Großbaustelle DFB: Keller als Krisenmanager gefordert

Von Von Eric Dobias und Ulrike John, dpa

dpa Frankfurt/Main. Der DFB plagt sich seit einigen Jahren mit etlichen Problemen. Immer wieder wird der Verband durch Affären erschüttert. Präsident Keller steht bei den Aufräumarbeiten vor einer Herkulesaufgabe.

Großbaustelle DFB: Keller als Krisenmanager gefordert

DFB-Präsident Fritz Keller ist jetzt als Krisenmanager gefragt. Foto: Arne Dedert/dpa

Die Pokale in den Vitrinen im Foyer der DFB-Zentrale zeugen von einer glorreichen Vergangenheit. Doch im Herbst 2020 ähnelt der Deutsche Fußball-Bund eher der Großbaustelle am Frankfurter Stadtwald, wo derzeit die neue Akademie entsteht.

Statt mit aller Kraft die Zukunft zu gestalten, muss der von einer Steueraffäre erschütterte Verband wieder einmal Altlasten wegräumen. „Haus in Flammen“, wie die „Frankfurter Rundschau“ nach der Groß-Razzia der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung titelte, statt letztes Lagerfeuer der Gesellschaft.

Sommermärchen-Affäre, Führungskrisen, sportliche Probleme, finanzielle Einbußen, dazu die Corona-Pandemie: Die fetten Jahre in der Otto-Fleck-Schneise sind vorbei. DFB-Boss Fritz Keller, der das Amt im September 2019 übernahm, ist momentan mehr als Krisenmanager denn Erneuerer gefragt. Doch kann er die massiven Probleme des Verbandes, dessen Image deutlich gelitten hat, lösen?

Der 63-Jährige ist zwar ein erfolgreicher Unternehmer, als Funktionär eines klüngelhaften Verbandes verfügt er jedoch über keinerlei Erfahrungen. Zudem besitzt der Präsident in seinem Amt keine Richtlinienkompetenz. Bei der Neuausrichtung des Verbandes ist Keller auf Mitstreiter angewiesen, die unmittelbar von der Steuer-Affäre betroffen sind - und denen im schlimmsten Fall sogar Haftstrafen drohen. Dennoch kündigte Keller an: „Ich kann nur sagen, dass wir vollumfänglich kooperieren werden in der Angelegenheit.“

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wirft sechs ehemaligen und aktuellen DFB-Funktionären vor, Erlöse aus der Bandenwerbung bei den Heimländerspielen der Nationalmannschaft in den Jahren 2014 und 2015 „bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt zu haben“. Damit sei der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen.

Knackpunkt in dem Fall ist ein Passus im Vertrag zwischen dem DFB und der Vermarktungsfirma Infront, in dem diese sich auf Wunsch des Verbandes dazu verpflichtet haben soll, keine Rechte an der Bandenwerbung an Konkurrenten des damaligen Generalsponsors (Mercedes) und Generalausrüsters (Adidas) zu vergeben. Aufgrund dieser aktiven Einflussnahme hätte der DFB die Einnahmen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht als Vermögen angeben dürfen, sondern gewerblich versteuern müssen.

Der Verband war sich dieser Problematik schon lange bewusst. Nach Informationen des „Spiegel“ soll der Steuerfachmann des DFB bereits 2013 die damalige Führungsriege um Präsident Wolfgang Niersbach gewarnt haben, dass die Finanzbehörden deswegen Ärger machten. Aus seiner Sicht bestünde „keine Chance, die Vermögensverwaltung zu erhalten“. Der DFB blieb bei seinem Steuermodell - legte aber 2017 zur Sicherheit 20 Millionen Euro für eventuelle Steuernachzahlungen zurück.

Dieses Geld wird der DFB nun wohl brauchen. Eine wahrscheinliche Strafe wird den finanziell gesunden Verband, der im Vorjahr einen Gewinn von 20 Millionen Euro verbuchte, zwar nicht in seinen Grundfesten erschüttern. Sie wäre aber zumindest schmerzhaft, denn die finanzielle Situation ist durch die Corona-Krise längst nicht mehr so rosig. „Extreme Sparsamkeit ist das Gebot der Stunde“, hatte Schatzmeister Stephan Osnabrügge im Juli bei der Vorstellung des Finanzberichts 2019 erklärt.

Kein Wunder, werden doch vor allem die Erlöse aus dem Spielbetrieb der DFB-Auswahl in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen. Erst spielte das Team von Bundestrainer Joachim Löw acht Monate lang gar nicht, dann vor leeren Rängen oder nur ganz wenigen Fans wie beim 3:3 gegen die Türkei in Köln.

Dass der Weltmeister von 2014 seit dem Neustart nach der Corona-Pause noch kein Spiel gewinnen konnte, passt ins Gesamtbild des Verbandes, der zudem von Nachwuchssorgen geplagt wird. Dagmar Freitag, Sportausschuss-Vorsitzende im Deutschen Bundestag, rechnet durch die Steuer-Affäre mit weiteren Image-Problemen für den DFB. Auch wenn der Kredit nicht gänzlich verspielt sei, „ist es natürlich nicht zu leugnen, dass mit dem Aufkommen des WM-Skandals vor einigen Jahren das Ansehen doch schon deutlich gelitten hat“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Ansicht von Freitag hat es in der jüngeren Vergangenheit „mehr als nur ein Versäumnis in der Zentrale in Frankfurt gegeben“. Gut möglich also, dass in den kommenden Monaten noch mehr Schmutz aus der Vergangenheit an die Oberfläche gespült wird. Schließlich hatte Keller jüngst verlauten lassen, dass man in der immer noch nicht aufgeklärten Sommermärchen-Affäre neue Erkenntnisse gewonnen habe. Die „Süddeutsche Zeitung“ rechnet daher mit einem heißen Herbst: „Die Dimension der neuesten Razzia lässt vermuten, dass mehr kommen wird.“

© dpa-infocom, dpa:201008-99-872708/3