Hülkenbergs Formel-1-Abschied am Jachthafen

dpa Abu Dhabi. In der Formel 1 ist kein Platz mehr für Nico Hülkenberg. „Ich bin nicht verbittert“, sagt er vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi. Seine Königsklassen-Vita ist auch eine Geschichte über verpasste Chancen.

Hülkenbergs Formel-1-Abschied am Jachthafen

Nico Hülkenberg wird nächstes Jahr nicht in der Formel 1 starten. Foto: Photo4/Lapresse/Lapresse via ZUMA Press/dpa

Im Rücken von Nico Hülkenberg schaukeln die Jachten im Wasser. Vor der Glitzerkulisse des Grand Prix von Abu Dhabi sitzt der deutsche Renault-Pilot an einem Holztisch und spricht vielleicht ein letztes Mal über seine Prognose für ein Rennen in der Königsklasse des Motorsports.

Nach 177 Grand Prix am Sonntag (14.10 Uhr/RTL und Sky) schließt der aufregendste Kreisverkehr der Welt den Rheinländer endgültig aus. „Es ist nicht neu, ich wusste schon eine Weile, dass es kommen würde“, erzählt Hülkenberg im Fahrerlager des Saisonfinales. Für jeden Fahrer sei es ja das letzte Formel-1-Rennen 2019. Bei ihm komme aber die „Unsicherheit über die Zukunft“ hinzu.

Hülkenbergs Geschichte in der Formel 1 ist auch eine Erzählung über das Timing. Zeit ist ja ohnehin der entscheidende Faktor in der Hochgeschwindigkeitsbranche. Hülkenberg, der 2010 bei Williams seinen Einstand in der Formel 1 gab, hat bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts immer mal wieder danebengelegen. Vielleicht war das auch nicht alleine seine Schuld. So genau weiß das nur der Emmericher, der Ferrari-Star Sebastian Vettel als einzigen deutschen Piloten im kommenden Jahr zurücklässt.

„Ein Teil von mir ist auch aufgeregt, was vor mir liegt. Ich schließe dieses Kapitel und öffne ein neues“, sagt Hülkenberg. „Was passiert oder nicht passieren könnte - ich weiß es nicht, niemand weiß es.“ Hülkenberg will sich erstmal ein paar Monate vom Rennfahren abkapseln. Dann wolle er sehen, wonach ihm der Sinn stehe und was sein Herz ihm sage. „Ich bin nicht verbittert“, beteuert er. Und zu einem Hinterbänklerteam wollte er dem Vernehmen nach nicht mehr.

Renault setzt ihn nach drei Jahren vor die Tür. Der Australier Daniel Ricciardo ist die millionenschwere Nummer eins und der Franzose Esteban Ocon soll Hülkenberg schnell vergessen machen. „Sein Beitrag war für unseren Wiederaufbau und Fortschritt hilfreich“, meint Teamchef Cyril Abiteboul technokratisch kühl.

Der Abschied von der Formel 1 - ob für immer und vorübergehend - fällt Hülkenberg nicht leicht. Er galt mal als Fahrer mit dem Potenzial für Siege - er hat es in seiner Karriere nicht mal auf das Podium geschafft. „Natürlich hätte ich den lieber nicht“, räumt Hülkenberg den traurigen Rekord ein. Kein Profisportler will schließlich eine Worstmarke statt einer Bestmarke hinterlassen.

Letztens hat Hülkenberg noch mal das Saisonfinale von Brasilien 2012 im TV gesehen. „Das war ein Rennen für die Geschichtsbücher“, sagt er. Damit kann der WM-Zweikampf zwischen Vettel und dem Spanier Fernando Alonso gemeint sein, der in einem atemlosen Finish den dritten Titel des jungen Heppenheimers nicht verhindern konnte.

Damit kann aber auch Hülkenbergs Auftritt gemeint sein. Zwei Jahre nach seiner ersten und einzigen Pole Position der Karriere in Interlagos führte er das Feld im Chaos-Rennen sogar an. Dann kam das Safety Car auf die Strecke und die Verfolger schlossen auf. „Mir blutete das Herz“, berichtet Hülkenberg, der im Force India das Tempo zum Gewinnen hatte, aber am Ende nur Fünfter wurde.

Sein anschließendes Engagement bei Sauber 2013 würde er in der Rückschau nicht mehr vollziehen. Das sei „vielleicht nicht der beste“ Wechsel für seine Karriere gewesen, meint Hülkenberg. Man treffe Entscheidungen in der Formel 1 sechs bis acht Monate im Voraus. „Und man weiß nicht, wie sich die Dinge entwickeln.“

Bei Sauber schlecht. Dort hielt es Hülkenberg nur ein Jahr aus - und wäre 2014 beinahe in einem Ferrari gelandet. „Wir haben gesprochen“, erzählte er einmal von Verhandlungen mit den Italienern. Die Chance auf das Cockpit neben Alonso sei „über geraume Zeit“ realistisch gewesen. Ferrari entschied sich allerdings für Rückkehrer Kimi Räikkönen, Hülkenberg landete wieder bei Force India.

„Ein großer Teil von mir freut sich auch auf die Auszeit und dass ich nicht mehr in so einem eng getakteten Zeitplan lebe“, behauptet Hülkenberg. Er will ein bisschen reisen, in die Toskana zum Beispiel, und auch mal mehr sehen als nur das Hotel und die Rennstrecke. Parallel zu seiner PS-Karriere hat er sich mit einem Kumpel eine Immobilienfirma aufgebaut. „Es macht Spaß, ist aber auch etwas für nach der Karriere, in das man investieren kann“, sagt er.

Kommt Hülkenberg zurück? Und wohin? Vielleicht in die Formel 1 nach einem Jahr Pause? Oder in eine andere Serie? „Ich schließe nichts aus“, sagt er, weil man das als Profi eben so sagt, um sich keiner Chancen zu berauben und sich Optionen offenzuhalten. „Es wird sicher auch Momente geben, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt“, räumt er ein. Nun liege aber erstmal eine „leere Straße“ vor ihm. Hülkenberg beteuert: „Und das ist ganz gut so.“