Geisterspiele und Abbrüche: Europas Fußball in der Krise

Von Von Philip Dethlefs, dpa

dpa London. Die DFL arbeitet an der Wiederaufnahme der Bundesliga-Saison. In anderen Ländern könnte es noch deutlich länger dauern, bis der Ball wieder rollt. Während die europäischen Top-Ligen hoffen, ist die Saison in den Niederlanden schon beendet. Weitere könnten folgen.

Geisterspiele und Abbrüche: Europas Fußball in der Krise

Das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union berät über die Folgen möglicher Saisonabbrüche. Foto: Silas Stein/dpa

Wenn es nach dem Wunsch der Deutschen Fußball Liga geht, könnte der Spielbetrieb in der Bundesliga schon in wenigen Wochen wieder aufgenommen werden.

Vorausgesetzt, Bundesregierung und Gesundheitsexperten stimmen den DFL-Plänen zu, hätte Deutschland in Zeiten der Coronavirus-Pandemie eine Vorreiterrolle im europäischen Fußball. In anderen Ländern sind die Verantwortlichen längst nicht so optimistisch.

Das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union UEFA berät heute (ab 10.00 Uhr) über die Folgen möglicher Saisonabbrüche. War zuletzt noch ein Ausschluss der betroffenen Verbände aus der kommenden Europapokal-Saison im Gespräch, deutet nun alles auf Notfallpläne hin, um trotzdem das Teilnehmerfeld für die Europa League und Champions League einigermaßen fair bestimmen zu können. Ein Überblick über den derzeitigen Stand.

PREMIER LEAGUE (England):

Ein Saisonabbruch ist für die Premier League bisher zwar kein Thema. Dem britischen „Guardian“ zufolge wird bei einigen Vereinen aber zumindest darüber nachgedacht. Denn wann wieder gespielt werden kann, ist offen. Die Clubs hoffen auf eine baldige Saisonfortsetzung, um die restlichen 92 Spiele austragen zu können. In den vergangenen Wochen wurde unter anderem über eine Lösung im Turnierstil spekuliert. Die Teams könnten ihre restlichen Partien ohne Publikum an wenigen Orten austragen, etwa auf der Trainingsanlage des englischen Fußballverbands im St. Georges Park. Damit wären zumindest die wichtigen TV-Gelder gesichert.

Medienberichten zufolge wollten einige Vereine eine Frist festlegen. Demnach sollte die Saison definitiv vor dem 30. Juni zu Ende gespielt werden, um Probleme bei auslaufenden Verträgen zu vermeiden. Der Vorschlag kam bei der Videokonferenz der Liga am vergangenen Freitag aber nicht zur Sprache. Experten halten es für unrealistisch, dass bis Ende Juni alle ausstehenden Spiele ausgetragen werden können.

Die Clubs waren sich bei ihrem Online-Meeting allerdings einig, dass sie die Saison in jedem Fall zu Ende spielen wollen. Das dürfte auch im Interesse von Trainer Jürgen Klopp sein. Seinem FC Liverpool fehlen nur noch zwei Siege zur ersten Meisterschaft seit 30 Jahren. Über die Fortsetzung der Saison sagte Klopp beim Sender Sky Sports: „Wir können das nicht erzwingen, und das werden wir auch nicht tun.“

LA LIGA (Spanien):

Derzeit wird in Spanien noch diskutiert, wann und ob die Saison in La Liga fortgesetzt werden kann. Das Land ist besonders hart von der Coronavirus-Pandemie getroffen worden. Trotzdem ist es das erklärte Ziel der Liga-Verantwortlichen, die Saison zu Ende zu spielen, aller Voraussicht nach vor leeren Rängen.

Rekordmeister Real Madrid schlug darum vor, seine restlichen Spiele außerhalb Madrids auszutragen. Das kleine Trainingsstadion Estadio Alfredo di Stéfano in Valdebebas hat nur rund 6000 Plätze, die für Geisterspiele ohnehin nicht gebraucht würden. Für die Königlichen hätte das den Vorteil, dass die Umbauarbeiten in ihrem Heimstadion Santiago Bernabéu schneller voranschreiten könnten.

