Im Dschungel der Vorgaben und der Bürokratie

Vereine wie die TSG 1846 kämpfen nicht nur gegen das Coronavirus, sondern auch mit dem fehlenden Verständnis für den Sport.

Im Dschungel der Vorgaben und der Bürokratie

Claudia Krimmer ist der Spaß trotz sinkender Inzidenzzahlen vergangen. Sie beklagt fehlendes Verständnis für den Sport. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

Irgendwie ist das ständige Schauen nach den Inzidenzzahlen in den Vereinen der Region derzeit das tägliche Brot für Funktionäre, Übungsleiter und auch die Sportler. Denn die Höhe an Neuinfizierten binnen einer Woche besagt in Zeiten von Corona, was an Training, Wettbewerben sowie Fitness- und Gesundheitsangeboten erlaubt ist und was eigentlich nicht geht. Wobei damit noch lange nicht gesagt ist, was am Ende dann auch möglich ist. Denn im bürokratischen Dschungel der Regeln, Behörden und Verwaltungen vor Ort wird ganz offensichtlich so manches trüb, was auf den ersten Blick doch eine scheinbar klare Vorgabe war.

Selbst einer erfahrenen Übungsleiterin und Funktionären wie Claudia Krimmer scheint die Geduld langsam auszugehen. „Jede kleinste Änderung musst du dem Ordnungsamt vorlegen. Das geht nicht, da kommst du auf keinen grünen Zweig“, erzählt die stellvertretende Vorsitzender der TSG Backnang 1846, dem mit Abstand größten Verein in der Murr-Metropole und im gesamten Murrtal. Einem Verein, der nicht ganz 3 000 Mitgliedern eine Heimat bietet und trotzdem nur einer von unzähligen Klubs ist, die seit Monaten in der Warteschleife hängen. Noch, denn Krimmer und Co. planen für kommende Woche den Neustart: „Vereinzelt bieten wir schon jetzt was an, nächste Woche wollen wir dann bei allen unseren 14 Abteilungen wieder hochfahren. Vor allem im Kinder-, Jugend- und Gesundheitssport sowie im Fitnessbereich.“

Wobei Krimmer und ihre Mitstreiter auch wissen, dass das Training teilweise noch sehr weit von dem entfernt ist, was vor Corona abging. Vor allem in den Hallen, während an der freien Luft wieder vieles möglich ist. Wenigstens so lange die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz einigermaßen konstant unter 35 liegt. Wenn nicht, dann wird einiges wieder ein Stück komplizierter, was ohnehin schon nicht ganz so einfach ist. Oder wie es Claudia Krimmer sagt: „So lange die Zahl über 30 und rund um die magischen 35 liegt, kannst du nicht richtig planen.“ So wie es hier an Rems und Murr der Fall ist. Am Dienstag vermeldete die Internetseite des Kreises die Zahl 34, gestern waren es 33. Damit ist ab heute die Testpflicht aufgehoben – für Freiluftangebote. Für alles, was in den Hallen läuft, gelten die sogenannten drei G aus genesen, geimpft oder getestet weiter. Zumindest für Kinder ab sechs Jahre, für Jugendliche und für Erwachsene.

Vor allem die jüngste Herabsetzung der Testpflicht aus Sechsjährige, nachdem zuvor bei Vierzehnjährigen Schluss war, beschäftigt die Vereine, obwohl die Regelung vermeintlich dadurch entschärft wurde, dass die ohnehin notwendigen Schultests in den folgenden 60 Stunden auch fürs Vereinstraining gültig sind. Doch das ist nur die eine Seite, die klare Seite der Medaille. Die zweite ist die, dass dafür ein Nachweis von der Schule nötig ist. Und den gibt es, oder es gibt ihn auch nicht, sind doch nicht alle Lehrer und Schulen bereit, diesen zusätzlichen Aufwand zu betreiben. „Ich habe dafür sogar Verständnis“, sagt Krimmer dazu. Da sei einfach wieder etwas auf den Weg gebracht worden, ohne sich über die Gedanken zu machen, die das Ganze am Ende der Schlange bewerkstelligen müssen. Schulen und Vereine. Für die Backnangerin typisch dafür, dass bei den Entscheidungsträgern in den Ministerien, in den Behörden und den Ämtern oft die Kenntnis fehlt, wie hierzulande der Vereinssport funktioniert, dass das Ehrenamt bei Fensterreden gerne gelobt und gepreist, am Ende aber kaum unterstützt wird. Eher werde den Klubs das Leben noch erschwert.

Zum Beispiel mit der Herabsetzung des Alters der Testpflicht für Kinder. Denn solange die Schulen dabei die Klubs, die Eltern und den Nachwuchs nicht flächendeckend unterstützen, bedeutet die Neuregelung vor allem: unnötige Bürokratie, mehr Aufwand und zusätzliche Kosten, „denn im Gegensatz zu den Bürgertests müssen diese Schnelltests ja auch bezahlt werden“, ärgert sich Krimmer und fragt sich, ob diese rund 4 Euro pro Test nicht kropfunnötig sind. Schließlich haben alle Kinder und und fast alle Jugendlichen diese Prozedur am selben Tag oder ein, zwei Tage zuvor bereits in der Schule hinter sich gebracht. Im Dschungel der Regeln, Ämter und Verwaltungen hilft das dem Vereinssport bislang aber offenbar nicht wirklich was.

