Coronavirus: Was dem deutschen Sport jetzt droht

Von Von Christian Hollmann und Eric Dobias, dpa

dpa Berlin. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus könnte nun auch für den deutschen Sport große Konsequenzen haben. Zu befürchten sind Geisterspiele und ein Termin-Chaos.

Coronavirus: Was dem deutschen Sport jetzt droht

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus könnte nun auch für den deutschen Sport große Konsequenzen haben. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Dem deutschen Sport drohen wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Geisterspiele und Absagen.

Nach der am Montag erneuerten Empfehlung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern offensiver abzusagen, wächst auch der Druck auf die großen Profiligen des Landes.

Warum sollen auch Sport-Großveranstaltungen vorerst nicht mehr stattfinden?

Für Minister Spahn ist es das oberste Ziel, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. „Denn je langsamer sich das Virus verbreitet, desto besser kann unser Gesundheitssystem damit umgehen“, sagte er. „Es ist sicher leichter, auf Konzerte und Fußballspiele zu verzichten als auf den Weg zur eigenen Arbeit.“ Auch der Chef des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, schloss sich Spahns Empfehlung an und sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Man kann nicht Fußballspiele mit 35 .00 Besuchern stattfinden lassen, als wäre nichts geschehen.“

Wie reagiert der Sport auf die Empfehlung des Gesundheitsministers?

Geschäftsführer Christian Seifert von der Deutschen Fußball Liga rechnet schon an diesem Wochenende mit Geisterspielen in der Bundesliga. „Wir würden am liebsten schon nächsten Spieltag mit Zuschauern spielen. Das ist aber leider nicht realistisch“, sagte er am Montag bei „Bild live“. Eine Komplett-Absage schließt die DFL weiter genauso aus wie die Bundesligen im Handball, Basketball und Volleyball sowie die Deutsche Eishockey-Liga. „Aufzuhören ist keine Option. Wir brauchen Mitte Mai eine Tabelle, damit die Clubs planen können“, sagte Seifert dazu.

Wer darf Spiele mit großen Zuschauerzahlen verbieten?

Im Falle einer Gefährdung von Spielern und Zuschauern können nur die lokalen Gesundheitsbehörden eine solche Entscheidung treffen, weil dabei neben Aspekten der Infektionsvorbeugung auch solche des gesamten öffentlichen Lebens zu berücksichtigen sind. Die Dachorganisationen des Sports sind nicht berechtigt, eine Partie abzusagen, weil sie nicht als Veranstalter fungieren.

Daher gibt es keine einheitliche Linie bei der Entscheidungsfindung. So muss Borussia Dortmund am Mittwoch in der Champions League bei Paris Saint-Germain vor leeren Tribünen spielen, während das Königsklassen-Heimspiel von RB Leipzig gegen Tottenham Hotspur am Dienstag vor vollen Rängen ausgetragen wird. Auch für das Zweitliga-Topspiel VfB Stuttgart gegen Arminia Bielefeld am Montagabend gab es keine Einschränkungen. Dagegen findet das Europa-League-Spiel von Eintracht Frankfurt beim FC Basel am 19. März wegen eines Verbots der örtlichen Behörden nicht in Basel statt. Ein neuer Spielort stand zunächst nicht fest.

Gibt es noch andere Möglichkeiten außer Verschiebungen oder Geisterspiele?

Handball-Bundesligist Eulen Ludwigshafen muss nach Aussage von Trainer Ben Matschke vor dem ausverkauften Heimspiel gegen den THW Kiel am 19. März die Personalien aller Zuschauer erfassen. Das Gesundheitsamt habe entsprechende Restriktionen erlassen. „Bevor die Zuschauer die Halle betreten, müssen wir über jeden Bescheid wissen“, sagte Matschke. Eine solche Maßnahme dürfte für die meisten Vereine nur schwer zu bewältigen sein - und könnte auch Datenschützer auf den Plan rufen.

Wie kurzfristig können Behörden oder Veranstalter eingreifen?