Für den Fall, dass die Spielzeit wider Erwarten abgebrochen werden muss, schlug der spanische Fußballverband RFEF vor, den aktuellen Tabellenstand über die Teilnahme an der Champions und der Europa League entscheiden zu lassen.

SERIE A (Italien):

Italien ist weltweit eines der am härtesten getroffenen Länder von der Coronavirus-Pandemie. In der Serie A soll es trotzdem möglichst bald weitergehen. Die Liga-Verantwortlichen haben sogar schon Pläne für mögliche Geisterspiele gemacht. Demnach sollen die Fußballprofis zunächst ab dem 4. Mai isoliert werden. Die Spieler würden dann auf das Coronavirus getestet und müssten drei Wochen unter strenger Kontrolle in Camps leben, bevor die Saison wieder aufgenommen werden könnte.

Allerdings ist nicht abzusehen, ob solche Pläne realistisch sind. Eine Entscheidung über die Fortsetzung der Saison, in der noch zwölf Spieltage ausstehen, ist am Mittwoch vertagt worden. In den kommenden Tagen sollen erst Gespräche mit Gesundheitsminister Roberto Speranza und dem wissenschaftlichen Ausschuss der Regierung stattfinden, teilte Italiens Sportminister Vincenzo Spadafora nach einem Treffen mit dem Fußballverband FIGC mit.

LIGUE 1 (Frankreich):

In Frankreich strebt der für die Ligue 1 und Ligue 2 zuständige Verband LFP eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs am 17. Juni an. Wie die LFP am Dienstag mitteilte, habe man sich bereits am 10. April auf einen entsprechenden Plan verständigt. Die Idee ist, die Saison nach Möglichkeit bis zum 25. Juli zu beenden, damit am 22. August die nächste Spielzeit 2020/21 regulär beginnen kann.

Voraussetzung für diese Pläne ist aber zunächst die Lockerung der landesweiten Ausgangsbeschränkungen, die noch mindestens bis zum 11. Mai gelten. Ende April will sich die Regierung von Präsident Emmanuel Macron dazu äußern. Entscheidend sind laut LFP die Bedingungen, unter denen die Spiele hinter verschlossenen Türen stattfinden könnten. Man warte außerdem auf Empfehlungen der UEFA.

ANDERE LIGEN:

In der niederländischen Eredivisie ist die Spielzeit vorzeitig beendet, nachdem Premier Mark Rutte angekündigt hat, dass es bis zum 1. September keine Spiele mehr geben wird - auch nicht ohne Publikum. Der Verband KNVB will am Freitag mit allen Beteiligten beraten, wie die Spielzeit gewertet wird. Vor allem die Frage, wer zum Meister ernannt wird und ob es Auf- und Absteiger gibt, sorgt für Diskussionen.

Ein ähnliches Schicksal droht der Liga in Belgien. Voraussichtlich am Montag werden die Clubs eine endgültige Entscheidung über einen vorzeitigen Abbruch der Saison treffen. Zuvor wird am Freitag eine Erklärung der belgischen Regierung zu Massenveranstaltungen erwartet. Die Liga-Kommission hatte schon Ende März vorgeschlagen, die Spielzeit aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht fortsetzen.

Auch in Schottland gilt ein Saisonabbruch als wahrscheinlichste Option. Regierungschefin Nicola Sturgeon äußerte sich selbst mit Blick auf Geisterspiele skeptisch. Der Fokus der Vereine liegt indes schon auf der nächsten Spielzeit mit neuen lukrativen TV-Verträgen. Auch über eine Aufstockung der Premiership von zwölf auf 14 Vereine, eventuell sogar dauerhaft, wird momentan diskutiert.

Vergleichsweise unproblematisch ist die Lage in Schweden, wo die Saison üblicherweise von März oder April bis November dauert. Nachdem der ursprünglich für den am 4. April geplante Start der Allsvenskan wegen der Coronavirus-Krise verlegt werden musste, soll die Liga nun am 14. Juni starten, und das sogar mit Publikum. In Schweden sind derzeit Versammlungen von bis zu 50 Menschen erlaubt. Die Liga hofft, ab Mitte Mai zu wissen, ob Zuschauer zugelassen werden können.