Heidel wählt die Flucht nach vorne

Der scharf kritisierte Schalker Sportvorstand kündigt nach dem kläglichen 0:3 beim FSV Mainz seinen Rücktritt zum Saisonende an

Von Tobias Schächter

Er hat insgesamt 150 Millionen Euro in die Mannschaft investiert – doch in dieser Saison bleiben in der Liga die Ergebnisse aus. Also nimmt Schalkes Manager Christian Heidel seinen Hut.

Mainz Christian Heidel schaute noch ­einmal in die Runde, dann schlappte er in seinem typischen Watschelgang, die Hände in den Hosentaschen, aus den Katakomben des Mainzer Stadions. So, wie er es schon so oft auch in der Vergangenheit getan hat. Doch dieses Mal war es ein letztes Mal als Manager des FC Schalke 04. Gerade hatte Heidel an alter Wirkungsstätte seinen Rücktritt erklärt, nach einem blamablen 0:3 der Schalker beim FSV Mainz 05. Dass dies alles sich nun ausgerechnet in Mainz zutrage, sei ihm eher unangenehm, meinte Heidel: „Jeder andere Ort wäre mir lieber gewesen.“

Heidel ist vor 55 Jahren in Mainz geboren, er war 24 Jahre Manager beim FSV. Im Sommer 2016 war er nach Schalke gewechselt, weil er in Mainz Grenzen erreicht sah. Da ist es natürlich eine bizarre Pointe, dass er ­seinen Rücktritt nun ausgerechnet in seinem Geburtsort und im Stadion jenes Vereins ­bekannt gab, den er einst in der Bundesliga etablierte.

Eigentlich liefe der Vertrag Heidels mit dem Revierclub noch bis Sommer 2020. Nun aber gab er zermürbt von der Kritik an seiner Arbeit auf, kündigte seinen endgültigen Rückzug spätestens im Sommer an. Schalke will zeitnah einen Nachfolger präsentieren, spätestens, wenn der da sei, werde er aber nicht mehr körperlich präsent sein auf Schalke, sagte Heidel, der auf eine Abfindung und finanzielle Ansprüche über den Sommer hinaus verzichtet. Sein Büro soll er bereits letzte Woche geräumt haben.

Die Gründe für Heidels Rücktritt lagen nicht nur in der sportlich schlechten Lage der Schalker in der Liga. Nach der Pleite in Mainz rangiert S04 nur sieben Punkte vor dem VfB Stuttgart auf Relegationsplatz 16. Viel tiefer kann der Fall nach dem zweiten Platz in der letzten Saison nicht sein. Seit Wochen steht Heidel wegen seiner Personalpolitik in der Kritik, Namen von Nachfolgern wurden bereits genannt.

„Ich hatte nicht mehr den Glauben, in ­Ruhe arbeiten zu können“, erklärte Heidel: „Ich habe in meinem Leben immer aus der Position der Stärke gehandelt. Diese Position habe ich im Moment nicht mehr.“ Der Club aber brauche dringend Ruhe, so Heidel, der in der Kritik besonders von der Springer-Presse zuletzt Grenzen überschritten sieht. „Wenn Kritik in den Bereich der Verunglimpfung geht, dann muss ich das nicht haben“, sagte er.

Seinen Entschluss habe er endgültig vor zehn Tagen getroffen, erzählte Heidel, nachdem er in der Winterpause schon mit dem Gedanken des Rücktritts gespielt habe. Am Montag habe er dann den Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies unterrichtet. Mit Tönnies habe er nie ein Problem gehabt, versicherte Heidel. Wobei der Clubboss die Position Heidels schwächte, als er im Dezember öffentlich über mögliche Hilfe für den Sportvorstand in der Kaderplanung sinnierte. Heidel sagte am Samstag, er habe schon im Sommer Jonas Boldt von Leverkusen dazuholen wollen. Er habe sich nur gegen ein externes Beratermodell gestellt. Jonas Boldt übrigens gilt nun als heißester Kandidat für die Nachfolge von Heidel bei Schalke 04.

Fakt ist: Heidels Personalpuzzle hat in dieser Saison nicht funktioniert, was auch zu Diskussionen im Aufsichtsrat über den Sportvorstand geführt hat. Neuzugänge wie Salif Sané, Mark Uth oder Sebastian Rudy enttäuschten auch in Mainz. Christian Heidel aber sagt: Es sei zu einfach, alles auf die Neuen zu schieben, über die epische Verletzungsmisere beispielsweise im Sturm spreche niemand.

Heidel gab in den zweieinhalb Jahren auf Schalke 150 Millionen Euro für Spieler aus. Das Missverständnis mit Trainer Markus Weinzierl löste er schnell auf. Die erste Saison beendete Schalke auf Platz zehn. Mutig entschied sich Heidel dann für Domenico Tedesco von Zweitligist Aue als Nachfolger, mit dem jungen Trainer gelangen letztes Jahr der zweite Platz in der Liga und der Einzug ins Pokal-Halbfinale. Nun steht Schalke nach der 2:3-Heimniederlage letzte Woche gegen Manchester City vor dem Aus in der Champions League, in der Liga geht es nur noch um den Klassenerhalt – nur im Pokal ist noch die Qualifikation für den Europapokal möglich.

Heidel, der viel Geld in die Infrastruktur des Clubs investierte, war es zudem nicht gelungen, Schalker Hoffnungsträger aus der eigenen Jugend im Club zu halten (Sané, Goretzka, Meyer, Kehrer). Nun gab Heidel auf, so selbstbestimmt, wie ihm das nach der Kritik der vergangenen Wochen noch möglich war. Schalke muss nun wieder mal von vorne anfangen.