Holzhäuser: Außendarstellung des Fußballs „katastrophal“

Von Interview: Andreas Schirmer, dpa

dpa Frankfurt/Main. Gehälter und Transfersummen im Fußball begrenzen, die Finanzierung der Bundesliga auf den Prüfstand stellen und die Außendarstellung verbessern: Dies fordert Ex-Funktionär Wolfgang Holzhäuser im Interview der Deutschen Presse-Agentur im Zuge der Corona-Krise.

Holzhäuser: Außendarstellung des Fußballs „katastrophal“

Fordert umfangreiche Reformen im Profifußball und in der Bundesliga: Wolfgang Holzhäuser. Foto: picture alliance / dpa

Der frühere Fußball-Funktionär und -Manager Wolfgang Holzhäuser hält die Fortsetzung der Bundesliga ohne Zuschauer wirtschaftlich für notwendig, da sie „ohne Steuerzahlungen durch die Krise gehen“, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Zugleich hält der 70-Jährige Reformen im Profifußball für unabdingbar: „Die öffentliche Darstellung des Fußballs und die Finanzierung gehören auf den Prüfstand gestellt.“

Der Fußball-Bundesliga will Geisterspiele veranstalten und hat ein Konzept dafür vorgelegt. Die Risiken sind dennoch nicht abschätzbar. Ist es trotzdem richtig, die Saison fortzusetzen?

Wolfgang Holzhäuser: Ja, aber was heißt richtig? Es ist nur eine Frage, aus welchem Blickwinkel man das sieht. Aus der Sicht der Bundesliga und der zweiten Bundesliga ist es wirtschaftlich notwendig. Das ist unbestreitbar. Etwas betroffen bin ich über Reaktion von Leuten, die sagen, die Bundesliga würde es nur aus wirtschaftlichen Gründen machen. Die Bundesliga hat doch das gleiche Recht, in diese Richtung zu denken, wie es beispielsweise Konzerne wie Lufthansa oder Adidas tun. Auch sie sagen, wir müssen weiterkommen, und wenn es nicht geht, dann muss eben der Steuerzahler dafür herhalten. Die erste und zweite Bundesliga gehen ohne Steuerzahlungen durch die Krise und müssen sich aus eigener Kraft wirtschaftlich wieder erholen. Deshalb muss wieder gespielt werden. Das ist nun mal so.

Fußball ist auch Unterhaltung und der Lieblingssport der Deutschen.

Holzhäuser: Ich sage ganz offen: Fußballspiele sollte es auch aus Sicht der am Fußball interessierten Menschen wieder geben. Immerhin schauen bei Sky in der Regel am Samstag bis zu eine Million Zuschauer ein Live-Spiel im Fernsehen, und die Sportschau kommt so auf drei bis fünf Millionen. Ich halte es für wichtig, dass die Leute, die sich für Fußball, für Sport insgesamt interessieren, ein Programm geboten bekommen. Alle Bemühungen von ARD, ZDF und Sky, Fußball und Sport aus der Konserve zu zeigen, gehen einem irgendwann auf den Geist.

Im Zuge der Corona-Krise und der Geisterspiele-Debatte ist auch grundsätzliche Kritik an der Bundesliga mit einem Umsatz von vier Milliarden Euro pro Saison und am Profifußball mit immensen Gehältern und Transfersummen aufgekommen. Ist die Kritik berechtigt?

Holzhäuser: Ja. Ich gehöre zu den Leuten, die schon vor vielen Jahren vor dieser Art von Darstellung des Fußballs in der Öffentlichkeit gewarnt haben. Das geht unter, wenn der Fußball so funktioniert, wie er in den letzten Jahren funktioniert hat. Und noch etwas zu den Umsatzzahlen: Ich bin immer vorsichtig, wenn sie genannt werden, ohne andere Zahlen mit heranzuziehen, sondern sie nur ins Verhältnis zu Italien, England und Italien zu setzen. Ich habe immer den gleichen Spruch. Wenn ich für 500-Euro-Scheine 90 Euro verlange, mache ich einen Wahnsinnsumsatz und bin irgendwann pleite. Da spielt der Umsatz überhaupt keine Rolle.

Was läuft diesbezüglich in der Bundesliga falsch?

Holzhäuser: Entscheidend ist das Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen. Das ist kritisch, wenn ich ein Großteil meiner Erträge für die Ausgaben brauche und die Erträge schwankend sind. Das heißt, wenn ich abhängig von den Transfereinnahmen bin, die sowieso schwankend sind, und auch die andere Säule, die Fernseheinnahmen, für eine gewisse Zeit wegfallen, habe ich Liquiditätsprobleme. Das ist ein Problem, das die Bundesliga und die zweite Bundesliga sowie den Fußball in ganz Europa seit vielen Jahren begleitet. Es wird höchste Eisenbahn, dass die horrenden Steigerungen der Gehälter und Transfersummen begrenzt wird. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun.

Der Profifußball macht auch sonst keine gute Figur?