Das kann bis zur Öffnung der Stadion- oder Hallentore wenige Stunden vor dem Anpfiff geschehen, wie die jüngsten Beispiele gezeigt haben. Sowohl das Fußball-Bundesligaspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln am 9. Februar als auch die Europa-League-Partie von Eintracht Frankfurt bei RB Salzburg am 28. Februar wurden wegen Sturmwarnungen jeweils am geplanten Spieltag abgesagt. Gesundheitsminister Spahn rät allerdings zu frühzeitigen Entscheidungen, um allen Beteiligten und Betroffenen die nötige Planungssicherheit zu geben.

Welche Maßnahmen haben die Clubs und Dachorganisationen bereits ergriffen?

Der Kontakt der Spieler zu den Fans wird auf ein Minimum reduziert oder ganz vermieden. Selfies mit den Stars oder Autogramme gibt es für die Fans derzeit so gut wie nicht. Ligen und Vereine empfahlen den Sportlern zudem, auf den Handschlag vor und nach Spielen zu verzichten. Nach dem BVB-Gastspiel in Paris wird es am Mittwoch keine Mixed Zone mit den Spielern geben. In manchen Arenen wurden Fans zusätzliche Desinfektionsmittel angeboten. Borussia Mönchengladbach bat Fans aus dem besonders vom Virus betroffenen Kreis Heinsberg, nicht zum Topspiel gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag zu kommen. 550 Ticketinhaber machten vom Angebot der Kaufpreiserstattung Gebrauch.

Was würden Absagen und Verlegungen mit Blick auf die Spielpläne bedeuten?

Es würde ein Terminchaos drohen, denn Ausweichtermine sind in der Schlussphase einer Saison rar. Im Fußball würde es besonders eng werden, wenn Vereine beteiligt wären, die noch im DFB-Pokal und den Europapokal-Wettbewerben mitmischen. Das sind Bayern München in der Champions League und Bayer Leverkusen sowie Eintracht Frankfurt in der Europa League. Die DFL will daher mit dem DFB und der UEFA erörtern, ob eine Verlagerung von Liga-Spieltagen bis Ende Mai theoretisch möglich sein könnte. Die Saison in den Bundesligen endet wegen der EM im Juni regulär Mitte Mai. Aber auch im Eishockey, wo in dieser Woche die Playoffs beginnen, und in den anderen großen Ballsportarten sind die Spielpläne dicht gedrängt.

Falls es Geisterspiele gibt - wer darf dabei sein und welche Folgen hätte dies für die Vereine?

Zuerst: Auch ein Spiel ohne Zuschauer kann nur von den lokalen Gesundheitsbehörden angeordnet werden. Sollte es dazu kommen, würden neben den beteiligten Mannschaften noch Betreuer, Ballkinder, Arena-Personal und Journalisten dabei sein. Eine solche Entscheidung würde den gastgebenden Verein aber praktisch das Heimrecht kosten und diesen zugleich um Einnahmen aus dem Ticketverkauf bringen. Die DFL prüft aus diesem Grund derzeit die Möglichkeit von Anpassungen des Lizenzierungsverfahrens für die Saison 2020/21, um mögliche finanzielle Nachteile für einzelne Clubs infolge von Auswirkungen des Coronavirus entsprechend zu berücksichtigen. Möglicherweise könnten auch Einnahmen aus der Zentralvermarktung früher ausgezahlt werden, um Clubs im Fall von möglichen Liquiditätsengpässen zu entlasten.

Wer entschädigt die Fans?

Solche Forderungen müssten sich an die betroffenen Vereine als Veranstalter der Spiele richten. Die Frage von Entschädigungen für Fans, die Tickets erworben haben, stehe bei den Clubs daher „ganz oben auf der Agenda“, sagte DFL-Boss Seifert. Borussia Dortmund kündigte am Montag bereits an, seinen Fans die Kosten für die Eintrittskarten für das Champions-League-Spiel in Paris zu erstatten. Der SC Freiburg setzt bis auf Weiteres <ob der nicht vorhersehbaren Lage“ den Ticketverkauf für Heim- und Auswärtsspiele aus.