Planänderung am Atlantik - Buchmann fährt weiter

Von Von Stefan Tabeling, dpa

dpa La Rochelle. Den Traum vom Podium hat Emanuel Buchmann ad acta gelegt. Bei fast sechs Minuten Rückstand soll sich der Vorjahresvierte nun auf das Ziel Etappensieg konzentrieren. Vorher muss sich der angeschlagene Kletterer aber erholen. Verstärkung gibt es für das nächste Jahr.

Planänderung am Atlantik - Buchmann fährt weiter

Konnte seinen Konkurrenten in der Pyrenäen nicht folgen: Emanuel Buchmann. Foto: David Stockman/BELGA/dpa

Im Segler- und Surferparadies La Rochelle ließ sich bei strahlendem Sonnenschein die Frustbewältigung bei Emanuel Buchmann ein wenig angenehmer betreiben.

Ein paar Kilometer spulte der angeschlagene Radstar auf seinem Arbeitsgerät an der Atlantikküste ab, ansonsten stand Regeneration ganz oben auf dem Tagesprogramm. In Angriffslaune war der Vorjahresvierte am Ruhetag der 107. Tour de France aber noch lange nicht. „Die Enttäuschung ist natürlich groß, wenn man sich ein Jahr darauf vorbereitet. Das ist kein schönes Gefühl“, sagte Buchmann auf einer Pressekonferenz in La Rochelle.

An Aufgabe denke er aber nicht. „Bei der Tour steigt man nicht einfach so aus. Die will man schon zu Ende bringen“, sagte der Ravensburger und kündigte einen neuen Anlauf für die nächsten Jahre an: „Ich weiß nach wie vor, dass ich es kann. Da ändert sich für die nächsten Jahre nichts. Die Werte waren vor der Tour auch andere.“

Den freien Tag am Atlantik nutzte das Team, um eine Planänderung zu vollziehen. Denn von den Podiumsträumen ist nichts mehr übrig geblieben, nachdem Buchmanns sensibler Motor in den steilen Pyrenäen gefährlich in den roten Bereich geraten war. „Das Gesamtklassement ist hinfällig. Wir werden versuchen, auf Etappensiege zu fahren“, sagte Sportdirektor Enrico Poitschke der Deutschen Presse-Agentur und formulierte die neue Ausrichtung. Alles andere wäre bei fast sechs Minuten Rückstand in der Gesamtwertung auch unrealistisch gewesen.

Dabei hatte Buchmann so sehr auf das große Ziel hingearbeitet, sogar mit dem ganz großen Coup geliebäugelt. Entsprechend war die Stimmung des 27-Jährigen nach dem Systemausfall auf den Rampen im Grenzgebirge im Keller. „Mental ist es schwer zu akzeptieren, dass man nicht ganz vorne mitfahren kann. Er hat monatelang darauf hingearbeitet. Wenn man dann angeschlagen in die Tour geht und merkt, dass es nicht funktioniert, ist das hart“, ergänzte Poitschke. Durch den Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt habe das Leichtgewicht aus dem Bora-hansgrohe-Team aber zu viele Trainingstage, zu viel Energie verloren. 15 bis 20 Watt habe er verloren, meinte Buchmann.

Was wäre sonst wohl möglich gewesen? „Viel“, sagte Teamchef Ralph Denk der dpa: „Die Leistungen sind ja messbar. Dieses Tempo der Favoritengruppe wäre er mit seiner Dauphiné-Form relativ leicht ohne besondere Quälerei mitgegangen.“ Stattdessen wurde er abgehängt, als die Stars um den neuen Gelbträger Primoz Roglic beim ersten Kräftemessen ernst machten.

So glich das Kyriad-Hotel in Aytré unweit von La Rochelle entfernt einem kleinen Sanatorium. Denn auch die drei Teamkollegen Maximilian Schachmann, Lennard Kämna und Gregor Mühlbauer kurierten Sturzverletzungen aus. „Der Körper geht in eine Art Notmodus. Bis hierher und nicht weiter“, sagte Lennard Kämna dem ZDF und fügte hinzu: „Wir erholen uns langsam. Ich glaube, dass wir in der zweiten und dritten Woche besser fahren werden.“ Und Schachmann betonte: „Wir sind keine gebrochene Truppe.“

Ein Etappensieg als Mindestziel soll dann herausspringen. Man werde nun schauen, welche Etappen Buchmann liegen. Und auch Schachmann, bei dem drei Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch die Werte besser werden, könnte noch eine Rolle spielen. „Aber an erster Stelle steht die Verteidigung des Grünen Trikots“, betonte Poitschke mit Blick auf die Punktewertung, die Ex-Weltmeister Peter Sagan noch knapp anführt. Richtig überzeugen konnte der Slowake aber auch nicht, was auch Denk aufgefallen ist: „Im Mann-gegen-Mann-Duell der besten Sprinter ist er im Moment nicht konkurrenzfähig.“

Apropos Konkurrenzfähigkeit. Damit Situationen wie in diesem Jahr, als Buchmann recht früh allein am Berg war, nicht mehr auftreten, hat sich der Rennstall mit dem gestandenen Rundfahrer Wilco Kelderman für die neue Saison verstärkt. Aktuell kann der 29-jährige Niederländer und frühere Vuelta-Vierter aber nicht helfen.

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