Holzhäuser: Die Darstellung des Fußballs nach draußen ist teilweise katastrophal. Stichwort: goldene Schnitzel oder Friseur aus London einfliegen lassen. Das ist für den Fußball nicht förderlich gewesen. Die öffentliche Darstellung des Fußballs und die Finanzierung gehören auf den Prüfstand gestellt.

Die exorbitanten Transfersummen sind nicht allein ein Problem der Bundesliga...

Holzhäuser: Wir brauchen dringend eine europaweite Lösung zur Begrenzung. Da kommt aus Frankfurt von der Deutschen Fußball Liga, dass sei nicht durchsetzbar und mit dem europäischen Recht nicht vereinbar. Da fällt mir nichts mehr ein. Ich bin froh, dass der DFL-Vorsitzende Christian Seifert das jetzt mal artikuliert hat. Das Schöne ist, wenn er sich äußert, hört jeder hin.

Was haben Sie für Vorschläge zur Reformierung der Bundesliga?

Holzhäuser: Konkret wird man sich mit der Finanzierung befassen müssen, wenn die Erträge mal nicht im notwendigen Umfang da sind und Vereine dadurch in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Es beginnt mit dem Lizenzierungsverfahren, das nur auf die Liquidität von zwölf Monaten abzielt. Das ist nur eine interne Sache. Wichtig ist, dass man europaweit das Thema Gehaltsobergrenze anpackt. Dafür braucht man eine Task Force der DFL auch mit Spezialisten, die sich mit diesen Themen ernsthaft auseinandersetzen, losgelöst von der Oberfläche des Fußballs. Sie sollte der UEFA dazu mal Vorschläge machen.

Und wie kann man die Fußballer zur Räson bringen, sich ziviler zu verhalten?

Holzhäuser: Einen Spieler, der sich nicht entsprechend verhalten kann, verpflichte ich nicht. Fertig! Ich habe mal einen Spieler abgelehnt, der später deutscher Nationalspieler wurde, immer noch Profi ist und teilweise Weltklassespiele abgeliefert hat. Er hat als 18-Jähriger über die „Bild“-Zeitung den Trainer seines Vereins angegriffen, weil er nicht aufgestellt wurde. Aus diesem Grund habe ich es abgelehnt, ihn zu verpflichten.

Wäre die Abschaffung der 50+1-Regel eine denkbare Reform, um die Finanzen der Bundesligisten mit Investoren zu stabilisieren?

Holzhäuser: Ich habe nie verstanden, warum es die Diskussion um die Frage 50+1, abschaffen oder nicht, gibt. 50+1 hat viel Gutes für den Fußball in Deutschland bewirkt. Ist jetzt die Zeit gekommen, über 50+1 neu nachzudenken? Ich kann nicht verstehen, warum ich 51 Prozent kontrolliere und 49 Prozent unkontrolliert laufen lasse. Wenn ich das nicht will, kann man eine Finanzierung über Investoren auch im Rahmen von 50+1 machen, wenn man gewisse Kriterien berücksichtigt: eine Beteiligung mit langfristiger Bindung des Kapitals oder ein Vorkaufsrecht der Anteile für den Verein. Langfristigen Investoren wären mit lieber als die Bank, die nach zwölf Monaten, wenn ich keine Sicherheiten mehr habe, den Kredit kündigt. Ich halte die Abschaffung von 50+1 deshalb für falsch. Wenn ich es aber so belassen will, dann kann ich auch die Finanzierung der Clubs auf eine Investitionsfinanzierung umstellen.

Sind nach der Corona-Krise noch Steigerung der TV-Einnahmen für die Bundesliga möglich?

Holzhäuser: Ich weiß nicht so recht. Man braucht, um die gleichen Zahlen zu erzielen, eine Konkurrenzsituation. Ob diese vorhanden sein wird, kann ich nicht beurteilen. Aber ich glaube, man sollte sich nicht auf die Steigerungsraten der Vergangenheit einstellen, sondern vielmehr froh sein, wenn man dieselben Beträge wiederbekommt.

Der Fußball hat die größte Fernsehpräsenz, die größten Einnahmen und wird beneidet von Athleten anderer Sportarten, die nicht im Geld schwimmen. Wäre es nicht gut für das Image des Profifußballs, diesen Sportarten jährlich ein paar Millionen abzutreten?

Holzhäuser: Da ist mein Herz ziemlich groß. Der Fußball hat natürlich eine Präsenz in den Medien erreicht, die andere Sportarten kaum noch atmen lässt. Da gibt es immer wieder Einzelaktionen, aber nicht so eine generelle, wo man sagt: Wir sind schon in einer guten Situation, und jetzt helfen wir einfach mal. Generell wäre das gut.

ZUR PERSON: Wolfgang Holzhäuser (70) war 23 Jahre beim Deutschen Fußball-Bund und an der Gründung der Deutschen Fußball Liga beteiligt. Vom 2001 bis 2013 arbeitete er als Sprecher der Geschäftsführung beim Bundesligisten Bayer Leverkusen.