch verschärft. So erscheint offen, wie lange sich Ferrari seine Basta-Haltung gegen einen noch radikaleren Sparkurs leisten kann.