Viele Freiheiten für Sport an der frischen Luft, weiterhin Trouble um erweiterte Testpflicht für Kinder im Hallensport.

Die TSG Backnang 1846 steht in Sachen Wiedereinstieg bereits in den Startlöchern. Kommende Woche soll der Betrieb wieder richtig Fahrt aufnehmen. Auch wenn sowohl im Hallen- wie im Freiluftsport jeweils separate Vorschriften wie Gruppengröße , Abstandsregeln sowie unterschiedliche Dinge wie Kontaktfreiheit und Kontaktarmut berücksichtigt werden müssen. Los geht es unter anderem bei der Schwimmabteilung, die zum Beispiel im Weissacher Lehrschwimmbecken wieder Aquakurse anbietet. „Das hat geklappt, weil sich Rolf Hettich und Gernot Gruber großartig fur uns eingesetzt haben“, verteilt Claudia Krimmer an den CDU-Gemeinderat sowie an den SPD-Landtagsabgeordneten aus Backnang ein Sonderlob. Bei dem größten Verein der Murr-Metropole beginnt der sogenannte Restart in allen 14 Abteilungen und im Stadtblick auf dem Hagenbach. „Das sind wir unseren Mitgliedern schuldig“, sagt Claudia Krimmer und fügt hinzu: „Wir müssen das jetzt einfach mal probieren.“ Aktuelle Informationen sind im Internet über www.tsg1846.de abrufbar.

Um für die Test-Vorgaben gewappnet zu sein, ist die TSG Backnang 1846 wie andere Vereine, selbst aktiv geworden. „Wir haben Übungsleiter und Trainer schulen lassen, damit sie die Tests vornehmen können“, sagt Krimmer und erzählt, dass der Verein noch weitere Personen schulen wolle. Zudem bemüht sich die TSG 1846 um Impftermine für Trainer, Betreuer und Übungsleiter. Erstens aus Fürsorge für sie und zweitens, damit sich die Ehrenamtlichen ihrerseits nicht mehr vor jeder Trainingseinheit testen lassen müssen.

Andere Vereine, die Hallensport anbieten, sind noch nicht ganz so weit. Beim TV Murrhardt zum Beispiel hofft die stellvertretende Vorsitzende Norgat Trefz, dass es für den sogenannten Indoorbereich Ende Juni los gehen kann, nachdem es im Freiluftbereich und bei einzelnen Abteilungen bisher nur vereinzelt Angebote gibt. Ein Problem in Murrhardt ist, dass Hallen nicht für den Vereinssport zur Verfügung stehen, weil sie für den Schulunterricht benötigt werden. Hinzu kommt, so Trefz: „Die Testerei ist eine Katastrophe.“ Deshalb sei der Verein dabei, Ehrenamtliche dafür schulen zu lassen. Wobei Trefz auch sagt, dass die Schülergruppen doch eigentlich sicher sein müssten. Die Geschäftsstellenleiterin hat aber die Erfahrung gemacht, dass die Bereitschaft bei Schulen und Lehrern, die zusätzliche Arbeit für die Bescheinigungen aufzubringen, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Der Freiluftsport sei davon ja zum Glück nun befreit, da die Inzidenzzahl unter 35 liegt und momentan keine Test-Bestätigungen mehr nötig sind. Im Gegensatz zu den Hallensportlern.

In einem anderen Bereich hat der TVM einen konkreten Starttermin bereits im Blick. Am Montag, 21. Juni, gibt es wieder Trainingsangebote für das Deutsche Sportabzeichen.

Bei den Backnanger Judokas gibt es bereits einen eingeschränkten Trainingsbetrieb, der mit Ausnahme der Frauen und Männer der beiden Bundesliga-Teams allerdings nicht im vereinseigenen Dojo stattfindet. „Wir bieten auf dem Sportplatz an der Mörikehalle Einheiten mit Gymnastik und Zirkeltraining an“, berichtet Alfred Holderle. Der Leiter der erfolgreichen Abteilung der TSG Backnang Schwerathletik weiß jedoch , dass dieses eingeschränkte Angebot kein Dauerzustand sein kann und sagt: „Wir warten darauf, dass wir wieder in die Halle dürfen, auch wenn dort in unserer Kontaktsportart für jeden Kämpfer zumindest vorläufig nur Training mit einem festen Partner möglich ist.“ Die Testpflicht ist für Holderle nicht das ganz große Problem, da sich die Kinder, die von der Schule keine Bestätigung erhalten, gut gelinge, auch dank des Engagements der Eltern im Testzentrum vorab testen lassen würden. Wobei Holderle weiß, dass „alle Beteiligten etwas mehr Einsatz bringen müssen.“